Matthias Lehner hat den Bogen raus

  26.09.2019 Gansingen, Persönlich

Der Pfeilbogen als historisches Kunstwerk und Sportgerät

Der in Galten ob Gansingen wohnhafte Matthias Lehner baut Pfeilbögen nach historischen Vorlagen. Mit Hilfe von Fachbüchern und Internetforen beschafft er sich die nötigen Grundlagen.

Dieter Deiss

In der Werkstatt des 28-jährigen gelernten Schreiners sind zahlreiche Holzbearbeitungsmaschinen und unzählige Werkzeuge zu sehen. Für gewisse Arbeiten hat er sich zudem eigens Spezialwerkzeuge hergestellt. An einer Wand hängen fein säuberlich aufgereiht ungefähr fünfzehn Pfeilbögen, teils sind diese fertig, einzelne sind noch Bearbeitung. Es sind dies alles sogenannte Kompositbögen.

Die älteste Abbildung von Pfeil und Bogen habe man auf einer Wandmalerei in Afrika gefunden. Diese sei rund 67000 Jahre alt, während in Europa der älteste Fund etwa 10 000 Jahre alt sei, gibt Matthias Lehner eine kurze Einführung in die Geschichte des Pfeilbogens. «In Mitteleuropa dominierte damals der einfache Holzbogen, welcher erst aus Ulme, später aus Eibenholz gefertigt war», berichtet er.

Aufbau eines Kompositbogens
Der Kern eines Bogens besteht aus Holz, zumeist Ulme, Ahorn oder Bambus. Mit Hilfe von Dampf biegt Matthias Lehner das Holz in die gewünschte Form. Auf das Holz wird jetzt eine Schicht Horn aufgeklebt. Das Horn von Wasserbüffeln kaufte er ursprünglich bei Händlern in England ein, heute bezieht er dieses über Bekannte aus ganz Europa. Als dritte Komponente kommen Tiersehnen dazu. Diese werden von ihm mühsam in Handarbeit aufgefasert und mittels tierischen Hautleimen aufgeklebt. Diese Sehnenfasern geben dem Bogen die nötige Spannung. Zudem tragen Hornschicht und Sehnen dazu bei, dass der Bogen stabil wird und nicht zerbricht.

Für die Herstellung der Sehnenfasern eignen sich übrigens am besten die Rückensehnen von Tieren. «Diese lassen sich am leichtesten auffasern», erzählt der Bogenbauer. Dabei habe er allerdings die Feststellung gemacht, dass die Rückensehnen von schweizerischen Kühen zumeist zu schwach sind. Der Grund dafür sei die Mast, welche die Tierkörper relativ schnell gross werden lasse, hingegen die Zeit für die Heranbildung einer kräftigen Sehne zu kurz sei. Lehner steht deshalb in Kontakt mit der Gansinger Hirschfarm und hofft von dort noch besseres Sehnenmaterial zu erhalten.

«Galten ist fast Mittelpunkt»
Matthias Lehner stammt aus Teufenthal. Vor eineinhalb Jahren zog er mit seiner Partnerin nach Galten. «Galten ist für uns eigentlich ganz zentral gelegen», meint er. «Meine Partnerin arbeitet in Bad Säckingen und ich in Othmarsingen, da ist Galten fast der Mittelpunkt.» Zudem sei es landschaftlich wunderschön hier oben, und vor allem könne man da ein Haus noch bezahlen.

Matthias Lehner baute übrigens bereits als Bub Pfeilbögen, blieb dann aber nicht in den Anfängen stecken. Er perfektionierte seine Arbeit und interessierte sich immer stärker auch für den geschichtlichen Hintergrund dieser Waffen, insbesondere aber auch für deren Bauweise. Vor gut zehn Jahren stiess er in einem Fachbuch auf die Anleitung für den Bau eines osmanischen Pfeilbogens. Erst seit rund fünf Jahren baut er jetzt die sogenannten Hornkompositbögen. «Diese sind rund zehn Mal elastischer und die Pfeile werden mit wesentlich mehr Energie abgeschossen als bei Holzbögen. Deshalb können sie auch kleiner gebaut werden und sind entsprechend handlicher», fügt er an. Als Vergleich zeigt er einen rund 1.80 Meter grossen Holzbogen, der aus einem einzigen Stück Eibe hergestellt wurde.

Wenn Matthias Lehner archäologische Museen besucht, so interessieren ihn verständlicherweise in erster Linie die dort ausgestellten Pfeilbögen. So vertiefte er seine Kenntnisse durch Museumsbesuche in Holland, der Türkei und in Dänemark. Den ältesten Bogen, den er selber je zu Gesicht bekommen hatte, entdeckte er in einem holländischen Museum. Dieser wurde um 1500 vor Christus hergestellt. Fundort war ein Pharaonengrab.

Der Pfeilbogen unter dem Computertomograph
Es gebe nur sehr wenige Leute, die sich mit dem historischen Pfeilbogenbau befassen, meint Lehner: «Wir sind so etwas wie Exoten.» Für ihn gelte aber der Grundsatz: «Wenn schon historisch, dann möglichst getreu den überlieferten Originalen.» Um diese Originalität zu erreichen, sei exaktes Recherchieren unerlässlich. Der Pfeilbogenbauer aus Galten scheut dafür keine Umtriebe: Dank der Mithilfe eines Kollegen, hatte er die Möglichkeit, in Deutschland drei seiner Originalbögen mittels Computertomographie in einem Spital detailliert untersuchen zu lassen. Dadurch erhielt er für jeden Bogen exakte Schnitte, welche die Bauweise dieser Bögen aufzeigen.

Zum Pfeilbogen gehören auch die Pfeile. Auch dazu hat der Bogenbauer eine riesige Auswahl, denn zu jedem Bogen benötigt man auch die entsprechenden Pfeile. So verwendeten die Türken eher kleine Bögen mit kleineren Pfeilen, die zumeist aus Kiefernholz hergestellt waren. Die Chinesen bauten demgegenüber grössere Bogen mit grösseren Pfeilen, welche aus Pappelholz stammten. An den Pfeilenden waren Vogelfedern eingebaut, die dem Pfeil beim Flug die benötigte Stabilität verliehen. Je nach Verwendungszweck wurden eiserne Pfeilspitzen aufgesetzt. Dass die für Kriegszwecke gebauten Pfeilbögen keine Kinderspielzeuge waren, beweisen Beschusstests, bei denen Kettenhemden und sogar ungehärtete Stahlplatten bis zu einer Dicke von zwei Millimeter durchschlagen wurden.

Der Pfeilbogen als Kunstwerk
Es gibt aber auch Pfeilbögen und Pfeile, die kunstvoll bemalt sind. So zeigt Lehner aus seiner Sammlung einen wunderschön bemalten Bogen aus Sindh (Pakistan), der aus dem 18. oder 19 Jahrhundert stammt oder einen 250 bis 300 Jahre alten Mandschu-Bogen. Wunderschön auch der prächtig bemalte türkische Pfeil.

Pfeilbögen sind ja letztlich auch zum Schiessen da. Hier betreibt Bogenbauer Lehner eine bei uns kaum bekannte Sportart, nämlich das Distanzschiessen. Sieger ist hier derjenige, dessen Pfeil die grösste Distanz zurücklegt. Die Türkei ist die Heimat dieser Wettschiessen auf Distanz. Matthias Lehner nahm in diesem Frühjahr an einem internationalen Wettkampf in der Türkei teil. Als Andenken an diesen Anlass zeigt er einen Pfeil, versehen mit einem kleinen Zettelchen, worauf schlicht der Vermerk 358,9 Meter steht. Dies war das Ergebnis seines weitesten Flugs. Er belegte damit den 6. Rang. Der Sieger wies einen Pfeilflug von 501 Meter auf, während die Rekordmarke bei 515 Metern liegt. Matthias Lehner ist zuversichtlich, bei Gelegenheit ebenfalls die 500-Meter-Marke zu übertreffen.


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