Gedanken zum Wochenstart

  12.11.2019 Leserbriefe, Kaiseraugst

Ich versuche mich auf die neue Woche einzustimmen: am vergangenen Sonntag hat Sibylle Berg in Basel den Schweizerischen Buchpreis erhalten; besonders hervorgehoben wurde ihr aktueller Roman «GRM. Brainfuck» – und alle haben applaudiert als sie erklärte, wie wichtig es ist, sich kritisch gegenüber den ungelösten Themen der Digitalisierung zu verhalten! Ach ja und am Montag, am 11.11. war offizieller Fasnachtsbeginn. Vor mir liegt noch ein Stapel «zu erledigen». Da eine Sitzung mit der Naturschutzkommission, dort ein Treffen mit Imkern. Vor mir liegt noch die Einladung der römisch-katholischen Kirchgemeinde zur Kirchgemeindeversammlung. Zwar bin ich nicht katholisch, doch hat mich meine Frau gebeten, auch ihre Unterlagen zu studieren. Uff, da lese ich unter Traktandum 6 «Information und Grundsatzentscheid bezüglich Einbau einer (5G) Mobilfunkantenne im Kirchturm».

Auch nach mehrmaligem Lesen werde ich nur unwesentlich entspannter; ich muss mehr darüber wissen und erfahre, dass an der Versammlung zwei Experten von der Swisscom umfassend über das Projekt informieren würden; nach anschliessender Diskussion soll eine Abstimmung für einen Grundsatzentscheid erfolgen. Hä? Ich bin irritiert. Wie soll ein Publikum über ein so komplexes Thema abstimmen, wo sie durch Vertreter eines Mobilfunkanbieters einseitig orientiert werden? Abgesehen davon darf nicht übersehen werden, dass dieselben Anbieter im Hintergrund Millionen investieren. Dabei wird uns etwas schön geredet, wozu wir aber noch nie gefragt worden sind, ob wir das auch möchten, respektive auch brauchen? Aha – jetzt kann ich auch die Überlegungen der Kirchenpflege nachvollziehen – denn weiter unten steht im Text, dass die Firma auch bereit ist, Jahr für Jahr einen grösseren vierstelleigen Betrag in die Kirchenkasse zu spülen, was bei rückläufigen Kirchensteuern durchaus verlockend ist. Das Ganze riecht ungut und erachte ich als problematisch und ziemlich bedenklich! Irgendwie will mir der Begriff «scheinheilig» nicht aus dem Kopf.

Für mich gibt es mehr Fragen als Antworten: Ist es wirklich Aufgabe einer Kirchenpflege, Grundsatzentscheide über delikate und auch politische Aspekte in Versammlungen hineinzutragen? Ist ein Kirchturm mitten in einer Gemeinde nicht von allgemeinem öffentlichen Interesse – unabhängig jeder Konfession?

Ist es nicht verwerflich, wenn Mobilfunkanbieter versuchen, ihre Antennen zu verstecken? Gilt denn nun ab sofort «aus den Augen aus dem Sinn»? Einmal mehr frage ich mich, warum zukunftweisend die riesigen Datenmengen nicht genauso gut über Glasfaserkabel geleitet werden können?

Ich möchte die Kaiseraugsterinnen und Kaiseraugster bitten, wach zu bleiben und sich nicht durch schöne Worte blenden zu lassen. Es stimmt nicht, dass wir nichts tun können, aber es liegt an uns. Wäre es nicht schlimm, wenn wir in der römisch-katholischen Kirche von Kaiseraugst ein ganz wichtiges Weihnachstlied anders singen müssten «Oh du fröhliche, oh du seelige, strahlen-bringende Weihnachtszeit». Helfen Sie mit, dass es nicht soweit kommt.

HANSUELI SCHLÄPFER, KAISERAUGST


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote