Das Energiesystem der Zukunft

  23.07.2019 Nordwestschweiz

Welchen Beitrag können verschiedene Technologien für die Energiespeicherung leisten?

Die Schweiz will ihre direkten Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren. Eine neue Studie des PSI zeigt nun auf, wie dies dank Umwandlung und Speicherung von verschiedenen Energieformen erreicht werden kann.

VILLIGEN. Die Schweiz hat sich das Ziel gesetzt, ihre direkten Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren. Gemäss der Energiestrategie 2050 soll sich der Ausstoss von Treibhausgasen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 50 Prozent verringern, bis 2050 bis zu maximal 85 Prozent. Nach 2050 soll die Energieversorgung in der Schweiz klimaneutral erfolgen, also ohne den Ausstoss von Treibhausgasen wie CO2. Eine Komponente für die Erreichung dieses Zieles können sogenannte Power-to-X-Verfahren sein. Dabei wird der überschüssige Strom aus neuen erneuerbaren Energien genutzt, um durch elektrochemische Umwandlung flüssige oder gasförmige Energieträger zu erzeugen, wie beispielsweise Wasserstoff, Methan oder Methanol. Diese werden dann weiter in den Verbrauchssektoren eingesetzt, um Fahrzeuge anzutreiben oder Wärme beziehungsweise auch wieder Strom zu erzeugen. Der Vorteil ist, dass die flüssigen oder gasförmigen Energieträger über längere Zeit zwischengespeichert werden können. Das neue Weissbuch Power-to-X, das PSI-Forschende gemeinsam mit Kollegen von sechs Schweizer Hochschulen und Forschungsinstitutionen vorstellten, beschäftigt sich mit den Perspektiven von Power-to-X. Die Studie beleuchtet unter anderem, welchen Beitrag verschiedene Technologien, die auf der Umwandlung und Speicherung verschiedener Energieformen beruhen, zur Energiestrategie der Schweiz leisten können.

Im Rahmen der Energiestrategie 2050 sind die Power-to-X-Verfahren interessant, weil die neuen erneuerbaren Energien aus Fotovoltaik oder Windkraft nicht kontinuierlich, sondern in schwankender Intensität zur Verfügung stehen. Um Phasen von geringer Stromerzeugung auszugleichen, soll unter anderem mithilfe von diesen Verfahren Energie aus produktionsstarken Phasen zwischengespeichert werden. Ähnlich der Technik bei den Speicherseen, wo bei Stromüberschuss das Wasser hochgepumpt wird, um die Energie bei Bedarf durch das Herunterfliessen wieder zurückzugewinnen. Power-to-X-Verfahren können so dazu beitragen, Energieangebot und -nachfrage über einen längeren Zeitraum auszugleichen, die kurzfristige Flexibilität im Stromnetz durch intelligentes Lastenmanagement zu erhöhen und Ersatz für fossile Kraft- und Brennstoffe sowie Rohstoffe für die Industrie zu schaffen.

Hohes Potential für Strom aus Solaranlagen in der Schweiz
Wissenschaftler des Paul Scherrer Instituts PSI haben nun gemeinsam mit Kollegen von sechs Schweizer Hochschulen und Forschungsinstitutionen umfangreiche Informationen zu verschiedenen Aspekten von Power-to-X-Technologien zusammengetragen. Welches Potenzial haben Power-to-X-Verfahren für die Energiestrategie 2050? Vor welchen Herausforderungen steht die Technologie steht und welche Schlüsselfaktoren können eine Verbreitung der Technologie begünstigen? «Im Vergleich zu anderen neuen erneuerbaren Energiequellen gibt es ein besonders hohes Potenzial für Strom aus Solaranlagen in der Schweiz, was Power-to-X zu einer wichtigen Flexibilitätsoption und Bindeglied zwischen Energiegewinnung und -verbrauch in einem nachhaltigen, CO2-armen Energiesystem macht», fasst Tom Kober, Leiter der Gruppe Energiewirtschaft am PSI und einer der Hauptautoren des von der Eidgenössischen Energieforschungskommission in Auftrag gegebenen Weissbuchs, eines der Ergebnisse zusammen. Die Beiträge, die Power-to-X in einzelnen Energiesektoren wie Verkehr, Heizung oder durch die Rückverstromung leisten kann, sind sehr unterschiedlich. So ist die erneute Gewinnung von Strom aus Energieträgern wie Wasserstoff oder Methan, die mit Power-to-X-Verfahren erzeugt wurden, derzeit noch sehr teuer. «Die Kosten für solche auch Power-to-Power genannten Verfahren könnten aber durch Fortschritte bei der Technik und steigender Erfahrung im Umgang mit diesen neuen Technologien bis 2030 um bis zu zwei Drittel sinken», schätzt Kober. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich Power-to-Power-Technologien gegenüber anderen Flexibilitätsoptionen im Elektrizitätssystem durchsetzen können, was nicht zuletzt auch von europäischen Marktentwicklungen abhängt und den damit verbundenen Bedingungen für den Schweizer Stromaussenhandel.

Optimale Integration ins gesamte Energiesystem wichtig
Kraft- und Brennstoffe, die mit Strom aus erneuerbaren Energien in Powerto-X-Verfahren produziert werden, können fossile Energieträger wie Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel ersetzen und somit helfen, CO2-Emissionen zu reduzieren. Wirtschaftlich wird dies aber nur sein, wenn entsprechende umweltpolitische Anreizmechanismen zum Tragen kommen. Umwandlungsprozesse müssen möglichst effizient realisiert werden, um einerseits die Kosten zu minimieren und andererseits Ressourcen zu schonen. Das hat nicht nur Auswirkung auf die Standortwahl von Power-to-X-Anlagen, sondern auch wie die Technologie in verschiedene Märkte integriert werden kann.

Ein Fazit der Studie lautet deshalb: Entscheidend für einen erfolgreichen Einsatz von Power-to-X im Rahmen der Energiestrategie 2050 ist, dass sich Forschung und Innovation auf eine optimale Integration von Powerto-X in das gesamte Energiesystem der Schweiz konzentrieren. (nfz)


Das PSI als Teil der ETH

VILLIGEN. Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2100 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 407 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL. (nfz)


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