«Ich habe Menschen verrückt gerne»

  25.05.2019 Hellikon

Karl Hasler aus Hellikon feierte am Freitag seinen 97. Geburtstag

Seit 1922 hat Karl Hasler viel erlebt. Den grössten Teil seiner Erfahrungen und Erlebnisse hat er noch ganz genau im Kopf und könnte ein Buch darüber schreiben.

Janine Tschopp

Er freut sich über den Besuch an diesem Donnerstagnachmittag und empfängt die NFZ herzlich. Der Schalk in seinen Augen ist beeindruckend und verrät vieles darüber, was die Journalistin während des Gesprächs mit Karl Hasler erfährt: Seine Freude am Leben und an den Menschen.

«Ich habe so viele Sachen erlebt, und immer war jemand da, der mir geholfen hat», sagt er. Er habe sehr viel Glück gehabt im Leben. Obschon, das wird aus seinen Erzählungen deutlich, er nicht nur Glücksmomente hatte, sondern auch schwierige Zeiten durchstehen musste. So zum Beispiel während seiner Lehrzeit, die er in einer Traktorenfabrik in Schaffhausen absolvierte.

«Eigentlich wollte ich nicht weiter von zu Hause weg als bis Rheinfelden», erzählt Karl Hasler, der in Hellikon aufgewachsen war und einen grossen Teil seines Lebens dort verbrachte. Karl Haslers Vater kannte den Inhaber einer Traktorenfabrik in Schaffhausen. So hatte der junge Mann Gelegenheit, dort eine Lehre als Automechaniker zu absolvieren. Das war im Herbst 1939. Karl Hasler hatte schon Heimweh, bevor er überhaupt sein Dorf verlassen hatte. «Ich hatte dann eine manche schlaflose Nacht. Mein Vater liess mir die Wahl, den Bewerbungsbrief für die Lehrstelle in Schaffhausen einzuwerfen. Dreimal ging ich auf die Post und nahm den Brief jedes Mal wieder nach Hause.» Schliesslich nahm Karl Hasler seinen ganzen Mut zusammen und warf den Brief ein.

Zehn Jahre in Schaffhausen verbracht
Der Brief, den Karl Hasler eingeworfen hatte, kam in Schaffhausen an. Kurze Zeit später begann er seine dreimonatige Probezeit bei der Traktorenfabrik Meili in Schaffhausen. «Du machst genau, was wir dir befehlen», gab die Frau seines Chefs schon bald den Tarif deutlich durch. Er wurde nicht nett behandelt und musste viele Arbeiten, wie zum Beispiel putzen und einkaufen, erledigen, die nichts mit seinem Beruf zu tun hatten. «In dieser Zeit hat es viele Tränen gegeben», erinnert sich Karl Hasler. «Nach der Probezeit ging ich heim und hoffte, dass meine Familie sagt, ich solle doch in Hellikon bleiben.» So kam es nicht. Er packte am 1. Januar 1940 seine Sachen und zog schweren Herzens nach Schaffhausen. Es herrschte Krieg in dieser Zeit, und für den jungen Mann war es hart, sein Heimatdorf zu verlassen. «Ich mache meinen Weg», dachte er sich dennoch hoffnungsvoll.

Und dann beschreibt der heute 97-jährige Mann seine Lehrzeit. Er erinnert sich an jedes Detail. Wie es anfänglich ganz schwer war, er aber mit der Zeit, aufgrund seiner ausserordentlichen Leistungen, seines Fleisses und seines Wesens, das Vertrauen des Chefs und der Arbeiter gewinnen konnte. Er wurde zum Abteilungsmeister in der Mechanikwerkstatt. «Eines Tages erhielt ich den Auftrag einen ganzen Traktor zu bauen.» Aus einem wurden schliesslich 50 Traktoren, die Karl Hasler bei seinem Arbeitgeber gebaut hatte. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Lehre blieb er seinem Lehrbetrieb weitere sechs Jahre treu. Über lange Zeit arbeitete er Tag und Nacht ununterbrochen sehr hart und wurde dann auch krank.

Obwohl sein Chef sich wünschte, dass Hasler den Betrieb in Schaffhausen übernehmen würde, beschloss der Fricktaler, in seiner Heimat ein eigenes Geschäft anzufangen. So gründete er am 1. Januar 1950 eine Autogarage in Hellikon. «Hänn Ihr Zyt überhaupt? Ich ha so viel im Chopf inne», sagt Karl Hasler plötzlich im Laufe des Gesprächs zur Journalistin. Die Geschichten und Erlebnisse sprudeln tatsächlich einfach so raus. Keinen Moment muss er über Jahreszahlen, Namen oder Geschehnisse nachdenken.

Es brauchte Mut
«Damals, kurz nach Kriegsende, brauchte es Mut, Land zu kaufen, das Geschäft anzufangen und zu heiraten», erzählt Karl Hasler. «Ist der normal, auf dem Land eine Garage zu bauen?», war eine Frage, die er zu hören bekam. Sein Geschäft lief aber gut. «Wir verkauften alles, vom Güllenwagen bis zum Luxusauto.»

In den folgenden Jahren erhielten Karl Hasler und seine Frau fünf Kinder: zwei Buben und drei Mädchen. Ihr ältester Sohn Marcus (1951) und ihr jüngster Sohn Töni (1963) sind heute beide selber Inhaber von Autogaragen. Marcus führt das Geschäft seines Vaters in Hellikon seit 1987.

1980 erlitt Karl Hasler einen Arbeitsunfall, weil sich ein Auto vom Lift gelöst hatte und auf ihn heruntergefallen war. Er hatte schwere Verletzungen am Rückenwirbel und am linken Bein. «Das Bein war total kaputt. Ich war 26 Wochen lang im Spital und trug während 17 Wochen einen Gips. Niemand hätte geglaubt, dass ich irgendwann wieder laufen kann. Aber ich hatte immer ganz viel Glück im Leben. Ich bin ein Glücksmensch Nummer 1», sagt Karl Hasler strahlend.

Spass am Autofahren
Karl Hasler hat auch heute noch grossen Spass am Autofahren. Er fährt nach Rheinfelden, Frick, Gelterkinden oder an andere Orte, um Einkäufe zu erledigen oder einen Kaffee zu trinken. Auch Kochen und Basteln, zum Beispiel Modellflugzeuge, sind Lieblingsbeschäftigungen von Karl Hasler.

Glück empfindet er auch, wenn er erzählt. Wenn er einen ganz kleinen Teil von diesen vielen Geschichten, die in seinem Kopf sind, mit anderen Menschen teilen darf.

Und welches ist Karl Haslers Geheimrezept, dass man auch mit 97 Jahren noch gesund und zufrieden sein darf? «Man muss Menschen gerne haben», ist seine klare Antwort. «Ich habe Menschen verrückt gerne», betont er und verrät einen weiteren Ratschlag: «Man darf nie den Mut verlieren, und muss gewisse Sachen einfach annehmen, so wie sie sind.»


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