Planen und bauen für die Menschen

  07.09.2018 Rheinfelden

Pierre de Meuron und Hanspeter Flury debattierten

Wenn ein Architekt mit einem Psychiater diskutiert, wird es spannend. Dies zeigte sich am Mittwochabend in der Rheinfelder Stadtbibliothek. Pierre de Meuron und Hanspeter Flury verstanden sich prächtig. Beide plädierten für eine menschenbezogene Architektur.

Valentin Zumsteg

Was verbindet Architektur und Psychiatrie? Auf den ersten Blick nichts. Doch es gibt wichtige Überschneidungspunkte. Dies bewies die dritte Ausgabe der Diskussionsreihe «Fokus Fricktal», die von der Stadt Rheinfelden und der Neuen Fricktaler Zeitung am Mittwochabend durchgeführt wurde. «Bringt uns verdichtetes Bauen weiter – oder verbauen wir uns die Zukunft?», so lautete der Titel der Veranstaltung, die von Gaby Gerber souverän moderiert wurde. Über 100 Personen fanden den Weg in die Stadtbibliothek. Sie waren gespannt auf die Ausführungen von Architekt Pierre de Meuron vom Büro Herzog & de Meuron und von Psychiater Hanspeter Flury, Klinikdirektor bei der Schützen Rheinfelden AG.

«Wir machen das Glas, nicht den Wein»
«Der Mensch steht für uns im Vordergrund. Das ist keine Phrase», sagte Pierre de Meuron in seinem Inputreferat. Bei allen Projekten von Herzog & de Meuron gehe es darum, dass die geschaffenen Räume belebt werden. Er zeigte das an den Beispielen der Elbphilharmonie in Hamburg, der «Tate Modern» in London und des Nationalstadions in Beijng (Vogelnest). Diese Bauten werden von den Menschen angenommen, sie tragen zu einer Belebung bei und schaffen einen Mehrwert. «Man soll Architektur nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen.» Der Architekt schafft das Gefäss für den Inhalt oder wie es Pierre de Meuron bildhaft schilderte: «Wir machen das Glas, nicht den Wein. Es ist aber wichtig, dass es kein Plastikbecher wird.» Funktionalität und Ästhetik gehörten zusammen.

Herzog & de Meuron beschäftigt sich nicht nur mit einzelnen Bauten, sondern auch mit Städte- und Territorialplanung. «Bei der Städteplanung gibt es kein falsch oder richtig. Es gibt nur besser oder schlechter.» Pierre de Meuron will den Auftraggebern Optionen aufzeigen, was möglich ist und welche Folgen und Konsequenzen es hat. «Nach innen verdichten ist richtig. Die Landschaft ist die einzige natürliche Ressource, die wir haben. Wenn wir die Natur weiter verbauen, dann sägen wir am Ast, auf dem wir sitzen.» Sein Credo lautet deswegen: Bauen im überbauten Gebiet und in Ruhe lassen, was noch nicht überbaut ist. Man müsse aber jedes Gebiet einzeln anschauen. Es gebe kein Patentrezept.

Ein besonderes Anliegen ist ihm der Bahnknoten Basel. Er setzt sich dafür ein, dass der Bahnhof SBB durch eine direkte Linie mit dem Badischen Bahnhof verbunden und die Innenstadt mit S-Bahn-Stationen erschlossen wird. Der Architekt ist überzeugt, dass von diesem «Herzstück» die Stadt und die ganze Region profitieren würden. Bislang sei das Verständnis dafür in Bundesbern aber noch gering.

«Die Aussenwelt macht etwas mit der Psyche»
Hanspeter Flury brachte die medizinisch-psychologische Sicht ein: «Die Aussenwelt macht etwas mit der Psyche.» Wer in einer sehr grossen Stadt geboren wurde, hat im Vergleich zu Menschen aus ländlichen Regionen ein vier Mal so hohes Risiko, an Schizophrenie zu erkranken. «Menschen, die in einer grossen Stadt leben, sind gestresster. Aber auch Einsamkeit stresst.» Flury plädierte für eine sorgfältige, menschenbezogene Planung. «Das ist kein Luxus. Es braucht eine Architektur, die beseelt ist.» Eine anonyme, gesichts- und geschichtslose Architektur fördere die Vermassung und die Isolation. In diesem – und vielen anderen Punkten – waren sich die beiden Referenten einig. Sie sprachen sich dafür aus, die Bevölkerung bei der Planung teilhaben zu lassen. Dass ein grosses Interesse vorhanden ist, zeigte dieser anregende Abend. Viele Besucher diskutierten beim Apéro die aufgeworfenen Themen noch weiter.


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