Das ist bedenklich

  28.12.2018 Leserbriefe

Schon mit dem Titel zu ihrem Kommentar über das neue Einbürgerungsgesetz bestätigt Grossrätin Desirée Stutz den Eindruck, dass sie wie zahlreiche andere Politikerinnen und Politiker den Unterschied zwischen Integration und Assimilation nicht versteht. Während Integration eine kulturelle und soziale Offenheit und Bereitschaft zum Austausch beschreibt, sieht die Assimilation (Anpassung) eine unreflektierte Übernahme sämtlicher gesellschaftsrelevanter Werte vor. Im Bereich der Migration ein völlig utopisches Konzept. Als weltoffener und toleranter Mensch sehe ich die einheimische Gesellschaft in der Pflicht ihre Wertehaltung zu kommunizieren und vorzuleben, aber sich auch auf die Dazugekommenen einzulassen und in Kombination mit den Vorzügen ihrer Kulturen neue, gemeinsame Werte für die Gesellschaft zu formulieren. Gleichwohl bedeutet Integration auch, nicht einfach die Entstehung von Parallelgesellschaften oder die Unterwanderung der geltenden Rechtsordnung akzeptieren zu müssen. Genau deshalb ist Integration ein fortlaufender Prozess ohne Endzustand und «Belohnung». Ohne ständige Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur und den bislang gültigen Werten, ist das Vorhaben allerdings zum Scheitern verurteilt.

Liebe Frau Stutz, mit gezielten Fragen Ängste in den Menschen zu schüren, dass sie künftig von «fremden» Menschen regiert werden könnten, zählt übrigens nicht zu einer schweizerischen Tugend. Nun denn, zurück zum eigentlichen Thema, dem Einbürgerungsgesetz.

Die Vorstösse aus den Reihen der CVP beweisen, dass dieses Thema den bürgerlichen Parteien nur noch zu Wahlkampfzwecken dient. Der Erhalt der Staatsangehörigkeit steht, wie Frau Stutz korrekt beschreibt, für die Identifizierung und Eingliederung in die hiesige Gesellschaft. Traditionen und Gepflogenheiten zu kennen, die Gesetze zu achten oder sich in einer Landessprache verständigen zu können, gehören auch dazu. In welchem Zusammenhang steht dazu allerdings die finanzielle Lage der Antragstellenden? Viele Migrantinnen und Migranten leben oder lebten Teile ihres Lebens am Existenzminimum. Ein Teil davon hat vielleicht auch schon einmal Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen bezogen. Mit der Einbürgerung ändert sich an diesen Realitäten leider nichts. Welche Geister beschwören die Bürgerlichen unter Führung der SVP und neuerdings auch der CVP herauf? Die Menschen erhalten mit dem Schweizer Pass weder besseren Zugang zum Sozialsystem, noch sind sie mit der Rückzahlung automatisch besser integriert. Mit der weitreichenden Regelung, dass Personen erst zehn Jahre nach dem Austritt aus der Sozialhilfe und der vollständigen Tilgung der Kosten einen Einbürgerungsantrag stellen können, werden Realitäten mit Wunschvorstellungen vermischt. Als gäbe es keine Schweizerinnen und Schweizer, die auf wirtschaftliche Unterstützung angewiesen sind oder wollen sie uns gar glauben machen, dass finanziell unabhängige Migrantinnen und Migranten generell besser integriert sind? Um integriert werden zu können, benötigen die Menschen Mitspracherechte und einen gleichwertigen Status innerhalb der Gesellschaft. Mit einer trügerischen und ausgrenzenden Politik wie sie die grossen bürgerlichen Parteien betreiben, verunmöglichen sie jedoch solche Entwicklungen bereits am Ursprung. Besonders, dass die CVP, mit ihren christlichen Werten und zahlreichen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern in sozialen Hilfswerken, der SVP und FDP in dieser Sache sogar noch vorauseilt, ist bedenklich. Es bleibt zu hoffen, dass sie über die Festtage zur Erleuchtung kommen und die Vernunft wieder Einzug hält.

ROLF SCHMID, WIL


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