Das wahrscheinliche Aus für den Rheinsteg

  20.11.2018 Rheinfelden

Der Gemeinderat von Badisch Rheinfelden hebt die Submission auf

Nach der unerwarteten Kostenexplosion vor dem Bau des Rheinstegs zwischen beiden Rheinfelden haben die badischen Politiker die Reissleine gezogen. Wenig Hoffnung birgt noch das direkte Gespräch mit den beiden Bieterfirmen.

Boris Burkhardt

Der Rheinsteg zwischen beiden Rheinfelden steht offiziell vor dem Aus. Der 32-köpfige Gemeinderat von Badisch Rheinfelden stimmte am Donnerstag einstimmig dafür, die europaweite Submission für das Bauwerk aufzuheben. Von 24 interessierten Baufirmen hatten nur zwei überhaupt eine Offerte abgegeben; die günstigste Bieterin, Strabag AG aus Österreich, lag mit rund zehn Millionen Euro weit über den vom Planungsbüro veranschlagten sechs Millionen Euro. Derartige Mehrkosten wollte keine der Gemeinderatsfraktionen den Rheinfeldern zumuten, zumal das Bauwerk auf badischer Seite deutlich umstrittener war als auf Schweizer und nur dank des nicht erreichten Quorums den dortigen Bürgerentscheid im Januar 2016 überstanden hatte. Die letzte Hoffnung liegt nun im Inoffiziellen: Das deutsche Recht, nach dem die Ausschreibung erfolgte, ermöglicht es den beiden Rheinfelden als Bauträgerinnen, bei einer derartigen Kostendifferenz direkt mit den beiden Unternehmen zu sprechen, um die Ursachen für die Verteuerung zu eruieren.

«Alles rausholen, was möglich ist»
«Hoffen ja, glauben nein», Karin Reichert-Moser (Freie Wähler) fasste am pointiertesten zusammen, was alle badischen Gemeinderäte über diese nachträglichen Gespräche denken. Sie äusserte ihren Frust gegenüber dem beauftragten Ingenieursbüro Miebach aus Nordrhein-Westfalen, das die Kostenschätzung erstellte, am deutlichsten: «Es hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, dass das Büro Miebach bereits im Vornherein wusste, dass wir sein Projekt nicht zum Preis von sechs Millionen Euro würden umsetzen können.»

Heinrich Lohmann sagte, seine Grünen-Fraktion neige zum Abbruch des Projekts: «Wir wollen der Stadtverwaltung aber die Chance geben, noch alles rauszuholen, was möglich ist.» Beide Politiker sprachen auch die Haftung für die bisher entstandenen Planungskosten von etwa einer Million Euro in beiden Städten an, 750 000 davon auf der badischen Seite. Oberbürgermeister Klaus Eberhardt bestätigte, dass die Stadt bereits die rechtlichen Möglichkeiten einer Regressforderung erörtere.

Die beiden Städte werden nach Auskunft Eberhardts nun direkt mit der Strabag AG oder beiden Bieterinnen (nach Europarecht wird bei Submissionen nur der Sieger öffentlich genannt) Gespräche führen – ohne Planungsbüro. Die Federführung liegt bei Badisch Rheinfelden. Eberhardt setzt darauf, dass derart grosse Baufirmen selbst Ingenieure haben, die die Kostendifferenz erklären und nach Lösungen suchen könnten. Auch Roger Erdin, Stadtschreiber im Schweizer Rheinfelden, erhofft sich in dem Gespräch Hinweise, «wo man den Bau anpassen könnte, um auf ein günstigeres Ergebnis zu kommen.»

Künftig bessere Konditionen?
In der Schweizer Stadtverwaltung gebe es verschiedene Thesen, was für die Verteuerung verantwortlich sein könnte, die man nun im Gespräch mit Strabag erörtern wolle. Eine weitere Hoffnung, die im badischen Gemeinderat bisher nicht zur Sprache kam, hegt Erdin im Hinblick auf den Zeitpunkt der Ausschreibung: «Offensichtlich ist die Nachfrage in der Baubranche derzeit sehr hoch. Vielleicht gibt es im Frühjahr oder 2020 bessere Konditionen.» Das Schweizer Rheinfelden habe von einem kurzzeitigen Tief der Baubranche bei der Sanierung der Roberstenstrasse profitiert und gegenüber dem Kostenvoranschlag sogar 1,9 Millionen Franken eingespart.

Auf Schweizer Seite spüre man die Enttäuschung über das drohende Aus für den Steg «in vielen Kreisen», sagt Erdin: «Die Menschen haben sich sehr auf den Steg gefreut. Ich wurde sogar von einem älteren Rheinfeldern sehnsüchtig gefragt, ob er den Bau wohl noch erleben werde.» Gross sei deshalb das Unverständnis, «dass man sich so verschätzen kann.» Auch für die Stadtverwaltung sei die Kostenexplosion eine «ausserordentliche Situation». Erdin verwahrt sich aber dagegen, dem Ingenieurbüro Miebach alle Verantwortung für die Mehrkosten anzukreiden, bevor die Gründe dafür nicht eruiert worden seien. Den Gedanken an einen Regress hält Erdin deshalb für verfrüht.

«Dann ist der Rheinsteg gestorben»
Während Eberhardt bald abklären will, wie es sich nach der Aufhebung der Ausschreibung mit den Fristen beim europäischen Interreg-Programm verhält, gibt es auf Schweizer Seite erstmal keinen Zeitdruck: Die zwei Millionen Franken aus der zweiten Etappe des Agglomerationsprogramms des Bundes sind laut Erdin auch bei einem Baubeginn in ein, zwei Jahren noch da; allerdings sei eine Aufstockung dieser Mittel zur Abfederung der Mehrkosten sicher nicht möglich. Sollten die Gespräche mit den Baufirmen keinen Erfolg bringen, brauche es nach dem Entscheid im badischen Gemeinderat auf Schweizer Seite keinen Beschluss mehr, sagt Erdin: «Dann ist der Rheinsteg gestorben.»


Grosses Bedauern
Monica Linder-Guarnaccia bedauert «die Umstände enorm». Auf Anfrage der NFZ bestätigte die Geschäftsführerin der Internationalen Bauausstellung 2020 Basel (IBA), dass beide Rheinfelden den Architektenwettbewerb für den Steg «vorbildlich und unglaublich innovativ» organisiert hätten. Der Rheinsteg ist Teil des IBA-Projekts «Rheinufer extended», das die Aufenthaltsqualität an beiden Ufern zwischen Basel und Bad Säckingen aufwerten soll. «Selbstverständlich wäre der Verlust des Rheinstegs einschneidend», sagt Linder-Guarnaccia. Das Positive an der interkommunalen und grenzüberschreitenden Planung sei aber, dass die Projekte in anderen Kommunen bestehen blieben. (bob)


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