Eine 8000 Kilometer entfernte Liebe

  11.12.2018 Stein

Eike-Olaf Tillner wandelt auf den Spuren indischer Vorzeit

«Expedition in die indische Vorzeit» titelt ein Filmvortrag, der morgen Mittwoch, 12. Dezember, in Wölflinswil zu sehen ist. Erzählt wird die Geschichte einer österreichisch-schweizerischen Expedition, die 1983 die Kunst der vorgeschichtlichen Menschen in Zentral- und Südindien erforschte. Der Steiner Arzt Eike-Olaf Tillner hat die Expedition damals als wissenschaftliches Mitglied und als ärztlicher Betreuer begleitet.

Hildegard Siebold

Eike-Olaf Tillner ist seit fast 50 Jahren als praktischer Arzt für Allgemein- und Komplementär-Medizin in Stein tätig. Daneben trieb ihn Zeit seines Lebens die Faszination für die Archäologie und Urgeschichte Indiens um. Geboren wurde Eike-Olaf Tillner 1935 auf der Insel Sumatra, damals Niederländisch-Indien. Dorthin waren seine Eltern – sein Vater war gebürtiger Wiener, seine Mutter Südtirolerin – wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Österreich ausgewandert. Sein Vater arbeitete als Administrator auf Öl- und Tabakplantagen, bis er 1941 kriegsbedingt zivilinterniert wurde. Eike-Olaf Tillner und seine Mutter fanden ein neues Zuhause in der japanischen Stadt Kobe. Dort ging der Bub in die Schule und lernte die Sprache. «Als Fünfjähriger sprach ich fliessend holländisch, deutsch und malaiisch», erzählt er. Erst 1947 fand die Familie in Österreich wieder zusammen. Mit seinen mittlerweile zwölf Jahren lebte Eike-Olaf Tillner zum ersten Mal in seinem Heimatland. Nach der Schule studierte er Medizin und hängte wegen seines grossen Interesses für die Archäologie und Urgeschichte einige Semester dieser Fächer an. Die faszinierenden Erzählungen seines Vaters veranlassten ihn, 1958 das Medizin-Studium in Graz zu unterbrechen und mit einem Freund per Autostopp nach Indien zu reisen. Acht Monate waren die beiden unterwegs, um das Land zu entdecken und Freundschaften zu schliessen. Der Vater steuerte das Taschengeld bei und eine Tante gab dem 23-jährigen eine Dose Ovomaltine und 500 Schillinge mit auf die Reise. Beruflich fand Eike-Olaf Tillner seine Heimat in der Schweiz.

Sesshaft in Stein
1969 übernahm er die Praxis des bekannten Landarztes Dr. Bolag, wo er bereits zuvor als Praxisassistent gearbeitet hatte. Die grenznahe Gemeinde Stein gefiel ihm. «Wien war im Osten vom eisernen Vorhang umgeben, hier konnte man zu Fuss über die Grenze. Der Rhein, der Schwarzwald, die Nähe zu Basel, das war für mich die totale Freiheit, die mich nach Stein lockte», erzählt er. Immer wieder zog es Eike-Olaf Tillner in der Zukunft nach Indien. Anfang der 60er Jahre half er in Südindien beim Aufbau eines ländlichen Gesundheitszentrums. An den Wochenenden besichtigte er mit einem indischen Kollegen Tempel und Felsmalereien. Das weckte endgültig seine Faszination und er begann sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Ganz gezielt unternahm er 1974 mit zwei Kollegen – dem Arzt Hans Zink und dem Schupfarter Automechaniker Max Ruflin – mit dem VW-Bus von Stein aus eine Vorexpedition nach Indien, um Wege und Strassen zu Felsmalereien zu erkunden. «Wir wussten, es gibt da Felsenbilder, aber nicht genau wo», erzählt er.

Dreimonatiges Abenteuer
1983 folgte dann die grosse Expedition. Sechs Europäer machten sich mit einem Mercedes-L406-Diesel-Lkw auf zu einem dreimonatigen Abenteuer nach Zentral- und Südindien, um wenig erschlossene Felsbildstellen im nördlichen Südindien und die Gravuren der Edakalhöhle in Kerela zu untersuchen und in einem Dokumentarfilm festzuhalten. Mit im Gepäck hatten sie 5000 Meter Film und einen Auftrag vom Südwestfunk Stuttgart für die Serie «Menschen, Länder, Abenteuer». Geschnitten wurde der Film später in Zürich beim Schweizer Fernsehen. Erst einmal galt es jedoch, das Ziel zu erreichen. Getreu dem Motto: «Das Beste, was man von einer langen Reise mit nach Hause bringen kann, ist die heile Haut» galt es stets, die Kräfte, die Gesundheit und die Möglichkeiten im Blick zu behalten. Die erste unvorhergesehene Situation trat bereits vor der Abfahrt ein. Die politische Lage am Persischen Golf verhinderte die Fahrt auf dem Landweg. «So beschlossen wir Ende Oktober, den Lkw kurzerhand von Triest nach Karatschi zu verschiffen», erzählt Eike-Olaf Tillner. Drei Teilnehmer flogen nach Karatschi, um den Wagen in Empfang zu nehmen und weiterzufahren. Ende Dezember fand die sechsköpfige Crew auf dem Flugplatz in Neu-Dehli aufeinander. Jetzt konnte es losgehen. Die abenteuerliche Fahrt Richtung Südindien führte durch urtümliche Landschaften mit grossartigen Felsformationen, geheimnisvollen Höhlengravuren sowie ausgedehnten Megalith-Grabfeldern. Probleme und Hindernisse blieben bei der Erforschung der indischen Vorzeit nicht aus. «Aber in Asien lernt man schnell, zu improvisieren», schmunzelt Eike-Olaf Tillner, wenn er sich zurückerinnert, wie der Wagen bei der Überquerung einer Furt einbrach, wie das Hauptblatt der linken Vorderfeder brach oder ein Weiterkommen wegen einer eingestürzten Brücke unmöglich war.

Rückblickend ist Eike-Olaf Tillner die grosse Friedfertigkeit und Gastfreundschaft der Inder im Gedächtnis geblieben. Als sie sich mit ihrem fahrenden Motel – der Lkw war einfach, aber mit genügend bequemen Schlafplätzen ausgebaut – eines Nachts verfuhren, fanden sie sich mitten in der Nacht am Tisch eines Hauses vor einem köstlich duftenden Currygericht wieder. Die Expedition hat ihr Programm soweit es technisch möglich war, ausgeführt. «Ohne die Hilfe und den Einsatz unserer indischen Freunde und Helfer wäre die Ausbeute sicher nicht so umfassend gewesen», bilanziert Eike-Olaf Tillner im Rückblick auf eine Reise in die indische Vorzeit.

Tipp:
Expedition in die indische Vorzeit:
Dokumentarfilm von und mit Eike-Olaf Tillner, Mittwoch, 12. Dezember, 19.30 Uhr, Altes Gemeindehaus Wölflinswil.

 

 


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