Traumberuf «Isebähnler»

  23.02.2019 Hornussen

Kurt Marti blickt auf eine bewegte Zeit bei der SBB zurück

Seit 44 Jahren wohnt er im Stationsgebäude in Hornussen. Er hat viel erlebt bei der SBB. Mit nur 25 Jahren wurde er zum jüngsten Stationsvorstand im Kreis 3 nach Hornussen gewählt. Unfreiwillig aber auch unumgänglich wurde er während seiner Karriere zum «Bahnhofschliesser».

Mirjam Held

«Treffen wir uns doch am besten in der Konditorei Kunz in Frick. Da bin ich oft und lese die Zeitung», sagt Kurt Marti am Telefon. Ein paar Tage später sitzen wir uns gegenüber und ich lausche gespannt den Anekdoten aus seinem Leben.

«Es war mein absoluter Traumberuf», sagt er. «Früher hatte man noch Zeit, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Ich habe jede Gelegenheit genutzt für ein Schwätzchen. Heute ist das anders. Vieles wird automatisiert, Bahnhöfe geschlossen und die Zeit fehlt, um zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen», sagt er nachdenklich.

Kurt Marti wurde 1948 in Sennwald im Sanktgaller Rheintal geboren. Gemeinsam mit seinen drei Schwestern und seinem Bruder verbrachte er dort seine gesamte Kindheit. Während der Schulzeit und auch noch danach arbeitete er immer wieder auf einem Bauernhof, dem auch ein Hotel und eine Bäckerei angegliedert waren. So entstand rasch der Berufswunsch zum Bäcker-Konditor. Ganz zum Leidwesen seines Vaters, der den Junior in der Textilbranche sah. Kurt Marti war sich jedoch von Anfang an sicher, dass dies nicht sein Weg sei. Eine Mehlallergie zwang ihn zum umdenken. So begann er im Jahre 1966 eine «Bähnler-Lehre» in Chur.

Von Station zu Station
Am 1. Mai 1967 musste er als junger Beamter in Ausbildung als Ablösung nach Laufenburg. «Ich hatte noch nie zuvor von Laufenburg gehört, geschweige denn wusste ich, wo Laufenburg liegt.» Er beendete seine Lehre und rückte kurz darauf im Februar 1968 als Gebirgsfüsilier in die RS in Chur ein.

Als Beamter musste er damals lediglich die RS abschliessen. Danach war er vom Dienst befreit. Bedingung bei der SBB war es jedoch, dass man diensttauglich war. Ansonsten konnte man keine Lehre bei der SBB beginnen. Nach der RS arbeitete er als Ferien-Ablöser entlang der Bodenseelinie und Bahnhöfen im Kreis 3. 1969 wurde er als junger Beamter nach Mumpf gewählt. 1973 wurde Marti mit nur 25 Jahren zum jüngsten Stationsvorstand in Hornussen gewählt. Zeitgleich zog er mit seiner Familie ins Stationshaus an der Bözbergstrecke. Bis heute lebt er da und möchte keinesfalls woanders leben.

Während seiner Tätigkeit bei der SBB musste er auch diverse Bahnhöfe schliessen. So betitelt ihn das «Aargauer Tagblatt» im Jahre 1993 als «unfreiwilligen Bahnhofschliesser».

1985 erst Sisseln, dann 1990 Hornussen und im Jahre 1993 folgte Effingen mit der Schliessung des Bahnhofs. Martis Karriere ging in Siggenthal-Würenlingen als stellvertretender Bahnhofsvorstand weiter. 2001 wechselte er nach Laufenburg als Bahnhofsvorstand. Den absoluten Höhenpunkt während seiner SBB-Laufbahn erreichte Kurt Marti 2003 als er zum Bahnhofsvorstand und Bereichsleiter Personal für Stein-Säckingen gewählt wurde. Dort arbeitete er bis zu seiner frühzeitigen Pensionierung im November 2006.

Viele Leute im Fricktal kennen mich
Marti war «Bähnler» aus Leidenschaft. Genau so leidenschaftlich gestaltete er seine Freizeit.

Jahrelang begleitete er das Skilager in Hornussen als ausgebildeter Skilehrer. Auch dem Schützenverein kam Martis Engagement zu gute. So war er 20 Jahre lang Aktuar bei den Feldschützen in Hornussen. Zu seinen grössten Erfolgen gehörten: Sieger Kunstgruppe A 150-Jahr-Jubiläumsschiessen in Beinwil 1986, Bezirksschützen König 300m Karabiner 1988 und Sieger am Kantonalen Veteranenschiessen, Aargauerstich 300m Kategorie D im Jahre 2009.

Auch als Gemeinderat war er in den Jahren 1986 bis 1993 als Ressortleiter Schulhaussanierung und Kindergarten Neubau tätig. Weitere 13 Jahre war er in der Regionalplanung Oberes Fricktal unter der Leitung von Peter Bircher.

Das Hornusser Ski-Derby im Schwarzwald wurde von Kurt Marti ins Leben gerufen. 20 Jahre lang organisierte er den Wettkampf mit grosser Leidenschaft.

Marti als Familienmensch
«Das Schönste, was ich habe sind meine Enkelkinder.» Eine ganz besondere Aufgabe hat Kurt Marti an seinem Enkel Yannic gefunden. Nach einem schweren Start ins Leben braucht der heute Zehnjährige besondere Aufmerksamkeit von seinem Umfeld. Er verbringt nahezu alle seine Ferien bei den Grosseltern.

Heute ist es etwas ruhiger um Marti geworden. Mit grosser Begeisterung organisiert er Reisen. «Das ist mein liebstes Hobby,» sagt er lachend. Auch die Klassenzusammenkunft der Jahrgänge 1946 bis 1949 organisiert er immer noch, obwohl er schon lange nicht mehr in Sennwald wohnt.

Etwas nachdenklicher fügt er hinzu: «Ich gehe nirgendwo hin ohne meine Frau. Sie bedeutet mir alles. Ohne sie wäre ich heute nicht mehr da. Ich habe ihr so viel zu verdanken.» 1996 lernen die beiden sich kennen. Nur ein Jahr später heirateten sie. Zuvor war Marti 20 Jahre lang allein.

Aus erster Ehe hat Marti zwei Töchter. Seine Frau bringt aus erster Ehe eine Tochter und einen Sohn mit. Gemeinsam haben sie sieben Enkelkinder.

Zwischenmenschliche Kontakte sind Marti sehr wichtig. Als Präsident der Bözer Reb- und Weinfreunde ist er immer noch aktiv im Vereinsleben verankert. «Ich wollte mein Präsidium abgeben und für jemanden jüngeren Platz machen. Aber das wollten sie scheinbar nicht,» sagt er lachend und läuft Richtung Bushaltestelle. Es zieht ihn nach Hause zu seiner Frau, nach Hause in sein Stationsgebäude an der Bözbergstrecke in Hornussen.


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