Balken, Bretter, Latten, Leisten, Vivian und Lothar

  20.11.2019 Hornussen

Markus Herzog hat gesägt und gekämpft, jetzt gibt er auf

117 Jahre lang flogen in der Sägerei Herzog in Hornussen die Holzspäne. Jetzt laufen die Maschinen nur noch selten und Markus Herzog baut den Lagerbestand ab. Hie und da bedient er noch Privatkunden – so wie einst sein Urgrossvater, der Gründer.

Simone Rufli

Der Geruch von frisch gesägtem Holz liegt in der Luft. «Ich merke das gar nicht mehr», sagt Markus Herzog und legt eine Latte beiseite, «aber ich werde von Spaziergängern immer wieder darauf angesprochen.» Aus Rundholz haben Herzogs in ihrer Sägerei an der Striegelgasse in Hornussen Bauholz aller Art erzeugt. Balken, Kantholz, Latten, Bretter roh oder gehobelt, mit Falz, Nut oder Kamm – 117 Jahre lang. Viel Wasser ist in dieser Zeit die nahe Sissle hinuntergeflossen.

Ein Leben für den Familienbetrieb
Grosse computergesteuerte Maschinen sucht man bei Markus Herzog vergebens. «Die da», er zeigt auf eine Maschine, «hat meinen Jahrgang.» Herzog ist 55 Jahre alt. Aufgewachsen ist er in der Sägerei. Nie hat er an einem anderen Ort gewohnt als im Elternhaus in Hornussen. Immer steckte er seine ganze Energie in den Familienbetrieb. Jetzt mag er nicht mehr kämpfen. Den Holzhandel hat er bereits aufgegeben – schweren Herzens.

«Es wird heute viel Holz gebraucht, das ist richtig», sagt Markus Herzog auf dem kurzen Weg von der Werkstatt hinauf ins Büro. «Aber was heute verlangt wird im Holzbau, ist verleimtes Brettschicht-Holz, kein Rundholz und keine Balken, wie sie über drei Generationen in unserer Sägerei verarbeitet wurden. Heute werden auch in Dachstühlen kaum mehr Balken aus Massiv-Holz verwendet.»

Ein Kleinstunternehmer
Mit der «Sagi» ging es bei Herzog’s erst Ende der 50er Anfang 60er Jahre des letzten Jahrhunderts so richtig los. «Davor war die Landwirtschaft bei meinem Vater noch bedeutender.» Um die Produktion heute den veränderten Kundenbedürfnissen anzupassen, dafür sei sein Betrieb zu klein. «Ich bin ein Kleinstunternehmer», Herzog lacht und wird dann wieder ernst. Draussen auf der Veranda spaziert seine Mutter mit dem Rollator vorbei. «Für sie ist es schwer. Ihr macht es zu schaffen, dass die Produktion in der grossen Halle stillsteht.»

1978, vor über 40 Jahren, wurde die Halle aufgebaut, ausgerüstet mit einer für damalige Zeiten modernen und leistungsfähigen Einrichtung. Zu den besten Zeiten arbeitete Markus Herzog mit seinem Vater und drei Angestellten im Familienbetrieb. «Jetzt bin ich allein.»

Zwei Stürme brachten die Wende
Gut waren die Zeiten bis der Orkan Vivian Ende Februar 1990 den Holzmarkt ein erstes Mal so richtig durcheinander wirbelte. Neun Jahre spä- ter hat «Lothar» am Stephanstag den Rest besorgt. «Der Markt ist damals zusammengebrochen. Davon haben wir uns nie mehr ganz erholt.» Im 2012 hat Markus Herzog die Car-Prüfung gemacht. Seit 2013 fährt er in einem 30-Prozent-Pensum und heute in einem 50-Prozent-Pensum als Postauto-Chauffeur im oberen Fricktal.

Ein Raub der Flammen
Die erste Sägerei war 1902 an gleicher Stelle eingerichtet worden. Drei Jahre später wurde sie bei einem Brand zerstört. «Mein Urgrossvater hat die Brandruine und die benachbarte Mühle gekauft und die Sägerei wieder aufgebaut.» Herzogs sind Säger seit Generationen. Der Urgrossvater, der Grossvater, der Vater und zuletzt Markus Herzog, allesamt Säger. Gab es nie einen anderen Berufswunsch? Herzog nickt. «Doch, den gab es. Als Bub träumte ich davon, Bähnler zu werden. Aber da war der Familienbetrieb und mein Bruder, der uns früh schon mitteilte, dass er ein anderes Handwerk lernen möchte.» Markus Herzog sah es gewissermassen als seine Pflicht, den Betrieb weiterzuführen und machte in der Sägerei Wildegg seine Lehre. Nach der Lehrzeit arbeitete er zuerst als Angestellter beim Vater, ab 1990 dann als selbstständiger Säger. Dass sich die Sägerei Herzog so lange halten konnte, ist der Achtsamkeit ihrer Geschäftsführer zuzuschreiben. «Wir haben den Betrieb langsam aufgebaut, immer erst dann investiert, wenn die Menge an Kunden und der Geschäftsgang es erlaubten.»

Das Handy klingelt. Eine Frau sucht Holz für ein Tiergehege. «Möglicherweise habe ich noch etwas an Lager, was sie gebrauchen können», sagt Herzog zur Kundin. Dann verabschiedet er sich mit den Worten: «Es ist schön, mit Holz zu arbeiten.» Solange die alten Maschinen noch funktionieren und ein bisschen Holz an Lager ist, wird der Geruch von frisch gesägtem Holz über der nicht ganz stillgelegten Sägerei in der Luft hängen bleiben.


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