«Die Kirche ist das ineffizienteste Gebäude am besten Platz»

  18.11.2019 Sulz

Der Sulzer Kirchenpflegepräsident Ludwig Dünner vermisst die Visionen

Während zehn Jahren präsidierte Ludwig Dünner die Katholische Kirchgemeinde Sulz. Jetzt hat er seinen Rücktritt angekündigt.

Dieter Deiss

Im Gespräch mit dem Demissionär zeigt sich, dass die katholische Kirche eben nicht nur Probleme mit der konservativen Haltung des päpstlichen Roms hat, sondern auch mit hausgemachten strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. So habe man vor gut zwei Jahren den Pastoralraum Laufenburg ins Leben gerufen. «Da haben wir etwas Neues geschaffen. Jetzt macht aber jede Kirchgemeinde so weiter wie bisher», beurteilt er die bisherige Verbandsarbeit. Lediglich der Personalpool und damit die Besoldung des Seelsorgepersonals über den Verband seien neu. Daneben herrsche aber ein striktes «Gärtlidenken». Als Beispiel nennt er die Katechetinnen, die von jeder Kirchgemeinde einzeln und für völlig unterschiedliche Aufgaben angestellt werden. Unbefriedigend sei auch die Situation bei den Pfarreisekretariaten. Statt fünf Sekretariate, mit zum Teil Kleinstpensen, müsste man ein zentrales Sekretariat schaffen, das auch täglich zur Verfügung stehen würde.

Potential wird nicht genutzt
Der scheidende Präsident fühlt sich im Stich gelassen vom Bistum und der Landeskirche. Hier habe man mit aller Kraft die Schaffung von Pastoralräumen vorangetrieben. Nach dem Gelingen dieses Vorhabens kümmere man sich von Solothurn aus kaum mehr um den weiteren Weg der neu geschaffenen Organisationen. Dünner kann auch nicht verstehen, weshalb der Pastoralraumleiter ein Theologe sein muss. Dies sei im Zeichen des akuten Priestermangels eine Verschwendung von Ressourcen. «Ein Pastoralraumleiter muss wohl Beziehungen zur Kirche haben und praktizierender Katholik sein. In erster Linie muss er jedoch Manager sein, der die verschiedenen Parteien ins selbe Boot holt», meint Dünner.

Rückblickend auf seine Tätigkeit in der Kirchenpflege meint der scheidende Präsident: «Wir mussten zu viel reagieren, dadurch mangelte es an Zeit zum Agieren.» Zudem habe man sich allzu stark in die seelsorgerischen Aufgaben einmischen müssen. Dünner ist übrigens nach wie vor der Meinung, dass ein Zusammenschluss der Kirchgemeinden von Sulz und Laufenburg, so wie dies die Kirchenpflege vor rund fünf Jahren den Stimmberechtigten empfohlen hatte, sinnvoll gewesen wäre und einiges erleichtert hätte.

Knappe Finanzen
Sorge bereiten dem Kirchenpflegepräsidenten auch die Finanzen. Obwohl die Steuereinnahmen, wie übrigens auch die Kirchenaustritte, kaum rückläufig sind, reicht das Geld knapp aus, um den ordentlichen Betrieb zu finanzieren. Dringend nötig wäre eine Totalsanierung der Kirche, wofür eine grobe Kostenschätzung von 2,5 Millionen Franken vorliege. «Ich bin aber nicht bereit, so viel Geld auszugeben für ein Gebäude, von dem wir nicht wissen, ob und wie es in ein paar wenigen Jahren noch genutzt wird», wird Ludwig Dünner hier sehr deutlich und spricht damit den weiterhin rückläufigen Gottesdienstbesuch an. «Die Kirche ist das ineffizienteste Gebäude, das auf dem besten Platz der Gemeinde steht.»

Dünner hat klare Vorstellungen zum zukünftigen Kirchenbau: «Als Erstes müsste man die starren Bänke entfernen und durch eine flexible Bestuhlung ersetzen. Weshalb die Kirche nicht vermehrt als Konzertraum nutzen? Wir haben eine hervorragende Orgel und eine sehr gute Akustik.» Dünner schwebt so etwas vor wie die Elisabethenkirche in Basel, die sowohl der Kultur als auch der kirchlichen Nutzung offensteht, ist sich aber auch bewusst, dass dies nicht so einfach umzusetzen ist.

Zu viele Kirchen im Pastoralraum
Deutlich wird Dünner, wenn er sagt: «Wir haben eigentlich im Pastoralraum zu viele Kirchen. Diese sind nur für die gelegentliche Abhaltung von Gottesdiensten schlicht zu teuer.» Früher habe es Fonds und Stiftungen gegeben, über die diese Aufwendungen finanziert werden konnten. Auch die Pfarrherren selber bemühten sich um die Finanzierung. Als Beispiel nannte er den ehemaligen Sulzer Pfarrer Josef Schlienger, der im Vorfeld der letzten Kirchenrenovation anfangs der Siebzigerjahre mehrere hunderttausend Franken zusammengebettelt habe.

«Es fehlen mir aber auch ganz klar das Engagement, die Ideen und Visionen der Seelsorgenden. Diese nehmen den Besucherschwund einfach so hin, statt nach Alternativen zu suchen», führt er aus. Statt jeden Sonntag routinemässig einen Gottesdienst abzuhalten, wäre manchmal etwas weniger oft etwas mehr. Dies dann, wenn man vermehrt spezielle Gottesdienste gestalten würde, wo man die Leute aktiv miteinbezieht. Aber auch der Kirchenchor müsste seinen Teil zu den dringend nötigen Veränderungen beitragen. Auch hier sei man allzu stark in Routine erstarrt.

Ohne Freiwillige geht nichts
Kirchenpräsident Dünner beteiligte sich schon in jungen Jahren sehr aktiv in der Kirche, war er doch Ministrant. «Da kam ich einmal in einem Jahr auf insgesamt 119 Einsätze. Es war die Zeit, als in der Sulzer Kirche noch täglich ein Gottesdienst gehalten wurde», führt er dazu aus. Rückblickend hält er fest, dass er den Job als Präsident sehr gerne gemacht habe. Nachdem er bereits während zehn Jahren das Kommando der Feuerwehr innegehabt hatte und jetzt ebenso viele Jahre die Kirchenpflege führte, habe er sehr viel für die Öffentlichkeit getan, meint der 45-jährige gelernte Schreiner, der heute im Aussendienst für Schreinereien tätig ist. Inskünftig möchte er mehr Zeit haben für seinen Sohn Tobias und diesen in seiner noch jungen Schwingerlaufbahn unterstützen. Im Schwingklub Fricktal amtet er als Medienchef und in der Musikgesellschaft Sulz spielt er den Bass.

An der Versammlung der Kirchgemeinde Sulz vom 20. November 2019 sind Ersatzwahlen in die Kirchenpflege traktandiert. Obwohl man im Moment noch keine konkreten Kandidatinnen oder Kandidaten hat, ist der scheidende Präsident zuversichtlich, dass die Nachfolge geregelt werden kann.

Abschliessend fügt er an: «Ich habe in das Amt viel Zeit investiert. Es ist aber auch erfreulich, wie viele Leute wir in unserer Kirchgemeinde haben, die unentgeltlich mitarbeiten.» Ohne die Freiwilligen würde in der heutigen Kirche vieles nicht mehr funktionieren.


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