30 Millionen-Projekt ist auf der Zielgeraden

  17.03.2019 Fricktal, Stein

Meilensteine in der Geschichte der Stiftung MBF

Im Mai wird die Überbauung «Widacher» in Stein eingeweiht. Die Stiftung MBF schafft hier neue Wohn- und Atelierplätze. Neben Stein will sich die Stiftung vermehrt auch auf den Standort Laufenburg konzentrieren.

Susanne Hörth

Was vor rund einem Jahrzehnt als spontane Vision seine Anfänge nahm, sich dann zu einem sehr planungsintensiven Projekt weiter entwickelte und vor knapp zwei Jahren mit dem Spatenstich in die Realisierungsphase überging, befindet sich nun auf der Zielgeraden: Die grosse Wohn- und Atelier-Überbauung «Widacher» der Stiftung «Menschen mit Behinderung Fricktal» MBF wird in wenigen Wochen bezugsbereit sein.

Die Überbauung «Widacher» gegenüber der bestehenden Werkstatt Rüchlig in Stein umfasst drei Gebäude mit insgesamt 38 Wohnplätzen in sechs Wohngruppen, 18 Ateliersplätze (Beschäftigungsplätze), Büros, Sitzungszimmer, Kantine sowie eine durchgehende Tiefgarage. Bis zur Einweihung gibt es noch einiges zu tun, ist sich Stiftung MBF-Geschäftsleiter Jean-Paul Schnegg bewusst. «Der Zeitplan und damit auch die Einweihungsfeier kann aber sicher eingehalten werden.» Die Feier findet vom 17. bis 19. Mai statt.

Jean-Paul Schnegg freut sich, dass mit der Umsetzung des fast 30 Millionen Franken teuren Projektes «Wohnen-Atelier 2020 plus», dazu gehört auch die Überbauung «Widacher», gleich mehrere Meilensteine in der Geschichte der Stiftung MBF gesetzt werden können. Meilensteine, die es braucht, um der steigenden Nachfrage nach betreuten Wohn- und Atelierplätze sowie Tagestrukturplätze für Senioren im Fricktal gerecht zu werden.

Parkhaus mit Lagerhalle
Mit rund 19,2 Millionen Franken macht der «Widacher» den höchsten Anteil bei «Wohnen – Ateliers 2020 plus» aus. Für Sanierung und Erweiterung von bestehenden Gebäuden (Wohnheim Rüchlig und Gemeinschaftsgebäude, Küche Rüchlig) auf dem Platz Stein fallen weitere rund 3,9 Millionen Franken an. Anfänglich war geplant, für neue oberirdische Parkplätze 450 000 Franken aufzuwenden. «Hier hat sich aber mit Erne AG Holzbau eine bessere Variante ergeben», so Jean-Paul Schnegg. Hinter der Werkstatt Rüchlig entsteht zurzeit ein Parkhaus mit Lagerhalle. «Die Lagerhalle wie auch die Hälfte der insgesamt drei Parkdecks gehören uns», erklärt der Geschäftsleiter. Durch die notwendige Lagerhalle und das Parkhaus entstehen Mehrkosten von 1,3 Millionen Franken. Letztes Jahr wurde bekannt, dass im Rahmen des Projektes «Wohnen-Ateliers 2020 plus» auch in Laufenburg neu gebaut wird. Ein Vorhaben, das grosse Dringlichkeit aufweist. In Stein sind zwei Wohngruppen mit insgesamt zwölf Bewohnenden in Mietliegenschaften an der J.C. Hausstrasse untergebracht. Diese Wohnungen und die unmittelbare Umgebung sind nicht behindertengerecht und der Hauseigentümer hatte schon länger Eigenbedarf angemeldet, sich aber immer wieder grosszügig zu einer Mietverlängerung bereit erklärt. Mit dem Neubau in Laufenburg kann der benötigte Ersatzwohnraum bis Mitte 2020 geschaffen werden. Noch in diesem Monat findet der Spatenstich für den 3,73 Millionen Franken teuren Neubau statt. Für die Sanierung der beiden bereits in Laufenburg vorhandenen Wohngruppen-Gebäude sind weitere 1,3 Millionen Franken veranschlagt.

Herausforderung Finanzen
Ist dann Ende 2020, nach Fertigstellung aller grossen Bauvorhaben, wieder etwas mehr Ruhe bei der Stiftung MBF angesagt? Der Geschäftsleiter schmunzelt, wird dann aber ernst: «Eine grosse Herausforderung werden nach wie vor die Finanzen bleiben. Der Kanton schaut immer die Gesamtkosten an. Bei diesen wären eine Konzentration und damit die gesamte Betreuung an einem einzigen Standort sicher günstiger. Wir sind aber überzeugt, dass eine gewisse Dezentralisierung, wie sie die Stiftung MBF anbietet, sinnvoll ist und der UNO-Behindertenrechtskonvention entspricht.» Kosten und Optimierungen unter anderem bei der Betreuung seien aber gleichwohl der Grund, dass man sich vermehrt auf die beiden Standorte Stein und Laufenburg konzentriere. Die weiteren Standorte werden gleichwohl weiterentwickelt.


«Der grosse Aufwand hat sich gelohnt»

MBF-Geschäftsführer Jean-Paul Schnegg über das Projekt «Wohnen – Atelier 2020»

Die Stiftung MBF – ein soziales Unternehmen für Menschen mit Behinderung – baut aktuell in Stein eine Überbauung mit Wohn- und Atelierplätzen. In Laufenburg wird bis nächstes Jahr ein weiteres Wohnhaus entstehen.

Susanne Hörth

NFZ. Herr Schnegg, aktuell einen Parkplatz vor der Stiftung MBF in Stein zu ergattern, ist eine schiere Unmöglichkeit.
Jean-Paul Schnegg:
Leider, die Parkplatzsituation ist gerade ein leidiges Thema.

Hat das mit den Bauarbeiten der gegenüberliegenden Überbauung Widacher zu tun?
Ja, sicher. Wenn alles fertig ist, gibt es auch wieder genügend Parkplätze.

Wo zum Beispiel?
Im neuen Parkhaus. Das bauen wir ja in Zusammenarbeit mit der Erne AG Holzbau. Die notwendige Lagerhalle unter dem Parkhaus wie ebenfalls die Hälfte eines der drei Parkdecks gehören uns. Hier stehen uns 56 Plätze zu Verfügung. Und bald auch noch die Plätze in der neuen Tiefgarage der Überbauung Widacher.

Wieso weichen Ihre Angestellten nicht auf den öffentlichen Verkehr aus?
Weil das aufgrund der «Rund um die Uhr»-Schichtzeiten nicht möglich ist.

Seit der Rohbaubesichtigung letztes Jahr im Juni hat sich bei der Überbauung Widacher einiges getan.

Selbstverständlich. Unter anderem konnten im Inneren der Gebäude die Rohinstallationen – Elektro, Heizung, Lüftung, Sanitär – abgeschlossen werden. Die Wände wurden verputzt, die Bodenbeläge eingebracht und die Küchen in den Wohngruppen installiert. Aussen wurden die Photovoltaikanlagen auf den Dächern montiert. Auch die Hauptdächer sind fertig. Die neue Grundwasserleitung wurde in das Gebäude Buche gezogen. Hier gab es zudem eine neue Heizzentrale für den Neubau und das Gebäude Buche.

Was gibt es noch zu tun?
Die Gastroküche im Haus 8 wird bis Ende März installiert. Die Schreiner und Maler arbeiten auf Hochtouren. Bei der Fassade sind die Arbeiten ebenfalls noch im vollen Gange. Auch die Terrassen im Obergeschoss sind noch nicht fertig.

Und…
… ausserdem wird auch noch die Gebäudetechnik in Betrieb genommen, getestet und instruiert; die Signaletik montiert; die Umgebung fertiggestellt und sämtliche Werkund Behördenabnahmen durchgeführt.

Das tönt alles noch nach sehr viel Arbeit. Kann der Zeitplan eingehalten werden?
Ja, es wird bis zur Einweihung alles soweit fertig sein

Gab es während den bisherigen Arbeiten irgendwelche Unvorhersehbarkeiten?Im Rahmen eines solchen Projektes.

Was heisst?
Da fehlt eine Steckdose, dort muss noch etwas ergänzt werden. Alles keine grossen Dinge.

Dem Bau ging eine verhältnismässig lange Planungszeit voraus. Erste Ideen für das Projekt formten sich ja bereits vor zehn Jahren. Wenn Sie heute den bald fertigen Neubau betrachten…
… weiss ich: der grosse Aufwand hat sich sehr gelohnt.

Welches waren die steilsten Hürden, die es zu bewältigen galt?
Das Bewilligungsverfahren seitens des Kantons beim Departement Bildung, Kultur und Sport, Abteilung Sonderschulung, Heime und Werkstätten. Zudem mussten wir Kosten optimieren, ohne dass es dabei Einbussen für die künftigen Bewohnenden gibt.

Wann findet der Bezug der neuen Räumlichkeiten statt? Wer zieht ein?
Die Umzugsphase dauert vom 2. bis 7. Juni. Die Wohngruppe Regenbogen aus Effingen wird in die neue Wohngruppe Grau einziehen. Ausserdem zügeln alle Bewohnenden der Wohngruppen vom Wohnheim Rüchlig in die neuen Wohngruppen Rot, Blau, Gelb, Grün und Braun. Einziehen werden vor allem auch Menschen mit einem grösseren Betreuungsanspruch oder einem erhöhten, pflegerischen Aufwand.

Was passiert mit der Liegenschaft in Effingen?
Wir sind dort eingemietet. Der Mietvertrag in Effingen bleibt aber noch eine gewisse Zeit weiter bestehen. Die Bewohnenden der Wohngruppe zum Weiher und der Wohngruppe Seerose in Laufenburg werden während der Sanierung ihres Hauses dorthin ziehen. Danach wird der Mietvertrag in Effingen aufgelöst.

Beim Projekt «Wohnen – Ateliers 2020 plus» wird von einem Kostenvolumen von 30 Millionen Franken gesprochen. Warum ist Bauen für Menschen mit Behinderung so teuer?
Wieso teuer? Der Neubau «Widacher» in Stein kostet rund 18,5 Millionen Franken. Die beiden Wohnhäuser mit 38 Wohnplätzen kommen auf rund 12 Millionen Franken zu stehen. Das macht pro Wohnplatz rund 316000 Franken. Wer heute privat ein Wohnhaus für vier Personen baut, muss auch mit 1 bis 1,2 Million Franken rechnen.

Trotzdem erscheint einem der Betrag pro Wohnplatz in der Stiftung MBF teuer.
Man muss immer auch daran denken, dass es der einzige Lebensraum für einen Menschen mit Behinderung ist. Dazu kommen die speziellen Anforderungen aufgrund der Behinderung. Die notwendige Infrastruktur ist nicht billig. Und teuer bei einem Platz sind weniger die Raum- als vielmehr die Betreuungs- und Pflegekosten.

Ist mit dem Neubau das Bedürfnis nach mehr Wohn- und Atelierplätzen nun für die nächsten Jahre abgedeckt?
Ja. Vorläufig schon. Wir bieten nach Abschluss der verschiedenen Projekte Mitte 2020 125 Wohnplätze, jetzt sind es 107 und 106 Beschäftigungs- und Tagesstrukturplätze. Hier waren es bisher 91. Unser Neubau wird sicher auch unseren pensionierten Mitarbeitern mit Behinderung gerecht.

Ändert sich mit dem Neubau etwas an der Anzahl der geschützten Arbeitsplätze
Nein, die bleiben bei 120.

Baulich scheint die Stiftung MBF in nächster Zukunft gut aufgestellt zu sein. Was beschäftigt die Verantwortlichen aber weiterhin?
Die Finanzen. Die Kosten bleiben die grosse Herausforderung für unsere Einrichtungen. Die Veränderungen im Sozialwesen fordern auch uns. So etwa beim Thema ambulant vor stationär. Auch damit müssen wir uns befassen.

Was bedeutet das?
Dass Menschen mit Behinderung eigenständig wohnen und von uns ambulant betreut werden. Stückweise bieten wir das heute schon Wir haben Mietwohnungen, in denen Frauen oder Männer mit Behinderung alleine, zu zwei oder zu drei leben und bei uns einen geschützten Arbeitsplatz vorfinden. Das Ganze müssen wir sicher weiter beobachten und sehen, wie es sich entwickelt.

Wenn Sie die Stiftung MBF als KMU im Fricktal einordnen müssen, wo steht die Firma?
Im Bereich Verkauf-Produktion mit einem Umsatz von etwa 2,8 Millionen Franken sind wir eher klein. Mit einem Gesamtbudget von rund 21 Millionen Franken jährlich sicher ein grösseres KMU.


Einweihung Überbauung Widacher

Der Neubau der Stiftung MBF wurde auf den Namen «Widacher» getauft. So hiess das Gelände, auf welchem sich heute die grosse Überbauung befindet.

Die Einweihung des «Widacher» findet vom 17. bis 19. Mai mit internen, offiziellen und öffentlichen Anlässen statt.

17. Mai: Anlass für die Mitarbeitenden, Bewohnenden und Angestellten.

18. Mai: Offizieller Teil mit geladenen Gästen, unter anderem mit Regierungsrat Alex Hürzeler und Vertretungen der Fricktaler Gemeinden. 10.30 bis 16.45 Uhr: Markt und Tag der offenen Türe für die Bevölkerung im Rüchlig und Buche, ab 11.30 Uhr im Widacher. 17 Uhr: ökumenischer Gottesdienst mit Einsegnung des Neubaus «Widacher»
19. Mai: 10.30 bis 16.15 Uhr: Markt und Tag der offenen Türe.


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