Interkulturelle Begegnungen

  15.11.2019 Laufenburg

Diskussion zum Thema Identität im Rehmann Museum

Passend zur Ausstellung des Bildhauers Hans Josephson im Rehmann Museum unterhielten sich Martin R. Dean und Simone Berger Battegay am Sonntagabend zum Thema Identität und deren Instrumentalisierung.

Clara Rohr-Willers

Am Sonntagabend ermöglichte die Museumsleiterin Ute W. Gottschall eine interkulturelle Begegnung zwischen dem Schriftsteller Martin R. Dean und Simone Berger Battegay, Projektleiterin der Stiftung «Christlich-Jüdische Projekte» im Rehmann Museum. «Thema sind heute Abend Identität, Instrumentalisierung der Identität und Antisemitismus», erklärte Ute W. Gottschall. «Trotz der Schrecken des Dritten Reichs werden wir heute wieder mit einem aufkommenden Antisemitismus konfrontiert. Vor exakt 81 Jahren fand die Reichsprogromnacht statt. Auch der Bildhauer Hans Josephson, dessen Werke aktuell im Rehmann Museum ausgestellt werden, konnte in seiner Heimat Königsberg nur gerade das Abitur abschliessen, bevor er 1938 über Italien in die Schweiz flüchten musste.»

«Identität ist ein konstruiertes Bild»
«Identität ist keine genetisch feststellbare Einheit», sagte Martin R. Dean. «Wenn Obwaldner Bauern durch Gentests mit syrischen Wurzeln konfrontiert werden, haben sie mit Flüchtlingen mehr gemein, als ihnen lieb ist», so der Schriftsteller. «Wie der Soziologe Stuart Hall sagte, hat die Identität immer etwas Imaginäres an sich. Ganz bestimmt ist sie keine Zuschreibung von aussen, sondern vielmehr ein konstruiertes Bild, das wir von uns selber machen», schilderte Dean. «Seit Sigmund Freud wissen wir zudem, dass das Unterbewusste, das ständig im Fluss ist, einen grossen Einfluss auf unser Selbstbild hat.»

Im Internet werde man ständig aufgefordert, seine Zugehörigkeit zu definieren und merke gar nicht, dass einem durch das Festlegen die Freiheit genommen werde. «Identitäten spielen in unserer Welt eine im-mer grössere Rolle und nicht alle wissen, dass eine einmal festgelegte Identität von anderen ausgenutzt und instrumentalisiert werden kann. Was ist ein Schweizer oder ein Afrikaner überhaupt?», fragte Martin R. Dean das altersdurchmischte Publikum am Sonntagabend. Er selber glaubt an keine afrikanische oder jüdische Identität. «Faktisch gibt es weder biologisch noch sozial eine klare Identität.» Auch wenn Simone Berger Battegay diese Meinung teilt, stellte sie in Frage, ob die Menschen heute schon so weit seien, um sich zu fragen: «Was kommt danach?»

«Sei dich selber und setze dein Selbst aufs Spiel»
«Seit zwanzig Jahren setzen wir auf einen interreligiösen Dialog. Durch unsere Projekte begegnen sich Christen und Juden auf Augenhöhe», erklärte Berger Battegay, deren Stiftung «Christlich-Jüdische Projekte» von den Kirchen der Kantone Basel-Stadt und -Landschaft sowie der israelitischen Gemeinde getragen werden. «Der Antisemitismus ist in den letzten Jahren leider gewachsen und wir erhalten mehr Drohungen», betonte die studierte Historikerin. «Was darf me hüt überhaupt no sääge», heisse es oft. «Gibt es überhaupt noch Sätze, die andere nicht von vornherein ausschliessen», fragte Berger Battegay. Martin R. Dean betrachtete dies als Scheinargument, da Begriffe an sich nichts Schlechtes seien. Er pochte auf die Dringlichkeit von Aufklärungsarbeit und Gesprächen, die in der Schule und anderen Kulturinstitutionen geübt werden können. Simone Berger Battegay wies daraufhin auf den «runden Tisch der Religionen», den ihre Stiftung seit zehn Jahren anbiete. «Man tritt mit einer klaren religiösen Identität auf und beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Ritualen.»

Im Anschluss zeigten Fragen unterschiedlicher Menschen aus dem Publikum das grosse Bedürfnis nach Ratschlägen zum Thema Identität auf. So fragten junge Menschen nach Tipps gegen die eigene Unsicherheit im Blick auf die Zukunft. «Sei dich selber und setze dein Selbst aufs Spiel, um ein Stück Autonomie zu gewinnen», riet Martin R. Dean. Wer Angst habe, renne in den Fundamentalismus. Auch Simone Berger Battegay riet zu möglichst vielen interreligiösen und interkulturellen Begegnungen. «Das heisst nicht, dass man sich in jeder Gruppe wohlfühlen muss», fügte Dean hinzu. «Aber man merkt meist, dass man sich nicht nur in einer einzigen Gesellschaft gut in seiner Haut und mit sich selber identisch fühlt.»


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