Vom Melken

  09.05.2019 Möhlin

Dort, wo Kühe weideten, wachsen nun Erdbeeren

Der Milchpreis im Keller, setzt Landwirt Beat Mahrer auf Früchte am Boden. Eine Geschichte über Abschied und Neubeginn auf den Feldern von Möhlin.

Ronny Wittenwiler

Er schlägt keinen eigentlichen Ton des Jammerns an. Oft lacht er sogar, obschon, so lustig sind die Umstände nun auch wieder nicht. Gerade hat Beat Mahrer seine letzte Kuh verkauft.

Kaum Gewinn
Nur ein paar Tage nach diesem Gespräch wird ein Transporter auf die Hofzufahrt einbiegen und den grossen Einbautank mit 1280 Litern Fassungsvermögen verladen. Mahrer macht Schluss. Nach fünfzig Jahren und drei Generationen ist die Milchwirtschaft auf Hof Chleizelgli Geschichte. «Diese Zahl würde ich gerne in der Zeitung lesen», sagt der 36-jährige Landwirt, der sich eines vor allem nicht mehr leisten kann: sich die nächsten dreissig Jahre bis zur Pension durch den erodierten Milchmarkt zu kämpfen.

«44 Rappen pro Kilo», sagt Mahrer. Soviel hat er für seine Milch zuletzt noch bekommen, gerechnet an Aufwand und Investitionen bleibe da am Ende nichts mehr im Portemonnaie, und das nicht erst seit gestern. «Seit ich 2012 den Hof übernommen habe, ist der Milchpreis nie mehr über 50 Rappen gestiegen.» Dem Lachen, das ihm zwar noch nicht im Halse stecken geblieben ist, diesem Lachen zum Trotz – man merkt es Mahrer an, wie er sich zuletzt immer wieder gefragt hat: Wer melkt hier eigentlich wen?

Und so wird aus dieser Geschichte über den Wiesen des Möhliner Felds eine über Abschied und Neubeginn. Dort, wo Kühe eben noch weideten, wachsen jetzt Erdbeeren. Beat Mahrer pflückt sich mit den roten Früchtchen eine neue Existenzgrundlage auf 45 Aren, das sind 4500 Quadratmeter, auf denen derzeit die Blüten an 17 000 Erdbeerenstauden, jede einzelne von Hand gepflanzt, zum Fruchtkörper heranwachsen. Von grün zu weiss zu süssem Rot.

Aus der Region
Dass die Februar-Erdbeeren in den Regalen des Detailhandels dem einen oder anderen Konsumenten spanisch vorkommen, ist vielleicht gar kein Nachteil, wenn Ende Mai die ersten Exemplare auf Chleizelgli erntereif sind. Aus der Region, für die Region. «Alle schreien nach Klimaschutz, aber die Erdbeeren im Winter sind bestimmt nicht zu Fuss in die Schweiz gekommen», sagt Mahrer. Doch letztlich geht es auch hier wieder einmal ums liebe Geld: In Sachen Dumpingpreis sind importierte Erdbeeren unschlagbar. Für drei Franken das Kilo landen sie schon mal in den Gestellen, «wir werden unsere Erdbeeren für sechs Franken verkaufen und man muss sie erst noch selber pflücken.» Beat Mahrer kann und vor allem möchte nicht mithalten mit den Billigimporten. «Jeder will hier gelebt haben und eine anständige Entlohnung erhalten», sagt er. Womit, irgendwie, wir wieder beim Melken wären. «Ich möchte meine Mitarbeitenden doch auch zu fairen Tarifen bezahlen können.»

Alles hat nun mal seinen Preis. Eigentlich. Ausser vielleicht eben bei der Milch, deren Preispolitik für die Produzenten das Fass mittlerweile zum Überlaufen gebracht hat. «Die Milchwirtschaftsbetriebe in Möhlin haben sich in den letzten fünf bis zehn Jahren halbiert», schätzt Beat Mahrer, der übrigens bald schon die Saat für seine Kürbisse auslegen wird. Seit zwei Jahren pflanzt er auch solche an und setzt sie direkt ab. Noch so ein neuer Zweig, exemplarisch für eine hiesige Entwicklung. So manche Bauern gehen heute neue Wege und verlassen alte Pfade. Mahrer mit seinen Kühen auf Chleizelgli ist nur ein Beispiel von vielen. Punkto Milchwirtschaft ist für ihn der Mist geführt – und bald sind die Erdbeeren reif.


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