Eine talentierte Konzertpianistin sucht ihren Weg

  01.08.2018 Laufenburg

Dieter Deiss

Der prächtige Panoramasaal im Schlössle Laufenburg war kürzlich bis auf den letzten Platz besetzt, als Gabriela Fahnenstiel im festlichem, schwarzen Kleid die Bühne betritt. Sie verneigt sich kurz vor dem applaudierenden Publikum. Ein freundliches Lächeln hinaus in den Saal. Sie setzt sich an den Steinway-Flügel, ein letztes Zupfen am Rock, die Füsse suchen die richtige Stellung zum Pedal, höchste Konzentration spricht aus ihrer Mimik, die Hände legen sich über die Tastatur, absolute Stille im Saal. Dann erklingt das Allegro vivace aus der D-Dur Sonate von Franz Schubert. Der kräftige, bestimmte Anschlag der jungen Pianistin erstaunt. Während einer guten Stunde spielt die Künstlerin auswendig. Sie begeistert mit ihrer Virtuosität und der musikalischen Ausdruckweise das Publikum.

Eine echte Laufenburgerin
Wer ist sie, diese 24-jährige Frau, die mit solcher Leichtigkeit das Klavierspiel beherrscht? Ich wollte sie näher kennenlernen und besuchte sie in ihrem elterlichen Heim in Laufenburg/ Baden. Hier ist sie aufgewachsen, ging zur Schule und erhielt an der Musikschule ihre ersten Klavierstunden. Letzteres war freilich nicht ganz selbstverständlich. Sie habe oft einer Cousine gespannt zugehört, als diese Klavier spielte. «Dies möchte ich auch lernen», hat die damals Sechsjährige gedacht. «Ein Jahr lang musste ich betteln, bis ich zur ersten Klavierstunde antreten durfte», erzählt sie. «Das Klavierspielen bereitete mir von Beginn weg viel Freude.»

Im Alter von 11 Jahren nahm Gabriela Fahnenstiel an einem Kindermusikkurs in Vitznau am Vierwaldstättersee teil. Sie war begeistert vom gemeinsamen Musizieren. Hier lernte sie die Pianistin Viera Fischer aus München kennen. Fortan besuchte sie bei dieser den Unterricht. Damit dies möglich war, fuhren ihre Eltern mit ihr zwei- bis dreimal monatlich nach München. Es gab dann eine Lektion vor dem Mittagessen und eine danach, so dass die Familie gleichentags wieder nach Laufenburg zurückkehren konnte. «Meine Eltern sind Klasse! Es ist unglaublich, was sie mir geben und wie sie mich unterstützen», meinte sie dazu kurz und bündig.

Die dreizehnjährige Solistin
Als eigentliches Schlüsselerlebnis in ihrer Karriere bezeichnet Gabriela Fahnenstiel ein Mendelssohn-Klavierkonzert mit dem Orchesterverein Säckingen. Hier spielte sie als Dreizehnjährige den Solopart. «Die Generalprobe war fürchterlich», erinnert sie sich: «Ich hatte eine Gedächtnislücke und ein Lauf missriet mir total. Ich wusste aber, dass ich viel geübt hatte und dass ich das Stück eigentlich beherrsche.» Mit dieser Überzeugung liess sie sich nicht nervös machen und siehe da, die Aufführung gelang bestens. Nach dem Konzert war sie derart glücklich, dass sie nachts nicht schlafen konnte. «Dies will ich zu meinem Beruf machen», war dann letztlich ihre Erkenntnis.

An der Musikhochschule Basel erwarb sie 2017 den Bachelor mit Auszeichnung. Eine Sightseeing-Tour führte sie 2016 erstmals nach New York. Zusammen mit einer Freundin besuchte sie die Manhattan School of Music. «Oh, diese Schule sollte ich mir mal näher anschauen!» habe sie gedacht. Kurz entschlossen habe sie sich angemeldet und wurde danach zur Aufnahmeprüfung eingeladen. Vorher fuhr sie nochmals nach New York und absolvierte eine Probelektion. Wir haben nicht damit gerechnet, dass meine Anmeldung von Erfolg gekrönt sein könnte. Umso grösser dann die Überraschung, als die Schule ihr mitteilte: «Herzlichen Glückwunsch. Sie haben sich aus 3000 Bewerbungen durchgesetzt.»

Üben, üben und nochmals üben
Auf dem Flügel im elterlichen Wohnzimmer liegt der Klavierauszug zum Klavierkonzert Nr. 2 von Sergei Prokofjew. Ein für einen Laien total verrücktes Notenbild blickt einem entgegen. Akkorde voller Vorzeichen. Statt der üblichen zwei Notensysteme gibt es deren drei. «Den mittleren Part muss man dann je nach Situation mal mit der linken, dann mit der rechten Hand spielen», erklärt sie. Auch für Gabriela Fahnenstiel keine leichte Aufgabe. Sie übt Takt für Takt. Täglich sitzt sie fünf bis sechs Stunden am Flügel, dies an sieben Tagen in der Woche. Dies mache ihr aber Spass, meint sie dazu. Zudem übe sie stets an verschiedenen Werken, so dass für genügend Abwechslung gesorgt ist. Eine gehörige Portion Selbstdisziplin sei unerlässlich. «Es ist für mich eine grosse Genugtuung, wenn ich dann nach wochen- oder monatelanger Arbeit ein Werk zur Konzertreife gebracht habe», führt sie dazu aus.

Solche Werke sind derart komplex, dass es völlig unmöglich ist, sie ab Noten zu spielen. Auch diesen Prokofjew wird die junge Künstlerin dereinst auswendig darbieten. Angst vor einem Aussetzer dürfe man so wenig haben, wie die Angst vor einem falschen Ton. «Ich konzentriere mich auf die Musik und nicht auf schwierige Stellen. Ich habe diese geübt und vertraue voll auf ein gutes Gelingen. Fehler muss man wegstecken und allenfalls nachträglich der Ursache auf den Grund gehen», verrät sie das Geheimnis ihres lockeren Auftritts im Schlössle. Selbst der damals anwesende Kameramann des Fernsehens SWR konnte sie nicht aus dem Konzept bringen. Im anschliessenden Interview stand sie dem Fernsehmann Red und Antwort, als hätte sie dies schon tausendmal gemacht.

Als Konzertpianistin ist Gabriela Fahnenstiel bereits in verschiedenen Ländern aufgetreten. Kein Zufall ist es, dass sie zudem eine begehrte Kammermusikerin ist. «Es macht ausserordentlich Spass, mit anderen zusammen zu musizieren. Man probt zusammen, argumentiert gemeinsam, versucht und sucht Varianten.» Die äusserst kontaktfreudige Musikerin liebt es unter Menschen zu sein. So ist es kaum verwunderlich, dass sie in der halben Welt Freundschaften pflegt.

Die Pianistin als Kulturmanagerin
Bei Gabriela Fahnenstiel spürt man, dass sie immer noch besser werden will. Nebst ihrem Studium besucht sie immer wieder Meisterkurse. «Man hat nie ausgelernt. Hier lernt man zudem stets viele Leute kennen. Man schafft Freundschaften und Beziehungen» lautet ihr Kommentar. Umso erstaunlicher dann die Antwort auf die Frage nach ihrer Zukunft. Nebst der Arbeit als Konzertpianistin würde sie auch sehr gerne unterrichten. Sie liebt die Arbeit mit jungen Menschen. So unterrichtet sie jeweils an den sogenannten Musikferien am Starnberger See bei München junge Talente im Klavierspiel. «Dies macht mir wahnsinnig Spass», meint sie dazu.

Gerne würde sie aber auch eine Tätigkeit als Kulturmanagerin ausüben. Dies tut sie übrigens heute schon im Kleinen als künstlerische Leiterin der anfangs dieses Jahres ins Leben gerufenen «Mary Codman Classics», einer Konzertreihe im Laufenburger Schlössle. «Ich organisiere gerne Konzerte mit allem Drum und Dran» erzählt sie. So setzt sie sich auch im Förderverein Kultur im Schlössle an vorderster Front ein für die Beschaffung eines Steinway-Flügels. Für das Eröffnungskonzert mit dem neuen Flügel vom 20. Januar 2019 konnte sie mit Adrian Oetiker einen renommierten Pianisten gewinnen. Sie selber wird dann in New York weilen. Momentan arbeitet sie die Programme aus für vier Schlössle-Konzerte im kommenden Jahr.


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