«Die Vorbildfunktion des Schulleiters ist wichtig»

  10.12.2018 Gansingen

An einer integrativen Schule werden auch die Lehrpersonen integriert

Urs Ammann gibt Einblick in die Aufgaben eines Schulleiters und spricht sich klar gegen die geplante Abschaffung der Schulpflegen aus. Deren Volkswahl sei eine wichtige Legitimation.

Dieter Deiss

Im grosszügigen Lehrerzimmer im Schulhaus von Gansingen sitze ich mit Schulleiter Urs Ammann am Tisch. Er kommt eben von einem Gespräch mit einem seiner Lehrer. Es klopft kurz, herein tritt ein junger Lehrer, legt meinem Gesprächspartner eine Mappe voller Blätter auf den Tisch und verabschiedet sich sogleich wieder. Urs Ammann ruft ihm nach: «Ich danke dir für das gute und interessante Gespräch.» Zuoberst in der Mappe liegt ganz offensichtlich eine statistische Auswertung. Da gibt es eine klar definierte Mitte, auffallend das Kreislein links aussen genauso wie dasjenige rechts aussen. Urs Ammann wird später erklären, dass dies Auswertungen eines Checks sind. Das Kreislein links steht für einen Schüler, der unterdurchschnittlich abgeschlossen hat, dasjenige rechts für eine klar überdurchschnittliche Leistung. Gemeinsam mit dem Schulleiter sind im soeben stattgefundenen Gespräch Massnahmen besprochen worden, wie man dem schwachen Schüler helfen kann und wie man bei dem im Test überdurchschnittlichen Schüler einer Unterforderung entgegentreten könnte.

Bindeglied zwischen den verschiedenen Ebenen
«Ich sehe mich in erster Linie als Bindeglied zwischen Schülern, Eltern Lehrpersonen und Behörden», umschreibt Urs Ammann in knappen Worten seine Aufgabe als Schulleiter der Primarschule Gansingen. «Ich versuche den gegenseitigen Verschleiss der verschiedenen Gruppen möglichst klein zu halten.» Im Zentrum stehe aber stets das Interesse der Kinder. Die «Verweildauer» der Lehrpersonen und Behördenmitglieder werde zunehmend kürzer. Da sei es wichtig, dass jemand vor Ort ist, der das ganze Gebilde zusammenhält. Der Schulleiter habe sich zu Gunsten einer gut funktionierenden Schule möglichst neutral zu verhalten.

Ammann verweist darauf, dass die Ansprüche an die Schule stetig steigen. Nur eine Professionalisierung der Schule, verbunden mit einem tragenden Qualitätsmanagement, erlaube die nötige Schulentwicklung. «Früher war die Rollenverteilung klar: Die Eltern waren für die Erziehung der Kinder zuständig und die Schule für deren Bildung.» Heute übernehme die Schule gezwungenermassen auch Teile der Erziehung. Dies wiederum führe unweigerlich zu Konflikten.

Nicht «Boss», sondern Patron
Früher war der Rektor der Primus inter Pares, also so etwas wie der Höhere unter an sich Gleichgestellten. Demgegenüber ist der Schulleiter der Chef der Schule. Im Gegensatz zum Rektor, der keinerlei Weisungsbefugnisse hatte, verfügt der Schulleiter durchaus über entsprechende Kompetenzen. Ammann sieht sich freilich nicht als grossen «Boss» der Schule, sondern als Patron und Vermittler. «Die Beziehungsarbeit ist der Schlüssel zum Erfolg. Diese muss deshalb gut funktionieren», betont er. Wichtig ist ihm aber auch ein partnerschaftliches Verhältnis. «Wenn das Verhältnis Eltern-Lehrpersonen nicht funktioniert, dann sind die Kinder die Verlierer», betont er. In einem Konfliktfall versuche er so zu vermitteln, dass es am Gesprächstisch keine Verlierer gebe. Alle Parteien müssen nach einer gemeinsamen Besprechung Aufgaben mit nach Hause nehmen.

«Die Vorbildfunktion des Schulleiters ist wichtig. Man muss zuhören und immer wieder nachfragen», erklärt Urs Ammann auf die Frage, wie man dieser schwierigen Aufgabe überhaupt gerecht werden kann. Wichtig sei zudem das Klären von Begriffen. Oft werde aneinander vorbeigeredet, müsse heute doch alles schnell gehen. «Als Schulleiter nehme ich auch direkt Einfluss auf den Unterricht. Gibt es im Schulzimmer Probleme, so ist es meine Aufgabe, gemeinsam mit dem betroffenen Lehrer nach Lösungen zu suchen», betont Ammann. Es sei falsch, bei auftretenden Schwierigkeiten eine Lehrerin oder einen Lehrer einfach an die nächste Schule weiterzureichen. Schlimmstenfalls könne es freilich auch nötig sein, eine Lehrperson aus dem Beruf «herauszuführen». Auch hier biete er Betroffenen seine Unterstützung an.

Gegen die «Wegwerfmentalität»
Auf das Schulleiterkarussell angesprochen, das sich in einzelnen Gemeinden des Fricktals teils recht heftig dreht, meint Urs Ammann: «Ich ging nie an eine Schule und hatte eine Vision. Zunächst schaute ich mich um, hörte genau hin und versuchte danach das Bestmögliche zu machen.» Er verwendet dazu das Beispiel des FC Sion, wo Trainer kommen und gehen. Diese «Wegwerfmentalität» dürfe in den Schulen nicht Einzug halten. Das «Feintuning» mit Lehrpersonen könne man nur machen, wenn das System stabil sei. Am Wichtigsten sei zudem: «Man muss Menschen mögen.» Er selbst habe weder ein Idealbild eines Lehrers, noch eines Schulleiters. So sei er – so oder so – unvoreingenommen, und man höre ihm eher zu.

Trotz allem müsse ein Schulleiter Ecken und Kanten haben. «Man darf allerdings nicht mit dem Kopf durch die Wand, da dadurch letztlich der Schädel flach werde», meint er schmunzelnd. Die heutigen Lehrpersonen sind dafür ausgebildet, dass sie nicht mehr alleine in ihrem klar abgegrenzten Reich still für sich arbeiten. Heute gebe es zudem viele Teilzeitpensen, da sei ein Schulleiter, der die Koordination übernimmt, sehr gefragt. Wichtig sei aber auch die Entlastung der Lehrpersonen vom administrativen Kram. «Ich arbeite an einer integrativen Schule, da werden eben auch die Lehrpersonen integriert», führt Ammann bildlich ins Feld.

Die beste Schulpflege der Welt
Die im Rahmen des Projekts «Änderung der Führungsstrukturen» geplante Abschaffung der Schulpflegen im Kanton Aargau erachtet Ammann als falsch. «Die Schulpflege ist für mich wie eine Echogruppe. Sie bringt mir die Stimmung aus dem Dorf. Viele Eltern benutzen zudem die Schulpflege gerne als erste, niedrigschwellige Ansprechstelle. Diese Meinungen und Stimmen sind für mich äusserst wichtig», betont der Schulleiter. Nicht zuletzt sei die Schulpflege vom Volk gewählt und habe dadurch eine hohe Legitimation. So ganz nebenbei bemerkt er dann noch: «Ich habe vermutlich die beste Schulpflege der Welt!» Das Amt des Schulleiters in Gansingen ist kein Vollzeitpensum. Urs Ammann unterrichtet deshalb an der Kreisschule Laufenburg Ethik und Religion sowie Französisch an der Real- und Sekundarschule. «Dies ist für mich eine tolle Ergänzung zu meinem Verwaltungsjob. So bleibe ich am Puls der Schule», führt er dazu aus. Nein, er gerate dadurch nicht in Konflikt mit dem Laufenburger Schulleiter. Im Gegenteil, durch seine eigene Schulleitertätigkeit sei er vermutlich respektvoller gegenüber seinem Kollegen in Laufenburg. Er hege für diesen grosse Bewunderung. «Bevor man befehlen kann, müsse man gehorchen lernen», bringt Urs Ammann die Sache auf den Punkt.

Als Lehrer, aber auch als Schulleiter, ist es wichtig zu wissen, was sich ausserhalb der Schule abspielt, also in der Welt der Eltern der Schüler. So ist denn der bald Sechzigjährige Urs Ammann, der sich als Familienmensch bezeichnet und Vater von vier erwachsenen Kindern ist, in seinem Wohnort Bad Zurzach und dessen Umgebung bestens vernetzt. Mitarbeit in Zivilschutz- und Feuerwehr waren ihm ebenso selbstverständlich wie seine heutige Arbeit als Präsident der Energie- und Finanzkommission. Etliche Jahre gehörte er unter anderem auch dem Aargauer Care-Team an. Dass ihm die Umsetzung von Projekten liegt, bewies er mit seiner Mitarbeit in diversen Organisationskomitees von Grossanlässen. Nebst der Familie zählt er zu seinen Hobbys das Briefmarkensammeln und das Spielen, wobei er die Betonung auf den Jass legt.


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