Fricktaler Knoblauch und eine tierische Schnee-Party

  18.05.2019 Sulz

Als Severin Rüede und Corinna Casanova bei einem Einkauf nicht einen einzigen Schweizer Knoblauch im Angebot ihres Supermarktes vorfanden, beschlossen sie, diesen Missstand zu beheben.

Matthias Reimann

Schon bei Ankunft wird klar, dass für das Wohl der tierischen Bewohner auf dem Langackerhof oberhalb von Sulz gut gesorgt wird. Neben dem Vorplatz tummeln sich Rinder in einem Freilaufgehege, hinter einer Scheune hört man zufrieden grunzende Schweine und neben dem Wohnhaus teilen sich Enten und Kaninchen ein Gehege.

Vor drei Jahren besuchten Severin Rüede (29) und seine Partnerin Corinna Casanova (30) an einem Samstagmorgen einen Supermarkt. In den Gemüseregalen störte sie dabei ein Detail: Im Angebot war kein Schweizer Knoblauch zu finden. Es gab nur welchen aus europäischen Ländern und sogar aus China. Darauf trafen die Beiden noch im Laden den Entscheid, dieser Tatsache frontal entgegenzuwirken.

Den Hof hat Severin mit 25 Jahren von seinen Eltern übernommen. Bereits als kleiner Junge begleitete er seinen Vater bei vielen Arbeiten. Er liebte es, im Freien zu sein. Für ihn war damals schon klar, dass er selbst einmal Bauer werden wollte. Zusammen mit Corinna, welche die Bäuerinnenschule absolviert hat, führt er den Langackerhof. Für einen Grossverteiler mästen sie 70 Limousin-, Angusund Blaue Belgier-Rinder und bis 500 Schweine. Die Jungbauern orientieren sich dabei an den Richtlinien von IP Suisse. Sie produzieren tiergerecht und in respektvollem Umgang mit Natur und Umwelt. Es ist ihnen wichtig, regionale Qualitätslebensmittel herzustellen, die aber für Konsumenten auch erschwinglich sind. Neben der Viehhaltung betreiben sie Ackerbau.

Auf der Suche nach Antworten
Der Entschluss, Knoblauch anzubauen, fiel den beiden Sulzern einfach. Allerdings stellte sich die Frage, wie sie das Gewächs kultivieren sollten. Sie wussten zwar, dass Knoblauch in der Schweiz an einigen Orten angebaut wird. Aber im Fricktal fand sich niemand, der Erfahrungen mit ihnen teilen konnte. Von der Idee getrieben, machten sie sich auf die Suche nach Antworten. «Wir fanden heraus, dass Knoblauch dort am besten gedeiht, wo auch Reben angepflanzt werden», sagt Severin. «In unserer Umgebung wird bekanntlich viel Rebbau betrieben, also fühlten wir uns in unserer Entscheidung bestärkt.» Im Frühsommer 2016 starteten sie mit einer Testfläche. Neun Monate später fuhren Severin und Corinna die erste, noch kleine Ernte ein, die aber von vielversprechender Qualität war.

Erfolg verpflichtet
Beflügelt vom Ersterfolg beschlossen sie, im darauffolgenden Jahr eine grössere Fläche zu bepflanzen. Um dies bewerkstelligen zu können, mussten sich die jungen Landwirte eine neue Pflanz- und Erntemaschine anschaffen, weil Handarbeit keine Option mehr war. Die Ernte im zweiten Jahr betrug einige Hundert Kilogramm. Das war zwar ein ausgezeichnetes Resultat, es brachte aber gleich die nächste Herausforderung mit sich: Wie sollten sie diese Menge Knoblauch absetzen? Ein Gespräch mit Jurapark Aargau wirkte wie ein Türöffner. Man half Severin und Corinna mit wertvollen Kontakten und Beratung. Heute bieten rund 100 Geschäftsstellen verschiedener Detailhändler in der Nordwestschweiz ihren Knoblauch unter dem «Jurapark Aargau» Label an. «Wir sind froh, dass wir aus einem anfänglichen Impuls ein weiteres Standbein für unseren Betrieb kreieren konnten», sagt Severin. «Es war nicht so, dass wir uns eines Tages mit dem Gedanken hinsetzten, einen neuen Geschäftszweig zu kreieren. Es war reiner Zufall, dass wir an jenem Samstagmorgen beim Einkaufen keine einzige Knoblauch-Knolle aus der Schweiz fanden» fügt Corinna an.

Nach der Ernte muss Knoblauch getrocknet werden. Severin erklärt: «Das funktioniert ähnlich wie beim Heu mit einem Gebläse. Etwa einen Monat lang belüften wir den Knoblauch, dann ist er bereit für den nächsten Schritt: das Putzen.» Dafür waren nach der Ernte im Ausnahmesommer 2018, als sie mehr als zwei Tonnen einfuhren, viele Helfer erforderlich. In Handarbeit müssen die äusseren Schichten der Schale und das Wurzelwerk entfernt werden. Während Wochen halfen Familie, Freunde und Bekannte mit, den Knoblauch zu putzen. Erst damit wird er zu den weisslichen Knollen, die man als Konsument kennt. «Dank der trockenen Witterung erzielten wir letztes Jahr eine hohe Qualität. Im November begannen wir auszuliefern. Ende März war der Vorrat erschöpft, die Produktion 2018 verkauft» stellt Severin mit verständlicher Genugtuung fest.

Tierwohl
Beim Rundgang über den Hof weisen die Beiden auf ihre Mastschweine hin. Für diese geselligen Tiere ist sozialer Kontakt mit Artgenossen wichtig. Dafür haben sie im grosszügigen Aussenbereich genügend Platz und Auslauf. Im Stall stehen ihnen Liegeplätze mit Stroh zur Verfügung. «Unsere Tiere tollen gerne draussen rum. Im Winter können sie es am Morgen kaum erwarten, an die frische Luft zu stürmen», erklärt Severin. «Wenn dann noch zehn Zentimeter Neuschnee liegen, geht die Party erst so richtig los», lacht er.

Neben dem Wohnhaus picken Hühner im Freilaufgehege nach Körnern. Eine schwarze Katze huscht über den grossen Vorplatz und der Junior in der Langackerhof-Tierfamilie, der Hofhund Lou, zieht sich nach einer Streicheleinheit zufrieden in seine Hütte zurück. Für die jungen Landwirte ist das Tierwohl eine Herzensangelegenheit. Und das ist in jedem Bereich ihres Betriebes offensichtlich.


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