«Ein Heim ist nichts Schlimmes»

  24.08.2019 Effingen

Ein Jahr nach dem Wechsel in der Leitung ist im Schulheim der courant normal eingekehrt. Alles bestens könnte man sagen, wäre da nicht der Spardruck. Eine Folge davon sind spätere Heimeintritte und damit verbunden verminderte Aussichten auf Erfolg. Die NFZ sprach mit Stiftungsratspräsident Ernst Kistler.

Simone Rufli

Dass der Heimaufenthalt als teuerste aller möglichen Massnahmen im Soge der Sparmassnahmen in allen Bereichen der Verwaltung weiter nach hinten rückt ist verständlich. So gesehen ist das Schulheim Effingen in der Aargauer Heim-Landschaft kein Einzelfall. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Auswirkungen auch in Effingen wenig erfreulich sind. Im Jahresbericht 2018/19 schreibt Stiftungsratspräsident Ernst Kistler zu diesem Thema: «Die Zurückhaltung beim Einweisen von Buben wird grösser (ambulant vor stationär), die Buben sind im Schnitt älter.» Ist das eine direkte Folge des Sparwillens?

«Ja», sagt Ernst Kistler auf Anfrage der NFZ. Dem immer schon gültigen Grundsatz, wonach eine Heimeinweisung als Ultima Ratio am Ende einer ganzen Reihe von möglichen Massnahmen stehe, werde heute tendenziell stärker nachgelebt. Die Anzahl milderer Massnahmen im Vorfeld einer Heimeinweisung nehme zu und zögere die Heimplatzierung hinaus. «Ein Heim ist aber nichts Schlimmes. Wir schauen gut zu den Buben», gibt Ernst Kistler zu bedenken. Warum also zuwarten, bis die Bremsspuren in den jugendlichen Gemütern so tief sind, dass es schwierig wird, sie zu beseitigen. Oder anders formuliert: Je schwerer der Rucksack, den sie mit sich tragen, umso schwieriger wird es für das Personal im Heim, diesen leichter zu machen.» Es sei etwas ganz anderes, ob ein Bub mit sieben, acht oder neun Jahren ins Heim komme, oder erst im Alter von 13, 14 Jahren. Kistler verweist auf Körpergrösse und aufkommende Manneskraft. In der Pubertät stehe das Personal vor ganz anderen Herausforderungen, die sich manchmal auch im Kräftemessen äussern würden. «Unser Ziel ist es, Erfolg zu haben und die Buben auf den richtigen Weg zurückzubringen.»

Nachbetreuung wird angeboten
Dass dieses Anliegen auch dann weiter verfolgt wird, wenn die Buben aus dem Schulheim entlassen werden, zeigt das neue Angebot der Nachbetreuung. «Das Angebot richtet sich an diejenigen, die beim Verlassen unseres Heimes ohne ein tragfähiges Netz und Vertrauensperson dastehen», erklärt der Stiftungsratspräsident. Diese jungen Männer würden dann nach Jahren der Betreuung und des Aufgehobenseins plötzlich alleine draussen stehen. «Das gilt es zu vermeiden, ihnen wollen wir auf freiwilliger Basis Halt geben.» Manche hätten das Glück, in eine Familie zurückkehren zu können, die sich im Verlauf der Zeit stabilisiert habe. Andere fänden im Lehrmeister eine neue Vertrauensperson. «Nicht alle aber finden direkt eine Lehrstelle», sagt Kistler. «Auch das Vertrauen in die Gesellschaft muss zuerst gefunden werden.» Die Zahl derer, die nach dem Austritt aus dem Heim erneut an der Türe anklopfen, steige. Ernst Kistler betont: «Bei uns steht niemand vor verschlossenen Türen. Wir sind immer da, wenn es irgendwo drückt.»

Offen sind die Türen des Schulheimes auch am kommenden Sonntag und zwar von 10 bis 17 Uhr. Führungen, Spiele, Marktstände und vor allem Zeit für Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten auf dem Schulareal soll dieser Tag der offenen Türen bieten.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote