«Hier haben die Kinder mehr Freiheit»

  01.09.2018 Rheinfelden

Sie ist im Kanton Genf aufgewachsen und lebt seit über 20 Jahren in der Nordwestschweiz. Seit vergangenem Oktober engagiert sich Anne Reich als Präsidentin des Elternvereins Rheinfelden.

Valentin Zumsteg

«Es war nie geplant, dass ich solange in der Deutschschweiz bleibe. Ich wollte eigentlich nur ein Jahr in Basel studieren und dann zurück in die Romandie», erzählt Anne Reich mit einem Lachen. Es ist anders gekommen. Heute könnte sie sich nicht vorstellen, wieder zurück in den Kanton Genf zu ziehen. «Es ist hier viel ruhiger und weniger hektisch. Das gefällt mir», sagt die 40-Jährige, die ein gepflegtes Hochdeutsch mit einem charmanten französischen Akzent spricht. Dass sie sich die Region Basel ausgesucht hat, ist kein Zufall. «Die Nähe zur Grenze nach Frankreich ist mir wichtig. Ich wollte nicht nach Zürich oder Bern, das hätte ich mich nicht getraut.»

«Kinder sind ein Teil der Gesellschaft»
In Basel hat Anne Reich Pharmazie studiert und anschliessend in einer kleinen Firma in Muttenz im Labor gearbeitet. Seit zwölf Jahren ist sie in Sisseln bei der Firma SwissCo Services AG tätig und wohnt mit ihrem Mann, der aus Deutschland stammt, in Rheinfelden. «Als die Kinder kamen, habe ich mich entschieden, beim Elternverein mitzumachen. Die Kinder sollen sich in Rheinfelden heimisch fühlen und dazu will ich einen Beitrag leisten», sagt die Mutter von Cassandra (9), Simon (7) und Linus (2). Seit vergangenem Oktober ist Anne Reich Präsidentin des Elternvereins, gleichzeitig ist sie für das Ressort Elternbildung zuständig. «Der Elternverein ist auf engagierte Mitglieder angewiesen. Ohne sie gäbe es zum Beispiel keine Krabbelgruppe oder keine Kleiderbörse.» Anne Reich bedauert, dass kaum Männer im Verein dabei sind und mithelfen. «In anderen Gemeinden wie zum Beispiel Magden gibt es viel mehr Väter, die mitmachen.» Anne Reich gibt aber nicht so schnell auf. Im September organisiert der Verein einen Anlass, der sich nur an Männer wendet: Ein Vater-Kind-Kochkurs, der aber auch für Göttis, Opas und Onkels mit Kindern offen steht.

Anne Reich ist gerne Mutter: «Ein Leben ohne Kinder könnte ich mir nicht mehr vorstellen. Ich habe sie aber nicht für mich gemacht. Sie sind ein Teil der Gesellschaft. Wir als Eltern sind für sie verantwortlich, aber irgendwann werden sie flügge und gehen ihren eignen Weg.» Sie findet es wichtig, dass die Kinder in der Familie immer wieder kleine Aufgaben bekommen, die sie erledigen müssen. «So merken sie, dass sie auch gebraucht werden.»

Für Anne Reich war klar, dass sie weiter berufstätig bleiben will. Heute arbeitet sie mit einem 60-Prozent-Pensum in der Qualitätssicherung. «Ich finde es toll, Kinder zu haben. Ich gehe aber auch gerne arbeiten. Das ist wichtig für mich.» Alles unter einen Hut zu bringen, sei aber nicht immer einfach. «Ich habe einen Mann, der Gold wert ist. Gemeinsam können wir es meistern.» Sie ist froh, dass das Angebot für die Kinderbetreuung im Fricktal in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden ist. «Früher war es schwierig, rechtzeitig einen Platz zu finden.»

Fragt man Anne Reich nach Unterschieden zwischen der Romandie und der Deutschschweiz, muss sie nicht lange überlegen: «Hier haben die Kinder viel mehr Freiheit. In Genf, wo ich herkomme, ist es undenkbar, dass die Kinder alleine in den Kindergarten oder die Primarschule gehen. Da sind immer die Eltern dabei. Ich hatte schon lange Diskussionen mit meiner Schwester, die sich wundert, dass die Kinder hier den Schulweg alleine bewältigen.» Dafür werden in der Romandie die Mittagstische viel stärker genutzt, wie Anne Reich sagt. «Da ist es normal, dass die Kinder in der Schule essen.»

Arbeitsweg als Freizeit
Deutschschweizerin oder Romande – als was sieht sich Anne Reich heute? «Ich fühle mich nicht mehr als Romande, aber auch noch nicht als Deutschschweizerin. Ich bin irgendetwas dazwischen.» Mit anderen Französisch sprechenden Frauen aus der Region pflegt sie einen lockeren Kontakt. Hin und wieder gehen sie gemeinsam Kaffee trinken. «Das geniesse ich dann sehr.»

Als berufstätige Mutter von drei Kindern und Präsidentin des Elternvereins hat Anne Reich viel um die Ohren. Da bleibt wenig Freizeit. «Wenn das Wetter schön ist, fahre ich mit dem E-Bike zur Arbeit nach Sisseln. Das ist meine Freizeit. Oder wenn die Kinder schlafen, lese ich ein Buch.»


Der Elternverein Rheinfelden

Knapp 200 Mitglieder zählt der Elternverein Rheinfelden derzeit. Er organisiert zwei Mal pro Jahr eine Kleiderbörse, führt Vorträge durch, bietet wöchentlich das Kinder-Café und die Krabbelgruppe an, ebenso einen Spielzeugflohmarkt und die Rädlibörse. Leute, die mithelfen wollen, sind immer willkommen – vor allem auch Männer. (nfz)

www.elternverein-rheinfelden.ch


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