Was wir in Zukunft unter Heimat verstehen werden

  03.08.2018 Möhlin

Möhlin hatte es dieses Jahr leicht, einen prominenten Redner für den Ersten August zu finden: Grossratspräsident Bernhard Scholl wohnt in der Gemeinde. Er sprach darüber, warum der Begriff Heimat nicht selbstverständlich sei.

Boris Burkhardt

Gegen zehn Uhr abends kam der Regen. Aber das war natürlich zu wenig und zu spät: Auch die Möhliner mussten dieses Jahr wie überall sonst auf ihr Feuerwerk zum 1. August verzichten. Gemeindeammann Fredy Böni freute sich dessen ungeachtet über ein gelungenes Familienfest mit einem vielfältigen Programm, das dieses Jahr wegen der Hitze ausschliesslich vor dem Festzelt stattfand: Dort sprach auch der Festredner, Grossratspräsident Bernhard Scholl; und der Musikverein spielte statt auf der Bühne auf der Wiese.

Vergangenes Jahr wandte Böni einige Mühe auf, Christian Fricker als Präsidenten des Fricktal-Regio-Planungsverbands für die Ansprache in seine Gemeinde zu bringen; dieses Jahr hatte er bei Scholl ein wesentlich leichteres Spiel: Der Grossratspräsident wohnt nämlich im Ort. Auch wenn Scholl als gefragter Politiker tatsächlich noch in zwei anderen Aargauer Gemeinden Reden halten musste, hatte er sich für das Möhliner Publikum ausladend Gedanken über den Begriff Heimat gemacht – er selbst ist in Zofingen heimatberechtigt.

Heimat ist da, wo man wohnt – Heimat ist da, wo das Herz daheim ist – Heimat ist da, wo man sich wohlfühlt, wo es einem gutgeht, zählte Scholl verschiedene Definitionen von Schweizern auf, die er gesammelt hatte. Heimat sei da, wo man nicht zu viele Steuern bezahle – die einzige Definition, bei der Böni mit einem Augenzwinkern laut sein Missfallen kundtat. Jeder der Zuhörer habe seine eigene Definition dieses Begriffes und des zugehörigen Gefühls, war sich Scholl sicher.

Der heutige Begriff der Heimat sei entstanden durch die Angst vor dem Verlust traditioneller Werte angesichts der Industrialisierung. Eine Angst, die Scholl vertraut vorkommt, «wenn man an die Probleme denkt im Zusammenhang mit Wachstum, Migration und Globalisierung». Die Schweiz habe sich vom Armenhaus Europas zu einem reichen Staat entwickelt, von einem hungergeplagten Auswanderungsland zu einem attraktiven Einwanderungsland: «Dafür sollten wir unseren Vorfahren dankbar sein.» Den Bogen zur Gegenwart schlug Scholl zur Verantwortung heutiger Generationen in den Bereichen Migration, Verkehr, Zersiedlung, Umweltschutz, Energie, Gesundheitspolitik und AHV: «Diese Themen werden mitbestimmen, was wir in Zukunft unter Heimat verstehen.»

Das Beispiel Zersiedlung stellte Scholl konkret an seinem Wohnort Möhlin dar: «Ich erlebe diesen Zwiespalt zwischen Wachstum und Begrenzung der Siedlungsfläche ausgeprägt. Das Motto lautet: Man will ein Dorf bleiben!» Wenn der Bauboom vor Ort ganz konkret eingeschränkt werden solle, seien Konflikte programmiert. Wichtig an der Frage des Wachstums sei die Qualität desselben, ist sich Scholl sicher. Eine Standardantwort, wie gross Wachstum sein müsse und wo er stattfinden solle, gebe es nicht: «Diese Diskussion wird uns in vielen aargauischen Gemeinden und im Grossen Rat noch lange beschäftigen.»


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