«Die eigenen Grenzen kennen, respektieren und kommunizieren»

  29.10.2018 Mettau

«Pflegende Angehörige zwischen Verantwortung und Überlastung». Anhand eines Fallbeispiels wurde in Mettau eindrücklich gezeigt, worauf es zu achten gilt, damit die pflegenden Angehörigen nicht plötzlich «am Rad drehen» und selber krank werden.

Bernadette Zaniolo

Nicole Schneider, Leiterin Soziale Dienste der Gemeinde Mettauertal konnte am Mittwochabend zirka 80 Personen zum jährlichen Infoabend der Gemeinden Gansingen, Mettauertal und Schwaderloch begrüssen. Als Einstieg wartete Sira Musso, Sozialarbeiterin bei der Pro Senectute des Bezirks Laufenburg in Frick, mit Zahlen und Fakten auf. Im Jahr 2013 pflegten in der Schweiz 171 000 Personen ihre Angehörigen in ihrem Haushalt. Dies bedeutet auch 42 Millionen Stunden unbezahlter Arbeit für pflegebedürftige Personen im gleichen Haushalt. 21 Millionen Stunden wurden aufgebracht für Menschen ausserhalb des eigenen Haushaltes. «Zusammen beträgt der Wert dieser freiwilligen Arbeit 3,6 Milliarden Franken», sagte Sira Musso. Gleichzeitig machte sie klar: «Auf die freiwillige Pflege und Betreuung von älteren Menschen in privaten Haushalten kann das Schweizer Gesundheitssystem nicht verzichten.» Anhand eines Fallbeispiels (des 84-jährigen Hans und seiner 82-jährigen Frau Irene sowie deren Töchter Claudia und Ruth, welche selber auch schon 54 und 57 Jahre alt sind) zeigte sie auf eindrückliche Art auf, dass die Pflege von Angehörigen und die damit einhergehende Verantwortung eine grosse Herausforderung ist. Dies nicht nur für den Lebenspartner oder Ehemann, sondern auch für die «Kinder», besonders wenn diese noch im Erwerbsleben stehen.

«Hans» macht sich grosse Sorgen
«Im Leben passieren manchmal Sachen, die man nicht geplant hat», so Musso. So auch bei Hans und Irene. Denn Hans macht sich grosse Sorgen um seine Frau. Sie vergisst vieles und er weiss, sie braucht seine Unterstützung. Das macht er zwar gerne, schliesslich hat man sich ja das Versprechen gegeben, in guten wie in schlechten Zeiten für einander da zu sein. Doch Hans hat selber ein Problem. Denn er muss seine Hüfte operieren lassen und anschliessend einige Zeit in die Reha. «Wer kümmert sich in dieser Zeit um meine Frau», ist eine seiner grossen Sorgen. Dies raubt ihm gar den nächtlichen Schlaf und damit eigentlich die «beste Medizin», so Musso.

Die Unterstützungsversuche der beiden Töchter scheitern an der Sturheit oder am Stolz der Mutter. Einerseits will sie niemandem zur Last fallen und andererseits findet sie, dass sie keine Hilfe braucht.

Sira Musso zeigte auf, wie sich Überbelastung der Angehörigen bemerkbar macht. Sie rief eingehend dazu auf, die Anzeichen von Erschöpfung ernst zu nehmen. Zudem: «Die eigenen Grenzen kennen, respektieren und kommunizieren.» Das heisst, mit anderen Menschen darüber zu reden und Hilfe anzunehmen. Damit gab sie das Wort weiter an Regula Weber, Co-Leiterin der Spitex Region Laufenburg. Anhand des Beispiels von Hans und Irene demonstrierte sie den Anwesenden, welche Pflege und Betreuungsangebote die Spitex bietet. Sie machte auch klar, dass die Spitex die Pflege und Betreuung nicht alleine übernehmen kann. Nebst der Spitex bieten die Pro Senectute (etwa Demenzberatung, administrativen Dienst, Sozialberatung, Mahlzeitendienst und so weiter), das Schweizerische Rote Kreuz SRK (Notruf, Tagesstätte für Betagte, Fahrund Entlastungsdienste), Alzheimer Aargau, Entlastungsdienst AG/SO, Alters- und Pflegeheime sowie Procap Nordwestschweiz eine Vielzahl von Unterstützung (teils auch in finanzieller Form) und Entlastung.

Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag
Im Zusammenhang mit der Pflege von Angehörigen zeigt sich auch, wie wichtig es ist, sich frühzeitig mit Patientenverfügung, Vorsorgeauftrag und so weiter auseinanderzusetzen. Einen wichtigen Hinweis gab Musso auch in Bezug auf die Finanzen. Viele wüssten nicht, dass man nebst Ergänzungsleistungen auch Hilflosenentschädigung – Letztere sei unabhängig von Einkommen und Vermögen – beantragen könne. Im Fall einer Demenzerkrankung seien die Voraussetzungen für die Hilflosenentschädigung schnell gegeben.

Im Anschluss an die Referate «stürzten» sich die Anwesenden nicht aufs feine Apéro-Angebot, sondern vielmehr auf die Broschüren und nutzten rege die Gelegenheit zum Gespräch mit den beiden Referentinnen und weiteren Personen diverser Fachstellen.

Am 30. Oktober ist der Tag der pflegenden Angehörigen. Eine Wertschätzung für ihre grosse Unterstützung.


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