Neues Leben für das Kolonialwarenhaus

  30.08.2018 Frick, Gewerbe

Nach einem Jahr intensiver Umbau- und Renovationsarbeiten öffnen sich am Freitag nächster Woche die Türen der sechs Wohnungen, zwei Ateliers und des Gewölbekellers zur freien Besichtigung. Bereits im Oktober sollen die ersten Wohnungen an der Bahnhofstrasse 12 in Frick bezugsbereit sein.

Simone Rufli

«Es ist kein Tag vergangen, seit wir im September 2017 die Baubewilligung erhalten haben, ohne dass nicht einer von uns beiden auf der Baustelle anwesend gewesen ist.» Corinne und Oliver Stocker, er Allrounder, sie gelernte Malerin aus Obermumpf, haben mit dem Kauf des Hauses an der Bahnhofstrasse 12 in Frick ein Betätigungsfeld mit historischem Hintergrund gefunden. Zusammen mit Architekt Urs Schweizer (Schweizer Architekten Ennetbaden/Kaisten) und Armin Stocker, die den ganzen Umbau begleitet haben, haben sie ihre Kreativität und das handwerkliche Flair ausleben können.

Das Gebäude liegt in der Wohnzone W2 und ist als Einzelobjekt im Inventar der kommunal geschützten Bauten der Gemeinde Frick, als Gebäude mit Substanzschutz erfasst. Aus dem Baubeschrieb des historischen Inventars geht hervor, dass das Haus über ein gutes Fundament verfügt und kaum Setzungen aufwies. Ganz besonders am Herzen lag den Stockers und dem Architekten der Erhalt der wesentlichen Merkmale. Die Strassenfassade blieb denn auch weitgehend unangetastet. Lediglich das Tenn-Tor wird durch eine Holz-Glasfassade ersetzt. Im Erdgeschoss des Remisenanbaus sind neu zwei Studios untergebracht, darüber eine 31/2-Zimmer-Wohnung mit einer hinter der muralen Giebelfassade angeordneten Loggia. Die bestehenden Zugänge (Haus- und Stalltüre) werden weiter genutzt. Auf der Rückseite des Gebäudes sorgen punktuell vergrösserte Fensteröffnungen für schön belichtete Räume. Mit Respekt zur bestehenden alten, inneren Bausubstanz ist rückseitig eine neue Treppenanlage mit Lift und Zugang zu einem laubenartigen Aussenraum entstanden.

Viel Handarbeit nötig
«Mit Ausnahme des verwitterten Holzriegels am Flachdachanbau und den stark mitgenommenen Sandsteinfenstereinfassungen war das Gebäude in einem relativ guten Zustand», erzählt Corinne Stocker. Damit die Wohnqualität den heutigen Ansprüchen genügt, wurde der Bau trotzdem fast durchwegs bis auf die Grundbalken ausgehöhlt. Im Anbau mit Dachterrasse befindet sich eine zweigeschossige Maisonette-Wohnung. Das Haupthaus verfügt über zwei 31/2-Zimmer-Wohungen und der bestehende Dachraum wurde zu einer Loftwohnung mit Loggia umfunktioniert. Von aussen nicht erkennbar ist, dass das Gebäude zu zwei Drittel mit alten Gewölbekellerräumen unterkellert ist. Allein an der Freilegung der mit Putz überdeckten Steine arbeiteten Stockers sechs Wochen in Handarbeit. Der Gewölbekeller verfügt über einen separaten Zugang und ein eigenes WC und ist somit prädestiniert zum Beispiel für eine Vinothek. Ein Verkaufslokal würde auch zur Geschichte des Hauses passen.

Wie respektvoll die Bauherrschaft mit dem Gebäude aus dem Jahr 1882 umgegangen ist, zeigt sich auch in den oberen Geschossen. Kachelöfen und Kochstellen wurden in liebevoller Handarbeit restauriert, genauso wie ein alter bestens erhaltener Plattenboden. Für Stockers war es umgekehrt aber genauso wichtig, dass die neuen Bewohner von allen Annehmlichkeiten des modernen Lebens profitieren können. Modernste Kücheneinrichtungen, Waschmaschinen und Tumbler gehören ganz selbstverständlich zu jeder Wohneinheit dazu. Zudem sind die Wohnungen wo möglich schwellenlos. Immer wieder trifft man auf fein säuberlich herausgearbeitete alte Mauerteile, originale Holzbalken und überall auf von Hand abgelaugte und frisch gestrichene Türen, die dem Haus einen ganz speziellen Charme und Wärme verleihen. «Dank der aussergewöhnlich hohen Räume war es uns möglich, die Böden völlig neu aufzubauen», erzählt Stocker. «Die Böden verfügen nun über einen optimalen Schallschutz, Trittschalldämmung und einen schwimmenden Unterlagsboden. Es war uns ein grosses Anliegen, dass die Mieter sich gegenseitig nicht stören und im ganzen Haus eine optimale Akustik herrscht. Zudem haben wir überall beste Wärmedämmung und Bodenheizungen eingebaut. Wir wollten in allen Belangen Neubauqualität, aber mit dem Charme des altehrwürdigen Hauses, und ich glaube, das ist uns gelungen.» Während zur Strassenseite die Platanen auf der Terrasse die Natur vors Fenster bringen, wird auf der hofartigen Rückseite zusätzlich eine schöne Gartenanlage entstehen.


Tag der offenen Baustelle, Samstag, 8. September 10 bis 15 Uhr. www.altes-kolonialwarenhaus.ch


Familie Theiler wohnte zur Miete

Nach Eröffnung der Bahnlinie 1875 entwickelte sich entlang der Bahnhofstrasse das erste Fricker Neubaugebiet. Das Haus wurde 1882 vom Maurermeister Johann Friedrich Müller als Wohnhaus errichtet. Noch nicht fertig ging es in den Besitz von Steinhauer Weiss aus Ittenthal und Maurer Obrist aus Sulz über. 1885 kaufte Gottlieb Schumacher die Liegenschaft. Er baute sie 1887 weiter aus und liess 1889 den Scheunentrakt anfügen. Im Erdgeschoss richtete Schumacher seine Tuch- und Kolonialwarenhandlung ein. Noch bis im Herbst 2017 zeugte ein hölzernes Ladenschild über den Erdgeschossfenstern von dieser Nutzung. Die Scheune wurde nie als solche genutzt. Erwähnenswert ist, dass ab 1887 Bezirksschul-Rektor Franz Theiler mit seiner Familie zur Miete im Obergeschoss wohnte. Sein Sohn Arnold Theiler, der Begründer des Veterinärwesens in Südafrika, wurde 1914 vom englischen König in den Adelsstand erhoben, Enkel Max Theiler erhielt 1951 für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Gelbfieber den Nobelpreis in Medizin. 1984 erwarben Urs und Ursula Boss das Haus und beliessen es nahezu im Originalzustand. Die oberen zwei Stockwerke waren immer bewohnt, während Parterre und Tenn als Lager einer privaten Antiquitätensammlung dienten. (sir)


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