Bier brauen ist nichts für Eilige – vom Ittenthaler Reinheitsgebot

  11.03.2019 Ittenthal

Das erste mit Freunden gebraute Bier hatte es in sich: 7.5 Prozent. Ein nächstes war derart lebendig, dass es beim Öffnen wie Champagner bei einer Siegerehrung sprudelte. Mit jedem erfolgreichen Sud wuchs aber danach die Freude an der würzigen und fein schmeckenden Freizeitbeschäftigung.

Matthias Reimann

Zum fünfzigsten Geburtstag erhielt Hans Meier von seiner Frau Evelyne einen Braukurs geschenkt, den er mit acht Bekannten absolvierte. Wegen der Putzerei und dem stundenlangen Warten zwischen einzelnen Schritten des Brauvorganges befanden sie: «So etwas machen wir nie wieder, das ist wie ein WK.»

Einer der Braukollegen wollte es dann aber doch wissen und kaufte eine komplette Mini-Brauausrüstung und sie brauten dann zu viert. Und plötzlich packte Hans die Begeisterung. Er offenbarte seiner Frau, dass er fortan regelmässig selbst Bier brauen wollte. Daraus entstand 2012 die Schümberg-Bräu in Ittenthal, laut dem offiziellen Brauereiverzeichnis der eidgenössischen Zollbehörde die 458. Brauerei der Schweiz.

Heimat ist da, wo Freunde sind
Die Meiers wohnen seit 23 Jahren in Ittenthal. Sie geniessen die Ruhe und Gemeinschaft im Ort, in dem sie sich wohlfühlen und wo ihre Freunde sind. «Heimat heisst aber nicht, dass man sein ganzes Leben an einem einzigen Ort verbringt» resümiert Evelyne. Die gebürtige Thurgauerin hat in jungen Jahren als Köchin Heimat an verschiedenen Orten in der Schweiz und sogar in Kanada erlebt. Wer anderswo hingehe, müsse sich immer wieder von neuem anpassen. «Dadurch bin ich flexibler und offener für andere geworden. Weggehen lehrt einem Toleranz und verleiht einem eine gewisse Gelassenheit» ist sie überzeugt.

Extern einen Raum für ihre Mikrobrauerei anzumieten war für Meiers keine Option. Sie wollten ihr Hobby zu Hause ausüben. Die Lösung war schnell gefunden: die Garage musste herhalten. Sie holten die notwendige Baubewilligung ein und begannen ihr Projekt. Sie erstanden Wandfliesen, übers Internet organisierten sie einen kommerziellen Kühlschrank und über eine weitere Quelle kauften sie ausrangiertes Mobiliar aus Grossküchen zusammen. Als Servicetechniker verlegte Hans selbst Wasserleitungen und montierte eine Klimaanlage, welche die Ittenthaler Brauer als «das wichtigste Gerät» ihrer Brauerei bezeichnen. Er und seine Frau machen gerne alles zusammen, sie sind ein eingespieltes Team. So war es nur naheliegend, dass Evelyne beim Einrichten ebenfalls tatkräftig mitanpackte. Binnen kurzer Zeit war dem Raum der frühere Verwendungszweck nicht mehr anzusehen.

Obwohl sie das Brauen als Freizeitbeschäftigung planten, meldeten die Meiers Schümberg-Bräu gleich zu Beginn als Geschäft an und registrierten es bei der Zollverwaltung. Bundesbern hat ein reges Interesse an der Schweizer Brauszene, führen doch mehr als 1000 Brauhäuser jährlich 115 Millionen Franken Alkoholsteuer an den Fiskus ab. Mit dem «offiziellen» Teil des Geschäftes sind auch regelmässige Kontrollen durch den Lebensmittelinspektor verbunden.

Ittenthaler Reinheitsgebot
Wer «mikro» mit laienhaft gleichsetzt, versteht schon beim Betreten der ehemaligen Garage, dass hier das Gegenteil zutrifft: Als erstes sticht ein voluminöser Kühlschrank ins Auge, in dem jetzt, im Winter, nur ein paar Dutzend Flaschen lagern. Wenn er voll bestückt ist, könnten die Meiers vermutlich ein ganzes Dorffest mit Bier versorgen. Überdimensionierten Suppentöpfen gleich prunken die beiden Braukessel. Darin setzen die Ittenthaler Brauer bis zu 75 Liter Sud an. Links davon strahlen auf polierten Edelstahl-Arbeitsflächen die Gärtanks, das eigentliche Herzstück jeder Brauerei. Gleich daneben befinden sich zwei riesige Spültröge. Die räumlichen Verhältnisse sind bescheiden bemessen, aber der vorhandene Platz ist patent eingerichtet und vom Fussboden bis zur Decke blitzblank sauber.

«Wir brauen nach dem Ittenthaler Reinheitsgebot» lacht Evelyne Meier. «In unsere Biere kommen nur natürliche Zutaten. Wir verwenden weder Chemie noch Konservierungsstoffe. Bier ist ein altes Naturprodukt, und genau so soll es bleiben.»

Bierbrauen entschleunigt
Die Biere von Schümberg-Bräu sind herkömmlich und werden ohne Firlefanz gebraut. Mit ihrer Infrastruktur ist es für die Meiers vorteilhafter, obergärige Biere zu brauen. Diese werden bei 18 bis 20° C vergoren. «Bei uns ist alles Handarbeit. Wir rühren die angesetzte Maische von Hand», sagt Evelyne. «Am Ende pumpen wir den Sud in die Gärtanks und geben die Hefe dazu. Wenn das Bier vergoren ist, füllen wir jede Flasche von Hand und kleben Etiketten darauf.»

Hans freut sich darauf, mit der 2020 bevorstehenden Pensionierung mehr Zeit zur Verfügung zu haben, auch für Reisen. «Ich mag es wegzufahren, komme aber auch immer wieder gerne zurück nach Ittenthal. Weggehen ist für mich gleichbedeutend mit nach Hause kommen.» Mit einem Motorhome die Welt zu entdecken gefällt ihm. Seine Frau und er geniessen diese flexible und ungezwungene Reiseart. «Aber nach etwa zwei Wochen bin ich auch wieder bereit heimzukommen» fügt er schmunzelnd an. «Und nach den Ferien will ich jeweils sofort an den Braukessel zurückkehren, um ein leckeres Huus-Bier oder Pale Ale anzusetzen.»


Biertage

Am 26. April wird landesweit der «Tag des Schweizer Bieres» begangen, welcher den begehrten Gerstensaft in Verbindung mit Bierkultur und Brauereitradition erlebbar machen wird. Am 18. Mai 2019 stellt Schümberg-Bräu dem Publikum seine Braukunst am 3. Bremgarter Biertag und am 27. Juli an der Freiämter Bierwanderung vor.


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