Aus Österreich gekommen, um zu lernen

  14.10.2019 Etzgen

Ein Praktikum im Ausland

Das junge Pärchen, Lukas Dabrowa (18) und Sophie Messerer (16), macht derzeit ein Praktikum bei Thomas Leu in der Firma Florian GmbH Gartenbau in Etzgen. Aussergewöhnlich an diesem Praktikum: Die beiden kommen aus Österreich und bleiben für ein Jahr in dem Fricktaler Betrieb.

Miriam Häusler

«Bei uns ist das so Tradition», erzählt Thomas Leu, Geschäftsführer des Unternehmens. «Seit der Gründung unseres Betriebes werden hier laufend Praktikanten aufgenommen. Erst hatten wir meistens Praktikanten aus Polen, seit über zehn Jahren aber immer aus Österreich.» Sophie Messerer und Lukas Dabrowa sind bereits seit anfangs Juli hier und bleiben für ein ganzes Jahr. «Wir haben einen etwas anderen Weg für unsere Ausbildung gewählt», erklärt Sophie Messerer. «Wir machen nicht eine Lehre, sondern gehen zwei Jahre in die Schule und lernen alles Theoretische. Nach diesen zwei Jahren müssen wir noch für ein Jahr in ein Praktikum gehen und können dann unsere Ausbildung abschliessen.» Um die Praktikumsplätze zu finden, werden in den Schulen Listen mit Praktikumsbetrieben in Österreich und im Ausland verteilt. Thomas Leu arbeitet schon lange mit zwei dieser Schulen zusammen, und so finden die Suchenden seinen Namen auf den Listen.

Praktikum mit Abenteuer
Sophie und Lukas kennen sich aus der Schule und für beide war klar, dass sie das Praktikum mit einem kleinen Abenteuer verbinden wollten. «Zuerst wollte ich eigentlich nach London, ich wollte einfach ins Ausland und ein bisschen weiter weg als nur in eines unserer Nachbarländer», so Sophie. Für Lukas war die Sprache entscheidend: «Mir war einfach wichtig, dass wir in ein Land gehen, wo man Deutsch spricht. Es gibt schon genug zu tun mit der Arbeit, dann muss eine fremde Sprache nicht auch noch sein. Da wir zusammen weggehen wollten, haben wir uns dann für die Schweiz entschieden.» Anfangs taten sich die beiden noch etwas schwer mit dem Schweizerdeutsch, aber mittlerweile verstehen sie es ganz gut. «Es war für beide Seiten etwa das gleiche, wir haben euren Dialekt nicht richtig verstanden und die anderen unseren nicht. Aber jetzt haben wir uns alle schon daran gewöhnt», schmunzelt Sophie.

Praktikanten im eigenen Haus
Die Frage, warum Thomas Leu die Praktikanten aus dem Ausland holt und nicht aus der Schweiz, ist einfach zu beantworten: «In der Schweiz gibt es praktisch keine Praktikanten. Wer im Gartenbau arbeiten will, der macht eine Lehre», erklärt Thomas Leu. «Dieses Jahr konnten wir nicht alle unsere Lehrstellen besetzen und haben darum gerne diese zwei jungen Leute aufgenommen. Wenn wir die Ausbildungsplätze schon haben, dann sollten sie auch genutzt werden.» Wohnen können die beiden in Büren bei Thomas Leu und seiner Familie. «Wir haben ein grosses Haus und haben den unteren Stock zu zwei kleinen Wohnungen umgebaut. Dort wohnen dann die Praktikanten. Lukas und Sophie wohnen gemeinsam in einer der Zweizimmerwohnungen, da sie ein Paar sind. Sie haben ein eigenes Bad und eine Küche, alles was man in einer Wohnung so braucht», erläutert Leu. «Wir haben zwei Wohnungen gebaut, da wir immer zwei Praktikanten gleichzeitig aufnehmen, das ist leichter für sie», erklärt er weiter.

Ein schöner, aber harter Beruf
Die beiden Österreicher sind voller Elan und zeigen Begeisterung für den Beruf sowie die Schweiz. «Zuerst wollte ich eigentlich Fussballer werden, aber dann habe ich mich leider verletzt und musste mich für einen anderen Beruf entscheiden», beantwortet Lukas die Frage, wieso er diesen Beruf gewählt hat. «Ausserdem bin ich gerne draussen und habe früher oft im Garten meines Onkels Arbeiten erledigt, was ich gerne tat.» Sophie geht das ganz ähnlich: «Ich war früher immer gerne mit meiner Oma im Garten und sie hat mich dann auch immer gefragt: Was ist das jetzt für eine Blume und wie heisst dieser Baum oder diese Pflanze? So hatte ich schon immer einen Bezug zu diesem Beruf. Es ist auch einfach etwas anderes als all die anderen Berufe. Man ist draussen und kann in der Natur arbeiten, das finde ich schön.» Auch wenn der Beruf noch so schön ist, so ist er kein Zuckerschlecken. «Gerade für mich als Frau ist es noch ein Stück härter. Grosse schwere Steine kann ich nicht oder noch nicht alleine heben. Es braucht viel Kraft», weiss Sophie. «Abends sind wir dann einfach total kaputt», sagt Lukas. «Im Vergleich zur Schule ist das hier eine echte Herausforderung. Man muss sich schon zuerst daran gewöhnen. Nebenbei müssen wir auch noch Arbeiten für die Schule in Österreich erledigen, dafür braucht es auch viel Zeit.» Obwohl sie jeden Abend erschöpft nach Hause kommen, finden die beiden es auch ein gutes Gefühl. So wissen sie, dass sie tagsüber etwas getan haben.

Für Heimweh keine Zeit
Auch wenn sie zurzeit weit weg von der Familie sind, so haben sie hier für ein Jahr doch auch eine «Ersatzfamilie». «Freunde haben wir auf jeden Fall schon mal vier», schmunzelt Sophie. Damit meint sie die vier Kinder, im Alter von 16 bis 25 Jahren, von Thomas und Judith Leu. «Natürlich vermissen wir unsere Familien, aber wir sind den Tag hindurch abgelenkt und abends zu müde. Ausserdem sind unsere Arbeitskollegen für uns schon jetzt nach kurzer Zeit wie eine Familie. Alle sind super nett und wir haben viel Spass miteinander», findet Sophie. An den Wochenenden nehmen Thomas und Judith Leu die beiden gerne mit und zeigen ihnen Teile der Schweiz. «Sie können tun und lassen, was sie wollen. Sie haben ihre eigene Wohnung, kochen selber, kaufen ein und putzen. Sie haben auch ein eigenes Auto und können weggehen, wann immer sie wollen. Wenn wir an den Wochenenden mit der Familie etwas unternehmen, dann fragen wir immer, ob sie mitkommen wollen und können ihnen so auch die Schweiz noch etwas näherbringen», findet Thomas Leu. Die Schweiz ist schön, da ist sich das Pärchen einig. Grosse Unterschiede zu Österreich gibt es nicht. «Eigentlich ist vieles gleich», sagt Lukas. «Was aber auf jeden Fall anders ist, sind die Kreuzungen auf den Strassen. Ich habe meinen Führerschein vor ein paar Monaten gemacht und musste mich erstmal umgewöhnen.»

Auf ein gutes Jahr
Wichtige Bezugspersonen für die beiden sind Thomas und Judith Leu, die den Betrieb gemeinsam führen. «Wir sehen sie morgens und abends, Tagsüber sind wir auf der Baustelle oder arbeiten mit anderen Mittarbeitern. Trotzdem wissen wir: die beiden sind immer da», ist Sophie dankbar. «Wir können uns immer auch an jemanden von ihnen wenden. Das gibt uns ein Gefühl von Sicherheit so weit weg von zu Hause.» Das Jahr ist noch lange und es kommt noch viel auf die beiden Praktikanten zu. Erwartungsvoll blicken sie in die Zukunft und hoffen auf ein tolles und lehrreiches Jahr, mit viel Spass. Und natürlich mit viel Schweizer Schokolade, denn die finden sie extrem lecker. «Wenn wir wieder nach Hause gehen, dann nehmen wir ein ganzes Paket als Vorrat mit», sagt Sophie und muss lachen.


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