Im Einsatz gegen die Lebensmittelverschwendung

  21.01.2019 Möhlin

An der ETH Zürich erforscht Claudio Beretta aus Möhlin die Ursachen und Folgen der Lebensmittelverschwendung. Die Idee dazu kam ihm in einer Bäckerei. Kürzlich hat er seine Doktorarbeit abgeschlossen.

Valentin Zumsteg

Lebensmittel sind zum Essen und Geniessen da – doch ein beträchtlicher Teil davon landet im Abfall. Diesem Thema hat Claudio Beretta aus Möhlin seine Doktorarbeit an der ETH Zürich gewidmet. Der 33-Jährige geht davon aus, dass rund ein Drittel aller in der Schweiz produzierten Nahrungsmittel zwischen Feld und Teller verloren geht oder verschwendet wird. Besonders erstaunt hat ihn ein Ergebnis seiner Forschung: «Fast die Hälfte der Abfälle werden in Haushalten und der Gastronomie verursacht. Das entspricht rund einer Mahlzeit pro Einwohner und Tag.»

«Verschwendungswahnsinn»
Das Thema Umwelt beschäftigt Beretta, der im Tessin und in Möhlin aufgewachsen ist und heute teilweise in Zürich wohnt, schon lange. «Bereits als Kind habe ich mich damit auseinandergesetzt, dass der Mensch in der westlichen Welt mit seinem Verhalten die Lebensgrundlage für die kommenden Generationen bedroht.» Er wurde vom Basler Arzt und Naturschützer Martin Vosseler inspiriert, den er als Vorbild sieht.

Nach dem Gymnasium mit Schwerpunkt Italienisch entschied er sich für ein Studium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH in Zürich. Als es um ein Thema für die Masterarbeit ging, wählte er Lebensmittelverschwendung oder Foodwaste, wie es auf Englisch heisst. «Die Idee dazu kam mir in einer Bäckerei. Ich ging dort kurz vor Ladenschluss einkaufen und staunte darüber, dass noch alle Regale nahezu voll waren. Nach der Schliessung des Geschäfts wurden die vielen übriggebliebenen Backwaren weggeworfen.»

Für seine Doktorarbeit, die er im Dezember 2018 an der Uni präsentieren konnte, vertiefte er das Thema um den Aspekt der Umweltauswirkungen der Lebensmittelverschwendung. «Der Verschwendungswahnsinn ist nicht mehr auf einzelne Akteure beschränkt: Er hat sich als Folge des Überflusses ausgeweitet und prägt nun unsere ganze Lebensmittelkette. Die reicheren Staaten können es sich leisten, Lebensmittel beliebig zu importieren, bis alle Regale in den Läden dauernd voll sind», schildert Beretta.

Auch wir Konsumenten seien dadurch immer anspruchsvoller und wählerischer geworden. «Bevor heute ein Apfel in einem Supermarkt landet, wird er mit Hilfe von 50 elektronischen Fotos untersucht, ob er auch wirklich alle ästhetischen Anforderungen erfüllt. Der Preis für sein makelloses Aussehen ist der Einsatz von Pestiziden. Ich kaufe lieber einen Apfel im Bioladen, der vielleicht nicht perfekt aussieht, aber besser schmeckt und weniger Umweltschäden hinterlässt», sagt Claudio Beretta. 2012 hat er zusammen mit Gleichgesinnten den Verein «foodwaste.ch» gegründet, dessen Präsident er ist. Der Verein will ein Bewusstsein für das Problem der Lebensmittelverschwendung schaffen.

«Ich esse gerne»
«Es gibt viele Gründe, wieso Lebensmittel im Abfall landen. Sie alle haben mit unserem Lebenswandel und dem Wirtschaftssystem zu tun. Heute ist alles schnelllebiger, das macht es schwieriger, zu planen.» Ein Problem sei, dass der Konsument häufig zu viel einkaufe, die Supermärkte seien darauf ausgerichtet, uns zu verführen. «Bevor man in den Laden geht, sollte man deshalb einen Blick in den Kühlschrank werfen, um zu sehen, was noch da ist.» Viele Menschen hätten auch den Bezug zur Landwirtschaft und zu den Lebensmitteln verloren. Beretta will nicht missionieren, aber die Probleme aufzeigen. «Um langfristig etwas zu erreichen, müssen wir bei der Bildung in der Schule ansetzen. Hauswirtschaft ist ein sehr wichtiges Fach.»

Der angehende Doktor ist Vorstandsmitglied der Grünen in Möhlin und Delegierter der Grünen/Schweiz. Er selber verzichtet weitestgehend auf den Verzehr von Fleisch, da die Umweltauswirkungen besonders gross seien. Dafür kauft er möglichst lokal und saisonal ein. In Zürich bezieht er das Gemüse von einem Ökohof, auf dem er gelegentlich mitarbeitet. «Wenn man bei kalten Temperaturen beim Jäten des Nüsslisalats hilft, dann weiss man den Wert des Produkts zu schätzen.» Er ist aber kein Kostverächter, wie er betont: «Ich esse gerne und versuche möglichst vielfältig und kreativ zu kochen und zu backen.» Daneben bewegt er sich viel in der Natur und reist leidenschaftlich gerne – am liebsten mit dem Velo.

Seine berufliche Zukunft ist derzeit offen. Aktuell hat er noch eine Anstellung an der ETH. Sein Fachwissen möchte er künftig für eine nachhaltigere und umweltschonendere Lebensmittelproduktion einsetzen – auch eine Kombination mit einer Lehrtätigkeit kann er sich vorstellen. «Das Potential zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung ist riesig», davon ist Beretta überzeugt.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote