Wallbacher Familie fühlt sich von Gemeinderat ungerecht behandelt

  08.05.2019 Wallbach

Geplanter Umbau konnte erst verspätet beginnen

Die Familie Heutschi und der Gemeinderat von Wallbach stritten sich wegen Sichtzonen im Zusammenhang mit einem geplanten Hausumbau. Der Kanton hat der Familie in einem entscheidenden Punkt Recht gegeben. Trotzdem bleibt sie auf den Mehrkosten sitzen, welche die Intervention der Gemeinde verursacht hat.

Valentin Zumsteg

Jean-Claude Heutschi ist sauer – sauer auf die Gemeinde Wallbach. «So wie die zuständigen Personen in der Verwaltung mit ihren Bürgern umgehen, ist es mehr als nur eine Frechheit», erklärt der vierfache Vater. Der Ärger hängt mit einem Bauprojekt zusammen, das die Familie Heutschi an der Rheinstrasse 55 plante und das jetzt – erst mit mehrmonatiger Verspätung – umgesetzt wird.

Zur Vorgeschichte: Jean-Claude Heutschi und seine Frau konnten das Elternhaus von ihr nach dem Tod der Mutter von der Erbengemeinschaft kaufen. Da die bestehende Liegenschaft relativ klein war, die Familie vier Kinder zählt und die Parzelle einen Ausbau zulässt, planten sie eine Vergrösserung des Hauses. Ende 2017 reichten sie das entsprechende Baugesuch ein. Während der Auflagefrist gingen keine Einsprachen ein – alles sah gut aus.

Kanton sieht Rechtsunsicherheit
Doch dann begannen die Probleme. Die Gemeinde forderte, dass bei der Ein- und Ausfahrt zum Grundstück die Sichtzone gewährleistet wird. Die Gemeinde schlug zwei Varianten vor: Die Nachbarin soll ihre Hecke auf einer Länge von zirka 15 Metern so zurückversetzen, dass die Sichtzone gewährleistet ist. Doch das wollte die Nachbarin nicht – respektive nur, wenn die Familie Heutschi die Kosten übernimmt. Die zweite Möglichkeit: Die Familie Heutschi müsste die Zufahrt in die Mitte des Grundstücks verlegen. Doch dadurch würde ein Grossteil des Gartens verloren gehen – und dort sollen die Kinder spielen können. Die Familie argumentierte anfänglich mit Besitzstandsgarantie wie auch mit der Trennung des Umbaus von der Anordnung einer Sichtzone. Sie zeigte sich ebenso bereit, auf ihrem Grundstück einen Spiegel zu montieren, welcher bei der Ausfahrt die Sicht auf die Rheinstrasse gewährleistet. Doch davon wollte die Gemeinde nichts wissen.

Schliesslich wurde die Baubewilligung erteilt – allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: «Kann die Bauherrschaft mit der Grundstücksnachbarin die Freihaltung der Sichtzone einvernehmlich nicht erreichen und sie der Gemeinderat auch nicht rechtskräftig durchsetzen, ist die Grundstückszufahrt vor Bezug des Einfamilienhauses so zu verlegen, dass die Vorschriften eingehalten werden.» Diese Ziffer 4 war für die Familie Heutschi nicht akzeptabel, deswegen reichten sie beim Kanton eine Beschwerde gegen diesen Punkt ein. Aus Sicht des Kantons ist die Formulierung des Gemeinderates missverständlich: «Angesichts der dem Gemeinderat zuzuschreibenden Rechtsunsicherheit in Bezug auf den Inhalt von Ziffer 4 des angefochtenen Entscheids ist es nachvollziehbar beziehungsweise im Rahmen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht unumgänglich, dass sich die Beschwerdeführenden für die Wahrung ihrer Interessen zur Erhebung einer Beschwerde veranlasst sahen», hält der Kanton fest. Im vergangenen September hat der Kanton die umstrittene Ziffer 4 als gegenstandlos erklärt. Damit war der Weg frei für den Umbau, da keine Verlegung der Zufahrt mehr drohte.

Im Januar 2019 haben die Arbeiten schliesslich begonnen, voraussichtlich im Juni kann die Familie ihr neues Heim beziehen. Das ist rund zehn Monate später als ursprünglich geplant. Die Verspätung hat Mehrkosten für die Familie Heutschi zur Folge: «Wir müssen länger Miete zahlen und gleichzeitig laufen die Kosten für die Hypothek», schildert Jean-Claude Heutschi. Hinzukommen die Ausgaben für den Anwalt, den sie zur Wahrung ihrer Rechte beiziehen mussten. Den gesamten Mehraufwand beziffert Jean-Claude Heutschi auf rund 40 000 Franken: «Diese Mehrkosten belasten uns erheblich. Die Gemeinde sieht ihren Fehler mit der missverständlichen Formulierung in der Baubewilligung absolut nicht ein, obwohl dies vom Kanton so bestätigt wurde.» Die Gemeinde sieht den Fehler bei der Familie, sie habe sich allen Lösungsvorschlägen widersetzt und sei nicht kompromissbereit gewesen. «Wir waren es aber, die diverse Lösungen angeboten haben, um vorzeitig wenigstens mit dem Umbau beginnen zu können. Sogar ein vorläufiges Nutzungsverbot wurde der Gemeinde anerboten, welches genauso abgelehnt wurde», erklärt Jean-Claude Heutschi.

«Öffentliche Interessen wahren»
Die Gemeinde sieht das anders: «Der Gemeinderat hat in einem Baugesuchverfahren nicht nur die Interessen und Rechtsansprüche der Bauherrschaft zu berücksichtigen, sondern auch die öffentlichen Interessen – hier die Verkehrssicherheit mit der Sicherheitszone –, aber auch die Rechte der Nachbarn zu wahren», schrieb der Gemeinderat im März in einem Brief an die Familie. Darin lehnt sie die Übernahme der Mehrkosten ab: «Ohne Beschwerde- oder Gerichtsentscheid, welche die Gemeinde verpflichtet, infolge korrigiertem Entscheid oder infolge Verfahrensmängel Parteikosten zu tragen, kann der Gemeinderat für solche Ausgaben keine Kostengutsprachen leisten.»

Gegenüber der NFZ hält die Gemeinde fest, dass das Gesetz die Freihaltung der Sichtzonen verlange. «Weder Gesetz, Verordnung noch Rechtsprechung sehen vor, dass sich die Grundeigentümer von dieser Pflicht entbinden können, indem ein Spiegel aufgestellt wird. Bei Ausnahmen ist ein Verkehrsspiegel auch nur als Notlösung einzusetzen.» Weiter wird festgehalten, dass der Gemeinderat die Rheinstrasse als eine der Hauptachsen in Wallbach betrachte, welche auch die Industriezone erschliesst und deshalb Schwerverkehr aufweist. «Die Rheinstrasse ist keine verkehrsarme Strasse und nicht vergleichbar mit einer Strasse in einem Einfamilienhausquartier. Auf der Rheinstrasse sind insbesondere die schwächeren Verkehrsteilnehmer wie Fussgänger und Velofahrer zu schützen.»

Für Jean-Claude Heutschi und seine Familie bleibt die Sache ärgerlich und kostspielig. Er kann nicht verstehen, dass die Gemeinde «so willkürlich mit ihren Bürgern und Steuerzahlern umspringt.»


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