«Wenn ich gebraucht werde, bin ich da»

  13.12.2018 Persönlich, Zeiningen

Angela Rauschenbach: der helfende Engel in Zeiningen

Vor fast 14 Jahren kam sie mit ihrer Familie von der ehemaligen DDR via Bayern ins Fricktal. Zwischenzeitlich fühlt sich Angela Rauschenbach so stark mit ihrem Dorf Zeiningen verbunden, dass sie sich nicht vorstellen könnte, irgendwann hier wegzuziehen.

Janine Tschopp

In der gemütlichen Dachwohnung ist es weihnächtlich dekoriert, und schon am Vormittag brennen überall Kerzen. Auf dem Tisch steht ein Teller mit Stollen und Mohnplätzchen bereit. «Bei uns sieht es in der ganzen Adventszeit so aus», erklärt Angela Rauschenbach. Die Art, die Wohnung in der Adventszeit zu schmücken sowie das Gebäck sind Erinnerungen an die Heimat. Angela, oder Gela, wie sie sich gerne nennt, wohnte mit ihrer Familie bis 2002 in einem «ganz kleinen Dorf» in der ehemaligen DDR. «Alt-Geringswalde liegt zwischen Chemnitz, Leipzig und Dresden. Dort wohnen noch weniger Menschen als in Zeiningen», sagt sie in ihrem herrlichen Dialekt, der für uns Schweizer nicht immer ganz einfach zu verstehen ist.

«Durch die Wende gab es keine Arbeit mehr bei uns. Wir mussten aber unsere Familie ernähren, also zogen wir weg», beschreibt sie. Eine Nichte, die in Bayern wohnte, unterstütze die Rauschenbachs dabei, eine Stelle zu finden. «Mein Mann ist an den Wochenenden regelmässig vom Osten nach Bayern gefahren, um Bewerbungstermine wahrzunehmen.» Dann fand er bei einer Firma Arbeit, die Sudhäuser für Brauereien baute. So lebte die Familie von 2002 bis 2005 in Bayern.

Das Geld war immer noch knapp, und Gelas Mann suchte eine berufliche Veränderung. Er fand bei der Firma MCE eine Stelle als Teamleiter Anlagenbau auf einer Baustelle bei der Firma Roche in Basel und eine kleine Wohnung in Möhlin. Im März 2006 zogen auch Gela und ihr damals fünfjähriger Sohn nach Möhlin. Der Wechsel nach Zeiningen folgte 2013. Gela Rauschenbach hat auch eine Tochter aus erster Ehe, die heute 31-jährig ist und in Österreich lebt.

Dem Dorffest sei Dank
«Wann hast Du schon die Möglichkeit, bei einer 800-Jahr-Feier eines Dorfes mitzuwirken?». «Wann hast Du Gelegenheit, viele Dorfbewohner kennenzulernen?». Die Beantwortung dieser beiden Fragen machte es für Gela und ihren Mann Jörg Rauschenbach schnell deutlich, dass sie sich als Helfer beim Dorffest «800 Jahre Zeiningen» engagieren wollten.

So half Gela in der Dekorationsund Gartengruppe mit, und Jörg unterstützte den Bauverantwortlichen des OKs. Viele Stunden, Tage und Nächte war Gela Rauschenbach dann für ihr Dorf auf den Beinen. Am Montag nach dem Fest fuhr sie zusammen mit OK-Mitgliedern und Helfern auf einem Traktor durchs Dorf, um die Festdekorationen an die Bevölkerung zu verkaufen. «Wenn ich gebraucht werde, bin ich da», ist ihre Einstellung.

In Zeiningen wurde heuer bei der Pizzeria während den Fussball-Weltmeisterschaften erstmals ein «Public Viewing» lanciert. «Wenn Ihr Hilfe braucht, sagt es», war auch dort ihr Angebot. Und tatsächlich stand sie auch bei der Zeininger «Tschutti-Hütte» an unzähligen Abenden im Einsatz.

«Das Dorffest war genial», sagt sie an diesem Morgen im Advent, mit leuchtenden Augen. Sie erzählt, dass sie das OK auch noch nach dem Fest unterstützte, so zum Beispiel an dem Wochenende, als der Dorffest-Film in der Turnhalle gezeigt wurde. «Wir sind eine grosse Familie geworden. Ich könnte mir nicht vorstellen, von Zeiningen wegzuziehen. Jetzt nicht mehr», sagt sie ganz überzeugt. An der Wand im Wohnzimmer hängt ein Bild «Picknick über Zeiningen», welches sie von Andy Kägi und den Zeininger Künstlern Harry und Steph Hermes für ihre Hilfe in der Art-Zone erhalten hat. Auch das Spiel, das von Steph Hermes speziell fürs Dorffest kreiert wurde, hat einen Ehrenplatz in Rauschenbachs Wohnzimmer erhalten. «Wir sind stolz auf Zeiningen», sagt die 52-Jährige.

Im Einsatz für die Pro Senectute
Gela Rauschenbach arbeitet für die Pro Senectute Aargau und unterstützt Menschen bei der Arbeit im Haushalt. Ihre Kunden sind in Zeiningen, aber auch in Wegenstetten, Hellikon, Kaiseraugst, Möhlin und Stein. «Das gefällt mir. Ich kann die Leute dabei unterstützen, in den eigenen vier Wänden zu bleiben anstatt in ein Heim ziehen zu müssen», sagt Gela Rauschenbach. Ob bügeln, putzen, Wäsche aufhängen, einkaufen, Geschirr waschen oder spazieren. Sie ist für ihre Kunden da und dafür besorgt, dass sie sich zu Hause wohlfühlen. «Das Menschliche ist ein grosses Bedürfnis», stellt sie fest und trinkt auch gerne einmal einen Tee oder einen Kaffee mit den älteren Personen. «Wenn die Kunden reden möchten, bleibe ich auch gerne einmal etwas länger.»

Was macht Gela Rauschenbach, wenn sie nicht arbeitet und auch nicht für ihr Dorf unterwegs ist? Für Hobbys bleibe der Familienfrau nicht sehr viel Zeit, weil sie praktisch jeden Tag für die Pro Senectute im Einsatz steht. «Ich reise gerne in die Toskana», nennt sie ihre Lieblingsdestination. «Ich habe schon viele andere Orte angeschaut. Es gefällt mir aber nirgends so gut wie in der Toskana», ist sie überzeugt.

Nach dem Gespräch gibt es nochmals einen Kaffee und das feine Weihnachtsgebäck aus Gela Rauschenbachs Heimat. Was hat sie heute noch auf dem Programm? «Backen fürs Adventsfenster von morgen», sagt sie, verrät aber nicht, was es geben wird. Klar ist, dass sie und ihr Mann am nächsten Tag zusammen mit dem Dorffest-OK vor Ort und dafür besorgt sein werden, dass alle gut versorgt und verpflegt sind. Angela, wie ein Engel, der immer genau dann da ist, wenn er gebraucht wird.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote