«Ich bin ein Stehaufmännli»

  04.11.2019 Laufenburg, Persönlich

Mit 58 Jahren verlor Stefan de Ambrosis seinen Job – aufgegeben hat er nicht

Seit Januar wird die Ortsdurchfahrt in Laufenburg saniert. Bis Juni 2021 sollen die Arbeiten, für die rund 6,8 Millionen Franken veranschlagt sind, noch dauern. Und ebenso lange müssen die Autofahrer mit Staus rechnen. Dass der Verkehr trotz der Belagserneuerung so gut wie möglich läuft, dafür sorgt unter anderem Stefan de Ambrosis von der Sicherheitsfirma Sidak.

Hildegard Siebold

Stefan de Ambrosis ist in Asp zuhause. Seit Beginn der Sanierungsarbeiten ist sein Arbeitsplatz überwiegend in Laufenburg. Der 61-jährige ist der Mann, der die Ampeln am jeweiligen Bauabschnitt schaltet und den Verkehr so gut es geht am Fliessen hält. Tagsüber und nachts erfolgt die Schaltung der Ampeln automatisch. Zirka 30 bis 35 Autos können in jeder Grünphase fahren. Morgens und abends, wenn der Verkehrsfluss vor und nach dem Arbeitsbeginn seinen Höhepunkt erreicht, kommt Stefan de Ambrosis zum Einsatz. Von 6 bis 9 Uhr und von 15 bis gegen 19 Uhr steuert er Tag für Tag den Verkehr. Dann kommen in der Grünphase rund 80 Autos zum Zug. Das bedingt zwar längere Wartezeiten in der Rotphase, aber der Verkehr fliesst ab.

Das zeigt sich auch an diesem Dienstagabend. Von keiner Seite haben sich lange Staus gebildet, obwohl kurz nach 17 Uhr Feierabendverkehr ist. In orange-leuchtender Sicherheitsuniform steht Stefan de Ambrosis an der Durchgangstrasse bei der Burgmattschule. In seiner Hand ist die Fernbedienung für die Ampelschaltung, seine Augen haben die Strasse fest im Blick. Manch einer, der vorbeifährt, winkt de Ambrosis. Viele kennen ihn mittlerweile. Viele bedanken sich. Sicher gebe es auch die Ungeduldigen, die ihn mit weniger freundlichen Gesten bedenken. Das dürfe man sich nicht zu Herzen nehmen, da brauche es einfach ein dickeres Fell, schmunzelt er, als ihm über Funk gerade ein Postauto gemeldet wird. Es hat Vorrang vor anderen Autos und de Ambrosis dirigiert mit der Ampel dementsprechend den Verkehr. Bei Notfalleinsätzen heisst es für ihn alles zu stoppen, bis er weiss, wo es lang geht. «Mittlerweile habe ich es im Griff», lacht er und strahlt eine tiefe Ruhe aus.

Er ist zufrieden mit seinem Job und seinem Leben. Das war nicht immer so. Lange Jahre hatte er bei der Firma Baubedarf, an der Eternit-Zuschneidemaschine gearbeitet. Nach einer grösseren Rücken-Operation wurde er gekündigt, verlor von einem Tag auf den anderen seinen Job im Alter von 58 Jahren. «Da geht es dir erst mal ganz schlecht», sagt er. Er fühlte sich nicht mehr vollwertig ohne Arbeit. Hinzu kam die Angst, in seinem Alter überhaupt noch etwas zu finden. Ein kleiner Herzinfarkt war die Folge. Aber Stefan de Ambrosis gab nicht auf. Er suchte einen neuen Job und wurde schliesslich auf eine Anzeige der Sicherheitsfirma Sidak in Herznach aufmerksam. Er absolvierte die notwendige Ausbildung und arbeitet nun nach erfolgter Prüfung im Verkehrsdienst. Nachdem sein Chef Alfred Klaus sich kürzlich zur Ruhe setzte, wird die Sidak unter neuer Geschäftsleitung mit Büro in Birr weitergeführt. «Mein neuer Chef Heinrich Meier ist super», sagt Stefan de Ambrosis, der auf ein vielseitiges Arbeitsleben zurückblicken kann. Geboren und aufgewachsen ist er mit zwei Schwestern in Schönenwerd im Kanton Solothurn. Die Eltern stammen aus Italien, seine Mutter arbeitete bei Bally, der Vater als Maler. Auch wenn Stefan de Ambrosis zweisprachig aufwuchs, fühlte er sich immer als Schweizer. «Mit 18 Jahren habe ich mich einbürgern lassen», erzählt er.

Nach der Schule machte er eine Schreinerlehre und arbeitete gut zwanzig Jahre in diesem Beruf. Zigtausende Fenster montieren forderten jedoch irgendwann ihren Tribut. Aus gesundheitlichen Gründen musste er als Schreiner aufhören. Diverse andere Jobs folgten, unter anderem bei der Firma Balteschwiler in Laufenburg, bei Möbel Pfister, bei einer Druckerei in Frick und zuletzt eben als Zuschneider von Eternit-Platten. «Ich bin ein Stehaufmännli», sagt Stefan de Ambrosis. Dabei half ihm stets die Unterstützung seiner Frau Romi, die er 1979 im Skiclub in Schönenwerd kennenlernte. «Bei einer Wanderung des Skiclubs hat es gefunkt», verrät er lächelnd. Gemeinsam zogen sie nach Aarau und dann 1985 nach Asp, wo es beiden sehr gut gefällt. Dort haben sie 1986 geheiratet und später ein Haus gebaut. Auch wenn ihnen keine Kinder vergönnt waren, haben sie sich ihr Leben zu zweit eingerichtet. Stefan de Ambrosis war früher Mitglied im Jodlerclub Aarau und bis vor drei Jahren bewirtschaftete er mit einigen Mitstreitern in Asp einen kleinen Rebberg.

Eine Leidenschaft von ihm und seiner Frau ist das Reisen. «Sicher zehn Mal oder mehr waren wir in Griechenland, zuletzt vor allem in Kreta», erzählt er. Da gefällt es ihnen einfach sehr. Auch Australien, Ecuador und Neuseeland haben sie besucht. Heute unternehmen sie keine langen Flüge mehr und wenn Stefan de Ambrosis in knapp vier Jahren in den Ruhestand geht, möchte er mit seiner Frau die Schweiz richtig kennenlernen – das Land, in dem er sich wohl und zuhause fühlt.


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