«Wir brauchen mehr Mut»

  05.09.2019 Politik, Rheinfelden

Wirtschaftstreffen der FDP mit Thierry Burkart und Daniel Jositsch

Am Montagabend diskutierten Nationalrat Thierry Burkart und Ständerat Daniel Jositsch darüber, ob die Schweiz als Wirtschaftsstandort noch attraktiv ist. Das Rahmenabkommen mit der EU spielt dabei laut den beiden Politikern eine wichtige Rolle.

Janine Tschopp

Aufgrund innen- und aussenpolitischer Baustellen könnte die Erfolgsgeschichte der Schweiz als Wirtschaftsstandort gefährdet sein. In letzter Zeit wurden die Spitzenplätze der Wettbewerbsfähigkeit anderen Ländern zugesprochen. Am jährlichen Wirtschaftstreffen der FDP der Bezirke Rheinfelden und Laufenburg diskutierten Nationalrat Thierry Burkart und Ständerat Daniel Jositsch im Hotel Eden in Rheinfelden darüber, wie attraktiv die Schweiz im internationalen Vergleich noch ist und wo der Schuh drückt. Geleitet wurde das Gespräch durch Gaby Gerber.

«Die Bundespolitik hat versagt»
Die beiden Politiker kamen schnell zum Thema Rahmenabkommen mit der EU und bemängelten das Vorgehen des Bundesrates. «Es ist katastrophal. Die Bundespolitik hat in diesem Dossier versagt», meinte Daniel Jositsch. Auch Thierry Burkart sagte: «Der Bundesrat machte eine schlechte Falle.» Der Aargauer Nationalrat betonte, wie wichtig die EU für die Schweiz als Handelspartner ist: «Wir müssen ein stabiles Verhältnis zur EU haben. Mit den bilateralen Verträgen haben wir es noch.» Es werde Druck von der EU geben. Diesen gelte es auszuhalten, bis man sich Klarheit verschafft und die Mehrheitsfähigkeit erlangt habe. Auch müsse zuerst die Abstimmung der Begrenzungsinitiative, deren Annahme laut Burkart «eine Katastrophe» wäre, abgewartet werden. Jositsch findet, dass man die Begrenzungsinitiative nicht abwarten soll. «In einer direkten Demokratie dürfen wir keine Angst haben. Wir hätten das Parlament zwingen müssen.» Es sei nun die Aufgabe des Bundesrates, nach Brüssel zu fahren, um «nach zu interpretieren», findet Jositsch. Schliesslich beschrieb der Zürcher Ständerat das derzeitige Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU so: «Man ist verheiratet, aber es kriselt.»

«Ich habe den Eindruck, wir sind ängstlich geworden»
Über Ängstlichkeit diskutierten die beiden Politiker auch in Zusammenhang mit der Digitalisierung, einem weiteren wichtigen Thema, das über die Attraktivität der Schweiz entscheide. Thierry Burkart erklärte, dass er zwei Sachen an der Schweiz besonders liebe: einerseits die Traditionen und das Bodenständige, andererseits den Fortschritt und das Innovative. Zum zweiten Punkt sagte er: «Ich habe den Eindruck, wir sind ängstlicher geworden. Wir brauchen mehr Mut.» Als Beispiel nannte er die Widerstände in Zusammenhang mit den 5G-Antennen. «Wenn wir 5G nicht haben, können wir an der Digitalisierung nicht teilhaben. Wir lassen uns bremsen in der Politik», so Burkart. Die Konsequenz davon sei, dass die Schweiz in Zukunft nicht mehr zu den Innovations-Weltmeistern gehöre. Auch in wirtschaftlichen Themen müsse man mutiger sein, findet Daniel Jositsch. In der Schweiz brauche ein Start-Up-Unternehmen zirka eineinhalb Jahre, bis es aktiv arbeiten könne. In Israel sei dies nach vier Monaten schon möglich. «Verlieren gehört zum Leben. Man muss mehr Risiken eingehen», betonte Jositsch. Thierry Burkart erwähnte, dass er in der Langsamkeit unseres Systems Negatives und Positives sehe. Trotz der Langsamkeit sei unser System gut ausgerichtet, auch für die Zukunft. Mit dem Wissen, dass die Schweiz einiges gut macht, aber auch einiges verbessern könnte, wurde das Publikum nach über einer Stunde Diskussion in den Apéro entlassen. Deutlich wurde an diesem Abend unter anderem, dass auch sehr aktive Politiker wie Daniel Jositsch und Thierry Burkart als Einzelpersonen nur «kleine Steinchen», wie es Burkart anfangs der Diskussion ausdrückte, zur Attraktivität des Schweizer Wirtschaftsstandorts beisteuern können.


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