Witte's Welt

  22.11.2019 Fricktal, Kolumne

Vorurteil und Paniermehl

Ronny Wittenwiler

Was sind Kinder doch mit Vorurteilen behaftet. Mein Bruder zum Beispiel war so ein Kandidat. Obschon er mich rein vom Typ her kaum kannte, steckte er mich vier Tage nach meiner Geburt bereits in eine Schublade. Eine Woche lang hatten die Eltern vergeblich nach mir gesucht. Doch seien wir einmal ehrlich: Das Vorurteil ist die kleine Schwester der absichtlichen Täuschung, die uns tagtäglich heimsucht. Als Gastredner an einem Symposium der Uni Basel durfte ich diese Erkenntnis mit einem ganz konkreten Beispiel aus der Theologie illustrieren: «Meine Damen und Herren», sagte ich: «Bloss, weil sich draussen im Wald ein Reh formiert, ist es noch lange nicht katholisch.» Die Menschen erhoben sich spontan von ihren Sitzen, spendeten warmen Applaus und einer rief begeistert: «Genau! Und nur weil ich Bohnen zum Zmittag hatte, muss nicht jeder Wind davon bekommen.» Betretenes Schweigen. Man konnte die Anspannung förmlich riechen. Jetzt meldete sich der Bohnenmann nochmals: «Hey, bist du nicht der Typ, den man in einer Babyklappe gefunden hat?» – «Das war die Brotkiste in unserer Küche du Penner!» – «Egal. Lass dich von niemandem in eine Schublade stecken.»

witte@nfz.ch


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