1600 Jahre später

  03.11.2019 Wallbach

Römische Auferstehung in Wallbach

Im vierten Jahrhundert nach Christus hatte an dieser Stelle ein römischer Soldat sein Münz verloren. Das ist aber nur ein Teil der Geschichte.

Ronny Wittenwiler

Diese Kleinfestung am Rhein bei Wallbach war etwas in die Jahre gekommen. Es waren der Zahn der Zeit, der nagte, und das Moos, das wucherte. Fleissige Hände legten nun den Blick wieder frei auf das längst Vergangene, das zu vergessen gehen drohte, und all die fleissigen Hände machten jetzt den Deckel drauf. Die Sanierung der spätrömischen Befestigungsanlage unweit vom Waldhaus bildet nämlich den Abschluss einer gross angelegten Generalüberholung: Insgesamt sieben Ruinen entlang des Rheins im Aargau brachte die Kantonsarchäologie in Zusammenarbeit mit der Vindonissa-Professur der Universität Basel wieder auf Vordermann. Der nun sanierte Zeitzeuge in Wallbach ist das letzte Objekt im Rahmen dieses Projekts, na dann, Prost: 1600 Jahre, nachdem die Römer diese Kleinfestung, wahrscheinlich ohne Baugesucheingabe, erstellt hatten, stiessen nun die heute Beteiligten auf die abgeschlossene Sanierung an.

Teil des Hochrhein-Limes
«Dieses Objekt ist nicht unbedeutend», sagte Thomas Doppler von der Kantonsarchäologie. «Die römische Kleinfestung war im vierten Jahrhundert Teil eines grossen Grenzbefestigungssystems und ist daher kulturgeschichtlich interessant.» Gegen fünfzig Wachtürme und mehrere militärische Anlagen zwischen Basel und dem Bodensee stampften die Römer zu jener Zeit aus Grund und Boden und schufen damit auf rund 150 Kilometern Länge einen veritablen Grenzwall entlang des Rheins. Dieser Hochrhein-Limes, so Doppler, übertreffe damit selbst den legendären Hadrianswall in England (117 Kilometer).

Römische Finanzen und Wallbacher Sanierungskosten
«Wir wissen, dass sich im vierten Jahrhundert nach Christus Kaiser Valentinian am Hochrhein aufgehalten hat», sagte Peter-Andrew Schwarz, der als Basler Uni-Professor für Provinzialrömische Archäologie die Sanierung zusammen mit Studenten begleitete und dokumentierte. Offen bleibt, ob der gute Herr Kaiser einst höchstpersönlich seine Aufwartung im schönen Wallbach machte, doch als gesichert gilt: Die hier stationierten römischen Soldaten sorgten in ihrer Kleinfestung durchaus für etwas Leben in der Bude. Mehrere Feuerstellen im Innenhof zeugen davon, «sicher wurde hier auch gekocht», erklärte Schwarz. Es sei davon auszugehen, dass die Anlage in Wallbach die einzige ist, die nicht als klassischer Wachturm diente. Zwanzig bis Fünfundzwanzig Mann dürften stationiert gewesen sein und ja, so erfährt man: Spätestens beim Abzug der Truppen hatte mindestens einer sein Kleingeld verloren. Beim Abtragen von altem Humus kamen im Rahmen der Sanierungen zwei Münzen zum Vorschein. Jetzt, 1600 Jahre später, hat die Teuerung aber auch in Wallbach eingesetzt: An der Sanierung der Anlage beteiligte sich die Gemeinde mit rund 25 000 Franken. Das ist rund ein Drittel der Gesamtkosten, den Rest übernehmen Kanton und Bund.

Wer hat’s erfunden?
«Für unsere Kinder und Grosskinder physisch erhalten, statt nur erahnen, was hier einmal war», das sei für sie das Zentrale an diesem Projekt, sagt Wallbachs Gemeinderätin Jris Pümpin Reiffer. Informationen übrigens, zusammengetragen aus Recherchen in den Archiven, ergänzen zusätzlich rund um die Anlage, was hier einmal war – und wie es war. Noch bevor die Beteiligten auf das vollbrachte Werk anstiessen, richtete Archäologe Schwarz seinen Blick in die weite Ferne zurück in die Vergangenheit: «Der Bautyp dieser Festung hier ist vor allem am Donau-Limes im heutigen Ungarn anzutreffen. Das zeigt, wie weiträumig damals die römische Armee über die eigenen Provinzgrenzen hinaus organisiert gewesen ist.» Und uns bleibt nur noch die Frage: Wer hat’s erfunden – die Römer von der Donau oder vielleicht doch die vom Wallbacher Rheinknie?


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