«Die Situation ist belastend»

  14.09.2018 Frick, Religion

Wenige Tage vor der Wahl traf die NFZ Johannes Siebenmann

Am 23. September entscheidet die reformierte Kirchgemeinde Frick über die Zukunft ihres umstrittenen Pfarrers Johannes Siebenmann. Im Gespräch erklärt Siebenmann, warum er darauf verzichtet, Angriffe gegen seine Person und Arbeitsweise zu kontern.

Simone Rufli

NFZ: Herr Siebenmann, wie geht es Ihnen?
Johannes Siebenmann:
Die Situation ist belastend und manchmal bin ich selber erstaunt darüber, dass ich das durchstehe. Wenn ich daran denke, dass ich am Wochenende nach dem sehr kräftezehrenden Diskussionsabend im Kirchgemeindehaus zwei Trauungen und einen Gottesdienst vor mir hatte... Es ist gut, dass es in wenigen Tagen zu einem demokratischen Entscheid kommt.

Haben Sie Ihren Entscheid, die Wahl zu erzwingen, noch nie bedauert?
Nein. Es ist mein Weg und ich bin bereit ihn zu gehen.

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Er sei gewarnt worden, sagt Siebenmann, es werde eine Schlammschlacht geben. Deutlicher will er nicht werden. Und dann stellt der Pfarrer eine Ge genfrage: «Würde das kirchliche Leben in Frick wirklich blühen, wenn Siebenmann weg wäre?» Überrascht worden sei er von der Dimension, von der Heftigkeit des Medienrummels. Davon, dass man auch jetzt noch nicht von ihm ablasse, wo seine Gegner sich ihres Erfolges doch längst sicher sein sollten.

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Wie geht Ihr Umfeld mit der Situation um?
Von Aussen betrachtet kann man mich als Narr bezeichnen, dass ich diesen Weg gewählt habe. Doch mein Weg ist ebenso der Innere. Es ist ein Erfahrungsweg. Diese Dinge gehören nicht an die Öffentlichkeit. Soweit wie möglich versuche ich, mein Umfeld aus der ganzen Situation rauszuhalten.

Sind Sie wirklich der Meinung, dass Sie im Falle einer Wiederwahl im inneren Kreis der Kerngemeinde ein Umdenken bewirken können?
Wenn der Entscheid gefallen ist, dann geht es nicht, dass weiter so schwarz gemalt wird. Dann müssen wir in die Zukunft gehen.

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Der Pfarrer hält inne, schüttelt den Kopf. «In der Politik wird es nicht akzeptiert, wenn Ehemalige den Aktiven dreinreden. Es muss dann damit aufhören, dass ehemalige Pfarrpersonen und Kirchenpfleger gegen mich ins Feld ziehen. Und es ist so, dass es auch in dieser Kirchgemeinde Menschen gibt, die mit mir und ich mit ihnen gut zusammenarbeiten würden.» Pfarrer Siebenmann bleibt während des ganzen Gesprächs sachlich. Ab und zu holt er Kopien von Briefwechseln hervor und wirkt damit dem Vorwurf entgegen, er sei nicht kritikfähig und gehe nicht wertschätzend mit der Meinung von anderen Menschen um. Er spricht von Enttäuschung, wenn er an gewisse Personen denkt, die ihn auf seinem Weg allein gelassen haben. Gleichzeitig will er aber ihre Namen nicht in die Öffentlichkeit tragen. Angesprochen auf den Leserbrief eines Pfarrkollegen, der in diesem gegen ihn ins Feld zieht, zeigt Siebenmann zwar klar sein Unverständnis. Den Angriff kontern, will er aber nicht.

Wenn Sie sich falsch verstanden und zu Unrecht kritisiert fühlen, warum wehren Sie sich nicht?
Johannes Siebenmann:
Vielleicht ist das schwer zu verstehen, aber ich lebe nach dem Evangelium. Es geht für mich nicht, Gottes Wort in der Predigt zu verkünden und im Alltag nach anderen Prinzipien zu leben. Ich hoffe darauf, dass die Stimmberechtigten ein faires Urteil fällen. Was ich brauche ist das Vertrauen einer Mehrheit der Stimmberechtigten und kein Erfolg vor einem Gericht.

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Die Kirche als Institution müsse selbstverständlich auch in Zukunft ihren Service Public aufrechterhalten. Gleichwohl sei die gesellschaftliche Entwicklung weg vom Gebäude Kirche als Haus aus steinernen Mauern nicht zu stoppen. Es sei nun einmal eine Tatsache, dass das Haus Gottes für immer mehr Menschen unabhängig von Raum und Ort entstehe. Es sei eine Tatsache, dass man Jugendliche je länger desto weniger dafür begeistern könne, am Sonntagmorgen um 9.30 Uhr in den Gottesdienst zu kommen. Es sei einfach, aber nicht korrekt, ihm in der Arbeit mit Jugendlichen mangelnde Beziehungsarbeit vorzuwerfen. «Warum melden sich ehemalige Konfirmanden bei mir, um mir ihre Unterstützung zu versichern? Warum begleiten mich ehemalige Konfirmanden als freiwillige Helfer in Lager?» Johannes Siebenmann formuliert es so: «Der Ort Gottes ist je länger je mehr dort, wo Menschen zusammen kommen und das Haus Gottes bauen.» Die Menschen zurück in die Enge der steinernen Kirchenmauern holen zu wollen, sei vergebliche Liebesmühe. Neue Formen des kirchlichen Lebens seien nötig. Dass er auf der Suche nach diesen neuen Formen ist, daraus macht Siebenmann keinen Hehl. Siebenmann spricht von einem grossen Gefälle innerhalb der Landeskirche. «Viele Menschen sind heute keine Kirchgänger mehr. Viele stellen sich – wie übrigens auch ich – gegen alles, was mit Zwang verbunden ist im religiösen Umfeld.» Er erinnert an das Bild vom Weinstock und der Rebe. «Wie die Bindung aussehen soll, ist nicht durch uns festzulegen.»

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Sie sind 58 Jahre alt. Wenn ein Arbeitnehmer mit 58 seinen Job verliert, wird es in der Regel schwierig.
Ich halte mich ans Evangelium. Ich spüre auf meinem Lebensweg eine Kraft, die mir immer genau dann gegeben wird, wenn ich sie brauche. Das ist der Grund, weshalb mich selbst im Wissen um diese Möglichkeit keine existenziellen Ängste plagen. Sicher würde es schwierig werden. Ich müsste mich mit dem Auszug aus dem Pfarrhaus befassen, müsste die Zukunft planen und gleichzeitig meine Arbeit in die Vorweihnachtszeit hinein weiterführen.


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