«Wir müssen lernen, den digitalen Wandel als Chance zu nutzen»

  28.09.2019 Rheinfelden

Interview mit Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel

Die Welt verändert sich rasant und damit auch die Anforderungen an die Menschen. An der Zukunftstagung «Future Skills» in Rheinfelden referiert die Rektorin der Universität Basel. Die NFZ hat Professorin Andrea Schenker Wicki gefragt, was wir den jungen Menschen für Fähigkeiten vermitteln müssen.

Edi Strub

NFZ: Wie wird die Schweiz zur Talentschmiede 2030? – Das ist Frage, über die Sie, Frau Schenker-Wicki, zusammen mit einer Anzahl Experten am Future Skills Forum in Rheinfelden diskutieren werden. – Können Sie uns schon heute verraten, wo Sie in etwa die Antwort sehen?
Andrea Schenker Wicki:
Zu viel möchte ich da noch nicht erzählen, das Podium in Rheinfelden soll ja spannend bleiben! Aber eines ist aus meiner Sicht klar: Wenn wir möchten, dass die Schweiz in Zukunft so kompetitiv bleibt wie sie heute ist, dann müssen wir den jungen Menschen jene Skills mitgeben, mit denen sie den digitalen Wandel nicht nur überstehen, sondern in ihm auch neue Chancen erkennen und diese nutzen können. Das braucht gewisse Investitionen in Lehre und Forschung, aber jeder Franken, der in die Universitäten investiert wird, erzeugt ein Vielfaches an Wertschöpfung!

Wo steht die Schweiz nach ihrer Auffassung im Rennen um die vielversprechendsten Innovationen? Gelingt es unseren Universitäten und Hochschulen bereits heute, genügend Talente hervorzubringen, oder gibt es da noch viel Luft nach oben?
Die Schweiz mischt international ganz vorne mit. Auf allen internationalen Ranglisten nehmen wir regelmässig den ersten oder einen der ersten Plätze ein. Wir haben auch das Glück, speziell im Grossraum Basel, dass die grössten globalen Players in der Pharmaindustrie bei uns ansässig sind und wir eines der produktivsten Ökosysteme im Bereich Life Sciences, Biotech und Medtech beheimaten. Dieses Umfeld hat mich dazu bewogen, vor zwei Jahren eine Innovations-Initiative an der Universität Basel zu lancieren. Seither fördern wir unsere Start-ups und Spin-offs intensiv und motivieren unsere Studierenden, unternehmerisch zu denken und zu handeln. Was nun die Talente angeht, sind wir ein kleines Land und dadurch ist die Anzahl Talente natürlich begrenzt. Da die Nachfrage in unserem Land nach Inserat Talenten allerdings grösser ist als das Angebot, sind wir auf talentierte junge Leute aus dem Ausland angewiesen, damit wir unsere Produktivität und unseren Wohlstand erhalten können.

Gerade auf dem Gebiet der Digitalisierung ist Europa von den USA – sprich Silicon Valley – überrollt worden. Fast alle Digitalgiganten, Google, Facebook, Apple, Uber, sind amerikanisch. Ist das auch Ihre Einschätzung oder ist das ein Mythos?
In der Tat sind die grossen «Player» der Digitalisierung in den USA. Das hängt auch damit zusammen, dass dort immense staatliche Forschungsgelder im Bereich der Informationstechnologie an Top-Universitäten wie Stanford oder Caltech in Kalifornien oder an Harvard und MIT an der Ostküste geflossen sind. Auch das amerikanische Militär investiert riesige Summen in diese Universitäten, um die Informationstechnologien weiter zu entwickeln. Ob die USA allerdings in allen Bereichen überlegen ist, da bin ich mir nicht so sicher, denn China macht ebenfalls gewaltige Fortschritte. Was von den Europäern unterschiedlich eingeschätzt wird und auch ein Grund dafür ist, dass sich Europa mit der Digitalisierung etwas schwerer tut als die USA und China, ist der Datenschutz. Für uns Europäerin oder Europäer ist der Datenschutz und damit die Wahrung der Privatsphäre wichtiger als in anderen Kontinenten.

Was tun Sie an der Universität in Basel konkret, um diese zu einer Talentschmiede auch auf dem Gebiet der Digitalisierung zu machen?
In unserer neuen Strategie, die der Universitätsrat unlängst verabschiedet hat, hat die Digitalisierung einen hohen Stellenwert. Wir werden uns in Zukunft fächerübergreifend mit Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz und «Machine Learning» auseinandersetzen und diese Entwicklungen mitgestalten. In den Geistes- und Sozialwissenschaften wird der Bereich «Digital Humanities» gezielt ausgebaut, und mit dem gesamtuniversitären Programm «Digital Literacies» wird die Auseinandersetzung mit dem Digitalen Wandel während des Studiums gefördert. Diese Vorlesungen, Workshops oder Seminare sollen für alle unsere Studierenden Pflicht werden.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung auf Gebieten, in denen die Schweiz stark ist, zum Beispiel im Bereich von Pharma. Ist es auch da entscheidend, dass ein Land im Bereich der Digitalisierung zur Spitze gehört?

Hier müssen wir uns gar nicht verstecken! Die Region Basel ist der erfolgreichste Pharma-Standorte der Welt und da hat die Digitalisierung schon lange Einzug gehalten. Dazu kommen Med-Tech Firmen wie Straumann, die es mit ihren Innovationen zu Weltmarktführern gebracht haben, auch hier spielt die Digitalisierung eine Rolle. Ausserdem werden zurzeit in der gesamten Schweiz grosse Anstrengungen unternommen, den Bereich «Personalized Health» zu entwickeln. Dabei geht es darum, die Chancen der Digitalisierung in der Medizin zu nutzen. Auch die Universität Basel und das Universitätsspital Basel sind hier sehr aktiv.

Viele Frauen in der Schweiz sind nicht im Vollpensum berufstätig. Manche sagen, dass die Schweiz eine Reserve – auch eine Talentreserve – ungenutzt lässt. Ist das so? Und was tun Sie an der Universität Basel dagegen?
Die Frauenförderung ist mir ein grosses Anliegen. An der Universität Basel sind wir ja für den akademischen Nachwuchs zuständig und versuchen unsere jungen Frauen auf allen Stufen zu motivieren, sich akademisch zu engagieren. Wir bieten ihnen spezielle Kurse und Förderprogramme an. Und wenn sie eine Familie gründen, dann schauen wir, dass sie während einer gewissen Zeit in der Lehre und bei Aktivitäten der Selbstverwaltung entlastet werden. Wir haben aber Nachholbedarf in Führungspositionen und bei den Professuren. Hier haben wir noch ein grosses Stück Arbeit vor uns.


Tagung Future Skills

Unter dem Titel: «Wie wird die Schweiz zur Talentschmiede 2030?» führt der schweizerische Studentenverein am Freitag, 27. September im Parkhotel in Rheinfelden um 16 Uhr einen öffentlichen Forumsanlass durch. Als Referenten werden Prof. Dr. Andrea Schenker-Wicki, Valentin Vogt, Danièle A. Castle und Andreas Liedtke teilnehmen. Der Anlass ist für alle Studierenden, Berufstätige und alle, die sich mit der Berufswelt von morgen schon heute auseinandersetzen wollen, gedacht. (nfz)

www.forumrheinfelden.ch


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