Wenn die Sterne wieder näher rücken

  03.05.2019 Sisseln

Kunstturnerin Livia Schmid: zwischen Leiden und Leidenschaft

Jetzt schwingt wieder Zuversicht mit. Livia Schmid, 17, aus Sisseln, immer wieder von Verletzungen geplagt, möchte 2019 zu ihrem Jahr machen. Ein Besuch bei der Spitzen-Kunstturnerin.

Ronny Wittenwiler

Nein, noch ist ihr Tag nicht gekommen. Oder dieser eine perfekte Moment, in dem einfach alles passt. Die Sternstunde, für die es sich so hart zu schuften lohnt. Doch vielleicht wird sie bald kommen, wer weiss.

Das Pech
Auf jeden Fall schwingt wieder Zuversicht mit bei Livia Schmid, dieser jungen Frau, gesegnet mit enorm viel Talent, das sie, gepaart mit Ehrgeiz und Durchhaltewillen, doch schon so weit hat bringen lassen. Seit zwei Jahren gehört Kunstturnerin Schmid dem Elite-Nationalkader an. Die neue Zuversicht jetzt hat einen Grund: Endlich sind die Schmerzen weg. Livia Schmid sitzt am Tisch in ihrem Elternhaus in Sisseln. Sie lächelt, sagt allerdings: «Die letzte Zeit war nicht einfach für mich. Wenn ich das so sagen darf: Das Pech hat mich ein bisschen verfolgt.» Kaum von einer Verletzung erholt, kam die nächste, Livia Schmid hatte mit den Sprunggelenken zu kämpfen, hinzu kam ein ausgerenkter Ellenbogen, allein schon beim Zuhören machen diese Geschichten weh, doch Schmid findet: «Jetzt bin ich aus allem rausgekommen. Es läuft gut.» Als sie das sagt, werden unten im Wohnzimmer gerade die Live-Bilder aus dem polnischen Stettin über den Bildschirm geschickt. Europameisterschaften im Kunstturnen. Ohne sie. Nein, noch ist ihr Tag nicht gekommen. Dabei hatte alles so rosig begonnen.

Das Potenzial
An der Juniorinnen-EM 2016 in Bern deutet sie als Vierzehnjährige ihr Potenzial an, erreicht mit dem Team den sechsten Platz und belegt im Sprungfinal Platz 7. Und dann, im Januar 2017, die vorläufige Krönung ihrer Karriere: Livia Schmid findet Aufnahme im Schweizer Nationalteam. Seither gehört die Fricktalerin zum erlauchten Kreis der besten Kunstturnerinnen des Landes, ein Fakt, schwarz auf weiss, doch leider erst auf Papier. «Die EM 2016 in Bern war mein letzter erfolgreicher Wettkampf», sagt Schmid. Kaum den Sprung ins Nationalteam geschafft, begann die schwarze Serie an Verletzungen; nie wieder hatte sie richtig Gelegenheit, zu zeigen, was wirklich in ihr steckt. Die chronische Entzündung am Sprunggelenk heilte nie komplett aus.

Die Zuversicht
Vielleicht schwingen in solchen Momenten Zweifel mit, die Frage bleibt, wohin dieser Weg noch führen solle oder überhaupt: ist dieser Weg noch der richtige? «Nein, ich kam nie auf den Gedanken, den Bettel hinzuschmeissen», sagt sie. «Ich glaube, all diese Rückschläge haben mich nur noch stärker gemacht.» Aufgeben kam nie infrage und deshalb bleibt ein ganz grosses Ziel unverrückbar. «Ich möchte nach Tokio.» Dort finden im nächsten Jahr die Olympischen Sommerspiele statt.

Die Reise dorthin führt zwingend über die aktuelle Saison. 2019 soll endlich ihr Jahr werden. «Vielleicht kommt meine Zeit erst jetzt», sagt Schmid und man merkt: wo sie aktuell vielleicht stünde, hätten sie nicht immer wieder gesundheitliche Probleme zurückgebunden – zu viele Gedanken darüber möchte die junge Frau gar nicht verschwenden.

Die Leidenschaft
Als Leistungssportlerin lebt die Fricktalerin ein diszipliniertes Leben. Sie trainiert in Magglingen, zweimal täglich unter der Woche und jeden zweiten Samstag, sie wohnt bei einer Gastfamilie und besucht in Biel die Fachmittelschule. «Mit vierzehn Jahren plötzlich weg von der eigenen Familie. Es war am Anfang nicht einfach. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und freue mich dann einfach, am Wochenende jeweils die Familie wiederzusehen.»

Seit zehn Jahren gehört das Kunstturnen zum Leben von Livia Schmid. Siebenjährig war sie, als sie zum ersten Mal in der Halle stand. «Livia, du turnst mir hier zu viel herum», habe die Lehrerin im Kindergarten gesagt und ihr die Kunstturnriege in Stein ans Herz gelegt. Seither, ohne Unterbruch, ist das Kunstturnen Angelegenheit des Herzens geblieben; eine, die auch erste Rückschläge in einer noch jungen Karriere nicht zu torpedieren vermochten. Nach drei harten Jahren möchte die junge Livia Schmid endlich wieder zeigen können, was in ihr steckt. Sie sitzt am Tisch und lächelt. Ohne Verletzungspech sind sie wieder ein Stückchen näher gerückt: die Sterne, nach denen sie nun endlich greifen möchte.


Aargauer Meisterschaften: dieses Wochenende in Möhlin

Kommendes Wochenende, 4./5. Mai, finden im Möhliner Steinli die Aargauer Meisterschaften im Kunstturnen statt. 380 Turnerinnen werden sich an den vier Geräten Sprung, Barren, Balken und Boden messen. Der Anlass gilt als Qualifikationswettkampf für die Schweizer Meisterschaft. Organisiert werden die Aargauer Meisterschaften von den Kunstturnerinnen Stein-Fricktal. In dieser Riege machte auch Livia Schmid ihre ersten Gehversuche. Noch heute gehört sie dem Verein an – und wird am Wochenende ebenfalls zugegen sein. Schmid wird den jungen Wettkämpferinnen die Medaillen überreichen. (rw)

www.kunstturnerinnen-fricktal.ch www.agm-kunstturnerinnen.ch


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