ESPRESSO ROMANO

  18.09.2018 Nordwestschweiz

«Du bist Petrus…»

Im Vatikan herrscht die Tradition. Seit Jahrhunderten wird Vieles so erledigt, weil es einfach so ist. Tradition verlangt Kontinuität, Disziplin und auch ein gewisses Verständnis. Traditionen können altbacken, doch auch wertvoll und interessant sein. Manchmal habe ich das Gefühl, dass im kleinsten Staat der Welt die Zeit stehengeblieben ist. Dies muss nicht negativ sein. Im Gegenteil: Ich finde die jahrhundertealten Traditionen, Ämter und Titel äusserst spannend. Es birgt eine gewisse Erhabenheit. Es ist stets bereichernd zu wissen, was Tradition hat, was permanent und kontinuierlich standhaft ist, während um uns herum die Welt in ungeheurer Geschwindigkeit rast. Der heilige Papst Johannes XXIII. sagte einst, dass „die Kirche in Jahrhunderte denke“. Das heisst, dass Erneuerung in der Kirche stets ein delikates Thema ist, doch beweist dies, dass die Fundamente der Kirche den Stürmen der Zeit trotzen. Die Vatikanstadt ist das Einfallstor verschiedenster Persönlichkeiten: Kardinäle, Bischöfe, Botschafter, Minister, Ordensleute. Alle passieren bei uns Schweizergardisten. All diese Persönlichkeiten haben auch Titel. Somit stehen wir Gardisten auch in der Pflicht, unterschiedlichste Persönlichkeiten mit ihrer diplomatischen Anrede ansprechen zu können. Wussten Sie, dass dem Papst acht verschiedene Titel zustehen? Der erste: Bischof von Rom. Er unterstreicht die bischöfliche Würde des Papstes. Er ist theoretisch ein «normaler» Bischof, jedoch mit dem Titel des «Papstes». Zweitens: Stellvertreter Jesu Christi. Jesus gab dem Apostel Petrus den Auftrag, seine Kirche aufzubauen, als ihn zu vertreten. Daher drittens: Nachfolger des Apostelfürsten. Hiermit werden die biblischen Fundamente des Papstamtes betont. In Mt 16.18 übergibt Jesus dem Apostelfürsten Petrus die Schlüsselgewalt: «Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben…» Die essenzielle Begründung für das Bestehen des Papstamtes. Viertens: Oberster Brückenbauer der Weltkirche; besser bekannt unter «Pontifex Maximus». Ehemals ein Titel des obersten Priesters im antiken Rom, bringt er heute die Führerrolle des Papstes in der Kirche zum Ausdruck. Der Papst schlägt eine Brücke zwischen Katholiken und Andersgläubigen, zwischen den Menschen und Gott und führt sie zu neuen Ufern. Fünftens: Primas von Italien. Ein Ehrentitel. Er signalisiert, dass der Papst der oberste Bischof Italiens ist. Wichtig wird der Titel in administrativer und zeremonieller Hinsicht. Sechstens: Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom. Erzbischöfe und Metropoliten stehen einem Verbund von Diözesen vor und haben demnach einen grösseren Einfluss und ein schwergewichtiges Amt. Siebtens: Souverän des Staates der Vatikanstadt. Der Vatikan ist übrigens ein eigener Staat und demnach braucht er auch ein Oberhaupt. Achtens: Diener der Diener Gottes. Wichtig für das Amtsverständnis, denn der Papst ist der oberste Diener Gottes sowie der erste unter den Dienern. Dies symbolisiert keine Überhöhung, sondern eine demütige Gleichstellung.

Viele Titel, alte Traditionen, moderne Zeiten. Ein rumänisches Sprichwort: «Wasser verrinnt, Steine bleiben.»

ROMANO PELOSI, ROM


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