Der Besuch des Veteranen

  14.11.2019 Magden

Ehemaliger Schweizergardist bei Berufsausstellung in Pratteln

Ex-Schweizergardist Urs Hahn (70) aus Magden war Zentralpräsident der 1000 ehemaligen Päpstlichen Schweizergardisten. 20 Jahre lang leitete er das Zentrum des Veteranen-Netzwerks der ältesten Armee der Welt. Jetzt besuchte er ihre Berufsausstellung in Pratteln.

Willy Surbeck

Nach dem Rundgang durch die Ausstellung in der Galerie Hermann Alexander Beyeler ist Ex-Schweizergardist Urs Hahn bewegt. «Diese Vollständigkeit überrascht mich. Alles Wichtige ist da. Geschichte, Wesen, Ausbildung und Dienst werden präzise gezeigt», sagt Hahn. Am längsten blieb er vor dem 4 Tonnen schweren Papamobil stehen. «Es ist noch nie ausgestellt worden. Es wird streng behütet. Ich weiss nicht, wie es möglich war, dass es nach Pratteln kam», staunt er. Das Papamobil und die Papst-Soutane brachten Urs Hahns Erinnerungen wieder: «Es war 1969. Meine Eltern waren nicht sonderlich begeistert, als ich mich nach Rom gemeldet hatte», legt der Veteran offen. Der Vater war Baumeister. «So war es für ihn keine Option, dass ich jetzt drei Jahre nach Rom gehe». Der damals frisch ausgelernte Elektromonteur ging trotzdem. «Ich wollte etwas anderes sehen als die Schweiz. Und auch eine zusätzliche Sprache lernen. Zudem war ich der Kirche durch die Jugendarbeit verbunden», erinnert sich der 70-Jährige.

Begegnung mit US-Präsident Richard Nixon
Nach der Ausbildung in Rom wurde auch Gardist Hahn für die Schildwache eingesetzt. Durchgänge bewachen und die ungebetenen Gäste am Weitergehen hindern. Rund um die Uhr. «Schiessen oder sonst Gewalt anwenden musste ich glücklicherweise nie», so der Veteran. Herausragende Erinnerungen? Hahn nennt deren vier. Da waren die Staatsbesuche von US-Präsident Richard Nixon sowie des Äthiopischen Kaisers Haile Selassie, welche der Jugendliche aus dem Fricktal aus exklusivster Nähe erleben durfte. «Beeindruckt haben mich auch die grossen Feiern zu Ostern und Weihnachten. Das war ganz besonders», sagt er bewegt. Und dann waren da die wöchentlichen Begegnungen mit Papst Paul lV. «Er wollte von mir wissen, woher ich genau kam. Als er Basel hörte, reagierte er sofort mit Aussagen über das Theater Basel, welches er offensichtlich gut kannte. Ich merkte immer wieder, dass Papst Paul IV der Schweiz nahestand. Er muss sie vor seinem Amt als Pontifex mehrfach besucht haben.»

Mit dem Austritt aus dem Aktivdienst in der Päpstlichen Schweizergarde 1973 war es für Urs Hahn nicht zu Ende. Jetzt sollte die Garde erst recht sein Leben prägen. Nebst seiner weltlichen Laufbahn als Vorarbeiter in der Sandoz wurde der Betriebselektriker Zentralpräsident der ehemaligen Gardisten für die ganze Schweiz. Mit einem Schlag stand er im Zentrum des öffentlich wenig bekannten Netzwerks von rund 1000 Ex-Gardisten, welche einst ihrem Papst gedient und Treue bis zum Tod geschworen hatten.

Hahn gewann immer mehr den Überblick, wer wo zu finden war. Der Zentralpräsident von 1973 bis 1993 kennt zahlreiche Laufbahnen: «Viele bewarben sich nach ihrem Dienst in Rom in den kantonalen Polizeikorps sowie bei der Eidgenössischen Zollverwaltung. Sie werden da geschätzt, weil sie Verschwiegenheit, Zuverlässigkeit und Treue zu einer Sache bewiesen haben.» Dass keiner seiner eigenen drei Söhne in der Garde diente, sagte er ohne Bitterkeit, wenn auch mit einem leisen Hauch von Wehmut. Weil einem Journalisten bei derartiger Schilderung die damalige Geheimarmee P26 in den Sinn kommt, kann man die Frage stellen. Gab es Berührungspunkte? Aber Urs Hahn verneint gegenüber der Neuen Fricktaler Zeitung. «Nein, nie. Das war in der ganzen Zeit kein einziges Mal ein Thema.»

Wir-Gefühl
Welches ist denn das Thema bei den Zusammenkünften der Ehemaligen Gardisten? «Vor allem der Nachwuchs für die aktive Garde. Sonst hat die Päpstliche Schweizergarde keine Zukunft. Zudem geht es darum, dass die 50 Millionen Franken für die neue Kaserne zusammenkommen», erklärt der ehemalige Präsident. Alle zwei Jahre gibt es ein grosses Treffen. «Da treffen sich alle 13 Sektionen. Der Kommandant ist jedes Mal da. Er hört jeweils genau zu und nimmt von uns Impulse auf. Und er weiss, dass die ehemaligen Gardisten einen wichtigen Beitrag zur Werbung für die Schweizergarde leisten. Und auch das sind jeweils um die 300 bis 600 Leute», sagt Urs Hahn. Höhepunkt wird 2021 sein. «Wir begehen das 100-Jährige.» Das «wir» sagt er so, dass man merkt, dass er noch immer mitten drin ist. «Allein in der Region Basel leben 80 Ehemalige, die sich kennen. Im Kanton Aargau etwa 90. Das Jahr hindurch und speziell am Tag der Vereidigung des neuen Jahrgangs pflegen wir die Kameradschaft.»

Urs Hahn macht die Spannung zwischen säkularisierter Gesellschaft und dem Päpstlichen Anspruch mit sich aus. Als Vorarbeiter hatte er in der Sandoz/Clariant und nach der Weiterbildung in Elektronik und Digitaltechnik bis zur Ingenieursplanung Karriere gemacht. Auch wirkte er als CVP-Exponent in der Schulpflege Magden (1986 bis 1989), ebenso in der Energie und Umweltkommission von 2000 bis 2012. Im Mai dieses Jahres beendete er nach 35 Jahren seine Tätigkeit als nebenamtlicher Sakristan in der Kirche von Magden.

Er entsinnt sich, dass ihn einmal Sandoz-Konzernchef Marc Moret ins Office rief und ihm seine ideelle Unterstützung für seine Ämter zusicherte. Noch heute sind die Hälfte seiner wichtigen Bezugspersonen ehemalige Mitglieder der Garde. Wie sieht er den Papst? Wie hat sich sein Gottesbild verändert? «In der Garde hatte ich keine Zweifel», sagt der praktizierende Katholik. Allerdings denkt er heute, dass das Zölibat beendet werden und Frauen zum Priesteramt Zugang haben sollten. Er traut Papst Franziskus erheblichen Einfluss zu. «Er ist am Aufräumen und hat schon einiges zustande gebracht. Man soll seinen Einfluss nicht unterschätzen.»

Die Berufsausstellung Päpstliche Schweizergarde ist bis zum 30. November jeweils Mo bis So geöffnet von 10 bis 18 Uhr. An den Samstagen finden um 11 Uhr Podien mit Gips und Gardisten statt. Eintritt frei.


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