«In meiner Familie hat niemand Musik gemacht»

  14.07.2019 Herznach, Musik

Charlotte Moor unterrichtete 38 Jahre lang an der Musikschule Frick

Ende Juli geht Musiklehrerin Charlotte Moor in Pension. In Frick wird die Musik der Herznacherin aber weiterhin zu hören sein – in der römischkatholischen Kirche, wo sie seit 1976 als Organistin die Metzler-Orgel zum Klingen bringt.

Simone Rufli

So hat sich Charlotte Moor ihren Abschied von der Musikschule Frick nicht vorgestellt. Vor bald sechs Wochen endete ihre Unterrichtstätigkeit abrupt – mit einem Velounfall. «Verletzt wurden rechte Hand und linker Fuss», bringt sie die Sache auf den Punkt. «Um Orgel zu spielen, brauche ich beides.» Die Hand in einer Schiene sitzt die 65-Jährige im Wohnzimmer in Herznach. Neben ihr die Hausorgel. «Dank meiner eigenen Orgel konnte ich immer schon intensiver üben.» Gerade als die fünf Söhne noch klein waren, sei sie froh gewesen, wenn sie zum Üben nicht zuerst in eine Kirche habe fahren müssen. Die Werke von Johann Sebastian Bach spielt sie am liebsten. «Seine barocken Orgelstücke passen wunderbar auf die Fricker Orgel.»

Die Orgel ist das eine Instrument, Geige, Blockflöte und Klavier ihre anderen. Sie war elf Jahr alt, als sie mit dem Klavierspiel anfangen durfte. «Ich spielte von Anfang an mit grosser Begeisterung», erzählt Moor und sie betont: «Klavier, oder noch besser Cembalo, ist die beste Vorbereitung auf die Orgel.» Später kamen Geige und Blockflöte dazu und es begann die musikalische Reise, die sie über mehrere Stationen an die Barock-Orgel in der römisch-katholischen Kirche St. Peter und Paul und wenig später an die Musikschule Frick führen sollte. Vor zwei Jahren hat sie den Blockflöten- und Klavierunterricht abgegeben. Geblieben sind ihr acht Orgelschülerinnen und -schüler. Den Abschied werden sie im August noch richtig nachholen, wenn Hand und Fuss wieder ganz gesund sind.

Besser eingeschlafen
Charlotte Moor ist zusammen mit einer Schwester und zwei Brüdern in Bremgarten aufgewachsen. In einer musikalischen Familie? Sie schüttelt den Kopf: «Niemand in meiner Familie hat Musik gemacht.» Schmunzelnd fügt sie hinzu: «Mit unseren fünf Söhnen habe ich dann aber viel musiziert.» Mit Erfolg. Jeder Sohn spielt noch heute ein Instrument. Michael Moor, der jüngste, ist mit «The Glue» Ende Mai in Frick aufgetreten – im Rahmen des 40-Jahr-Jubiläums der Musikschule. «Unsere Kinder sind mit Musik gross geworden. Abends, wenn sie im Bett waren, habe ich mich an die Orgel gesetzt und sie sind zur Musik eingeschlafen.» Charlotte Moor lacht. «Ich denke sie sind viel besser eingeschlafen, als wenn es im Haus ganz ruhig gewesen wäre.»

Mit 22 kam die Anfrage
Eine erste Orgel-Ausbildung absolvierte sie an der Aargauischen Kirchenmusikschule, wo sie in Kontakt kam mit anderen Organisten und Chorleitern. «Ich spielte noch kein Jahr auf der Orgel, da durfte ich schon in einem Gottesdienst spielen. Damals gab es schon einen Mangel an Organisten, heute ist es wieder so.» Früher sei es meistens so gewesen, dass die Organistin zusammen mit dem Chorleiter zum Kirchenjahr passende Lieder für den Gottesdienst ausgewählt habe. «Jetzt schlägt bei uns der Pfarrer Lieder vor. Ich versuche verschiedene Stile einzubringen, soweit sie auf einer Barock-Orgel spielbar sind.» Keine kann das besser beurteilen als Charlotte Moor. Seit 40 Jahren ist sie mit der Metzler-Orgel in Frick vertraut. 1976 – sie war gerademal 22 Jahre alt und Hilfs-Organistin in Entfelden – wurde sie von Chorleiter Walter Fischer, dem späteren Gründer der Musikschule Frick, angefragt, ob sie nach Frick kommen wolle. Eine Anfrage zur rechten Zeit, wie Moor rückblickend feststellt: «Ich hatte gerade begonnen, mich nach einer festen Organisten-Stelle umzusehen.»

Freude am Unterrichten
Die erste Zeit pendelte die junge Organistin vom damaligen Wohnort Auenstein nach Frick. Anno 1981 heiratete sie Kantonsschullehrer Hans Moor und kündigte ihre Stelle als Primarlehrerin in Aarau. Noch im selben Jahr fing sie an der Musikschule Frick an zu unterrichten. «Ich bin mit einem Blockflöten-Pensum eingestiegen.» Zuvor hatte sie während acht Jahren in Aarau auf der Mittelstufe Kinder der 3. bis 5. Klasse unterrichtet. Das Lehrer-Seminar hatte sie in Wohlen besucht. «Es war die Zeit, als in der Schweiz nach und nach Musikschulen entstanden», erinnert sich Moor an die 1970er Jahre. «Viele Schülerinnen und Schüler begannen damals mit Blockflöten-Unterricht.» Unterrichten habe ihr immer grosse Freude gemacht. «Die spielerische Freude an der Musik und dass ich auf die Bedürfnisse eines einzelnen Kindes eingehen konnte, das hat mir immer gefallen.»

Die Familie im Zentrum
In den 90er Jahren, als der jüngste Sohn in den Kindergarten kam, setzte Charlotte Moor einen jahrelang gehegten Wunsch um und belegte beim Schweizerischen Musikpädagogischen Verband (SMPV) einen Studiengang in Orgelmusik. «Ohne die Unterstützung meines Mannes wäre das alles nicht gegangen, denn die Familie stand für mich immer im Zentrum und mit fünf Kindern war sie jahrzehntelang meine Hauptaufgabe. Das Pensum an der Musikschule habe ich entsprechend anpassen können.» Weil ihr Mann an den Wochenenden und an seinem schulfreien Halb-Tag jeweils ganz für die Kinder dagewesen sei, hätten sie auch auf Fremdbetreuung verzichten können.

Heute sind es zunehmend die Bedürfnisse der bislang vier Grosskinder, nach denen sich der Alltag richtet. «Es macht mir Freude sie zu hüten und nun noch mehr Zeit für sie zu haben.»

Die Metzler-Orgel in der Kirche St. Peter und Paul bringt Charlotte Moor über ihre Pensionierung hinaus weiter zum Klingen und sie organisiert weiterhin halbjährlich die Orgelkonzertreihe. Und mit Blick in die Zukunft meint sie: «Es ist mir ein Anliegen, dass die Orgelmusik bleibt und nicht Schritt um Schritt durch Unterhaltungsmusik aus der Kirche verdrängt wird.»


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