Kritisierter Pfarrer stellte sich den Fragen

  06.09.2018 Frick

Eine Zukunft mit Johannes Siebenmann können sich die wenigsten der aktiven Kirchgemeindemitglieder vorstellen. Das wurde schnell klar, als der umstrittene reformierte Pfarrer am Dienstagabend im vollbesetzten Kirchgemeindehaus seine Kandidatur verteidigte.

Simone Rufli

«Es gibt keinen gemeinsamen Weg!», stellte eine neutrale Zuzügerin, fest. «Es ist zum Weinen, was hier passiert.» Von Vertrauensverlust war die Rede, mit Kirchenaustritt wurde gedroht, das Wort Intoleranz fiel. Ein letztes Mal vor den Wahlen am 23. September fanden sich viele Gegner und vereinzelte Supporter von Johannes Siebenmann am Dienstagabend im Reformierten Kirchgemeindehaus zusammen. Wer auf eine Annäherung der Standpunkte gehofft hatte, sah sich enttäuscht. Die Meinungen waren bereits gemacht, noch bevor Kurator Markus Fricker die 110 Interessierten begrüsst hatte und dann das Wort an Vize-Dekan Peter Weigl vom Dekanat Brugg übergab. Pfarrer Weigl führte als neutraler Moderator durch den Abend.

«Es ist möglich, konstruktiv weiter zu gehen»
Siebenmann – sichtlich mitgenommen von dem lange währenden Konflikt – gestand Fehler ein, betonte aber, dass er trotz allem eine Zukunft für sich sehe, und zwar in Frick. «Es ist möglich, konstruktiv weiter zu gehen», so Siebenmann. Auch gebe es durchaus Leute, die bereit wären, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Eine Lanze für den Pfarrer brach ein junger Mann, der des Pfarrers Engagement in der Jugendarbeit lobte und der gerne mit ihm weiter arbeiten würde. Lobende Worte fanden auch der Organist und einmal mehr Eltern von Konfirmanden. Im Übrigen aber hagelte es Kritik. Als sein echtes Interesse an der Fricker Kirchgemeinde in Zweifel gezogen wurde, meinte Siebenmann: «Es macht keinen Sinn, ein weiteres Medienspektakel zu inszenieren, wenn sie alle ihre Meinungen schon gemacht haben.»

«Das ist keine Schlammschlacht»
Der Konflikt sei auch ein Zeichen dafür, dass die kirchliche Gemeinschaft den Menschen wichtig sei, gab der Kurator eingangs zu bedenken. «Viele Leute hier wollen auf positive Art Gemeinschaft leben.» Und mit Blick auf Äusserungen von Siebenmann konstatierte er: «Die Leute, die Johannes Siebenmann kritisieren, tragen berechtigte Anliegen vor, das ist keine Schlammschlacht, kein Dauerbeschuss.»

Wenn auch die überwiegende Mehrheit der Diskussionsteilnehmer dem Pfarrer das Vertrauen längst entzogen hat, so gab es doch immer wieder auch Wortmeldungen zu seinen Gunsten: «Es sind die gleichen Leute, die uns Pfarrer Siebenmann vor vier Jahren vorgeschlagen haben, die ihn jetzt weg haben wollen», rief jemand in Erinnerung. Er verstecke sich hinter Gott, weiche Fragen aus, hiess es aber eben auch und der Pfarrer konterte, dass seine Kraft aus seinem Innern, aus seinem Glauben komme: «Dass ich überhaupt noch hier stehe, ist nicht selbstverständlich, ich könnte auch flach liegen.»

Der Moderator hatte die Diskussion so gut im Griff, dass sie bis zum Schluss fair und anständig blieb. Schade nur, dass Johannes Siebenmann selten die Gelegenheit erhielt, umgehend auf ganz konkrete Fragen zu antworten. Stattdessen erhielt er das Wort in der Regel erst nach einem Fragenblock. Und so kam es, dass manch eine interessante Frage – weil in der Zwischenzeit vergessen – gar nicht beantwortet wurde.

Offen blieb am Ende auch die Frage, ob es unter den gegenwärtigen Strukturen überhaupt möglich ist, die Scherben in der Kirchgemeinde dauerhaft zu kitten – und das unabhängig vom Wahlausgang. Eine Bitte hatte Johannes Siebenmann zum Schluss: «Wählen Sie mich nicht aus Mitleid. Ich bin nicht stur und ich habe nicht das Gefühl, dass ich der einzig richtige Pfarrer bin für diese Kirchgemeinde.»


Bleibt der Pfarrer, geht der Kurator...

Kurator Markus Fricker hat sich klar positioniert

Beat Huwyler, Bereichsleiter Gesamtkirchliche Dienste innerhalb der Reformierten Landeskirche Aargau verfolgt das Geschehen in Frick aus Distanz aber mit grossem Interesse.

Simone Rufli

Auf Anfrage der NFZ betont Beat Huwyler, dass es zwar ab und zu vorkommt, dass eine Kirchenpflege einen Pfarrer nicht zur Wiederwahl empfiehlt. «Speziell an der Konflikt-Situation in Frick ist aber, dass sie unter einem Kuratorium stattfindet», so Huwyler. Die Situation, in der sich Pfarrer Siebemann befinde, sei zwar bedauerlich, «mit seinem Entscheid, die Wahl zu erzwingen, hat er sich aber bereit erklärt, mit den Folgen zu leben», so Huwyler. «Hätte er selber die Konsequenzen gezogen und wäre er nicht mehr angetreten, wären keine Einzelheiten über den Konflikt an die Öffentlichkeit und in die Medien getragen worden», so Huwyler.

Und was geschieht, wenn eine Mehrheit der Wahlberechtigten Johannes Siebenmann am 23. September wiederwählt? «In so einem Fall tritt die Kirchenpflege normalerweise zurück», hält Huwyler fest. Anders die Situation mit einem Kurator. «Der Kurator ist nicht gewählt, sondern vom Kirchenrat eingesetzt. Er vereint in seiner Person sämtliche Rechte und Pflichten einer ganzen Kirchenpflege und er kann nach seinem freien Ermessen entscheiden, ob er im Falle einer Wahl von Pfarrer Siebenmann den Auftrag weiterführen will oder nicht.» Für Markus Fricker ist der Fall klar: «Wird Johannes Siebenmann gewählt, gebe ich mein Mandat an den Kirchenrat zurück. Ich habe mich ganz klar positioniert und sehe in diesem Fall absolut keine positive Perspektive», betont er im Gespräch mit der NFZ. Bis spätestens Ende Jahr würde Fricker den Betrieb noch aufrechterhalten und die nötigsten Vorkehrungen treffen, damit ein neuer Kurator seine Arbeit weiterführen könnte. Auf gutem Weg befinde sich die Stellvertretung von Verena Salvisberg, so Fricker. In die Bresche springen wird Anna Schütz, einst Gemeindehelferin (Sozialdiakonin) in Frick und bis zu ihrer Frühpensionierung im Herbst noch Leiterin Arbeitsmarktintegration beim Verein Lernwerk in Vogelsang.

Geht der Pfarrer, plant der Kurator die Zukunft
Steht die Reformierte Kirchgemeinde Frick am Abend des 23. Septembers ohne Pfarrer da, bleibt Fricker und unterstützt den Neuanfang. Dann kommen zukunftsweisende Fragen auf den Tisch. Unter Mitbeteiligung möglichst vieler Gemeindemitglieder ginge der Kurator der Frage nach, was die Gemeinde in Zukunft braucht, wie die Stellen aufgeteilt werden sollen, gewisse strukturelle Probleme würden angegangen. Fricker spricht von einem «sorgfältigen Prozess ohne Zeitdruck», insbesondere in Bezug auf die Neubesetzung der Pfarrstellen. «Wir würden uns viel Zeit lassen, um eine gute Basis zu legen für das Zusammenwirken von unterschiedlichen Führungsstilen und für das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Sichtweisen», so Fricker, der durchblicken liess, dass er sich für den Fall der Abwahl von Pfarrer Siebenmann bereits nach einer Stellvertretung umgesehen hat.


KOMMENTAR

Wahl oder Abwahl?

Es wurden gute Argumente gegen eine Wiederwahl von Johannes Siebenmann vorgebracht. Und es gab gute Argumente ihn wiederzuwählen. Tatsache ist, dass der Pfarrer vor allem bei jenen Kirchgemeindemitgliedern auf massive Ablehnung stösst, die mit ihm zusammenarbeiten, die aktiv das kirchliche Leben mitgestalten. Eine gewisse Distanz hingegen führt zu weniger Berührungspunkten. Weniger Berührungspunkte führen zu weniger Reibungspunkten. Und so ist es trotz allem möglich, dass Siebenmann am 23. September wiedergewählt wird. Nicht von jenen, die in der Vergangenheit mit ihm zusammengearbeitet haben, sondern von jenen, die sich sagen: Es muss doch möglich sein, dass sich Pfarrpersonen miteinander vertragen. Es muss doch möglich sein, dass sich ein Pfarrer mit Kirchenbehörden und Katechetinnen zusammenraufen kann. Es muss doch möglich sein, dass man innerhalb einer Kirchgemeinde einen gemeinsamen Weg findet und diesen auch gemeinsam geht. Wenn nicht in der Kirchgemeinde, wo dann?! Doch was, wenn die Kirchgemeinde halt eben auch nicht mehr ist, als ein Abbild unserer Gesellschaft? Was, wenn es Kirchgemeinden und Pfarrpersonen gibt, die einfach nicht zueinanderpassen? Darf man sie dann zusammenzwingen? Eine schwierige Frage. Kein leichter Entscheid.


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