Die Bewährungsprobe kommt erst noch

  11.08.2018 Fricktal

Mit Schuljahresbeginn tritt das neue Kinderbetreuungsgesetz (KiBeG) in Kraft. Die Fricktaler Gemeinden haben ihr Angebot im Bereich familienergänzender Kinderbetreuung den gesetzlichen Anforderungen angepasst. Eine Einheitslösung gibt es deswegen aber nicht. Die NFZ erkundigte sich bei ein paar Gemeinden und stiess auf unterschiedliche Modelle.

Simone Rufli

Gemäss dem KiBeG haben die Gemeinden die Aufgabe, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot an familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der Primarschule sicherzustellen. Gleichzeitig sind sie dazu verpflichtet, sich an den Kosten der Kinderbetreuung zu beteiligen. Bis jetzt war es so, dass viele Gemeinden Beiträge an Institutionen zahlten (Objektfinanzierung). Mit dem neuen Gesetz erfolgt zwingend die Umstellung auch auf die Subjektfinanzierung. Das Geld geht nun direkt an die Familien. Institutionen können daneben weiterhin unterstützt werden. Die kommunalen Beiträge richten sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Erziehungsberechtigten. Das wiederum bedingt, dass die Erziehungsberechtigten ihren Gemeinden die Zustimmung erteilen, dass die Steuerbehörde der Gemeinde Auskunft geben darf über das steuerbare Einkommen.

Beiträge für auswärtige Betreuung
In Rheinfelden beispielsweise liegt die Obergrenze für eine finanzielle Beteiligung der Gemeinde bei 80000 Franken steuerbarem Einkommen. Wer weniger verdient, bekommt Zuschüsse, wer mehr hat, muss die Kosten im vollen Umfang selbst tragen. 30 Prozent der Kosten müssen in jedem Fall selbst übernommen werden. Eltern müssen zu mindestens 120 Prozent berufstätig sein, Alleinerziehende zu 20 Prozent. Neu ist die Subjektfinanzierung für Rheinfelden nicht, wie Stadtammann Franco Mazzi auf Anfrage betont. «Allerdings gab es bisher keine Unterstützung für Familien, die ein Betreuungsangebot ausserhalb der Stadt genutzt haben.» Hinfällig sind nun die Leistungsvereinbarungen zwischen der Stadt und Einrichtungen, weil neu die Eltern direkt mit der Gemeinde abrechnen. Neu sei auch, dass Sozialhilfeempfänger direkt mit der Gemeinde abrechnen könnten, so Mazzi. Kommunale Beiträge gibt es nun auch für die Inanspruchnahme der Angebote von Tagesstruktureinrichtungen (Nachmittagsbetreuung) und Tagesfamilien. Die Mittagstisch AG wird auch weiterhin direkt von der Stadt subventioniert, mit knapp 200000 Franken pro Jahr.

Bis zu einem steuerbaren Einkommen von 100000 Franken ist beitragsberechtigt, wer beispielsweise in Eiken, Stein, Münchwilen oder Sisseln wohnt, sowie in einer der Gemeinden der Teilregion 4 des Planungsverbands Fricktal Regio (Frick, Gipf-Oberfrick, Oeschgen, Wittnau, Wölflinswil, Oberhof, Hornussen, Ueken, Herznach, Zeihen, Bözen, Effingen und Elfingen).

Gute Zusammenarbeit
Ingo Anders, Gemeinderat in Eiken, hebt die gute Zusammenarbeit unter den Gemeinden hervor. «Wie bei der Verkehrsplanung und vielen anderen Bereichen setzten wir in Eiken auch bei der Umsetzung des KiBeG auf Kooperation. Zusammenarbeit anstatt Fusion», so Anders. Eiken hat sich mit zahlreichen anderen Gemeinden der Tagesmütter-Vereinigung Möhlin angeschlossen. Die Vereinigung übernimmt die Abrechnung und stellt der Gemeinde Eiken dann Rechnung, wie Anders erklärt. Aufs neue Schuljahr hin wurde zudem das Mittagstisch-Angebot ausgebaut. Neu wird Essen an drei (Montag, Dienstag, Donnerstag) anstatt wie bisher an zwei Tagen serviert. Die Kosten für das Essen müssen die Eltern selber berappen, beitragsberechtigt ist dagegen neu die Betreuungszeit über Mittag. Die Nachfrage bei Susanne Gmünder Bamert, Schulgemeinderätin von Frick, ergab, dass Frick wegen der Blockzeiten an der Primarschule die Einheit zwischen Mahlzeit und Mittagsbetreuung unverändert beibehält. «In den 9 Franken, die Eltern fürs Essen von Schulkindern bezahlen, ist die Betreuung über Mittag inbegriffen. Für Kindergartenkinder verlangen wir 15 Franken, weil der Betreuungsaufwand grösser ist. Sie werden auch alle vom Kindergarten abgeholt und wieder dorthin zurückgebracht.» Frick bietet den Mittagstisch unverändert an allen fünf Wochentagen an. Die Gemeinden der Teilregion 4 hätten bei der Ausarbeitung des Reglements auch von den Bemühungen von Gertrud Häseli (Wittnau) profitiert, so Gmünder Bamert. «Sie setzt sich schon lange für Tagesstrukturen ein.» Die Gemeinden der Teilregion 4 haben einen gemeinsamen Reglementsvorschlag ausgearbeitet und später, wo nötig, individuelle Anpassungen vorgenommen. «Bei uns in Frick zahlt jeder gleich viel für die Nutzung der Tagesstrukturen», so Gmünder Bamert. Um den administrativen Aufwand für die Gemeinde in Grenzen zu halten werde quartalsweise abgerechnet.

Die Arbeit schon vorher gemacht
«Bis in ein paar Jahren», vermutet Daniel Lüscher, «wird der Kanton und nicht mehr jede Gemeinde für sich die Aufsicht über die Qualität der Institutionen haben.» Lüscher ist Geschäftsführer des gemeindenahen Betriebs Tabeka GmbH (Tagesbetreuung Kaiseraugst) und zugleich Leiter soziale Dienste. «Wir mussten kaum Anpassungen vornehmen», sagt er. Der Grund: Kaiseraugst hat bereits per 1. Januar 2015 die Kinderkrippe, die Tagesfamilienbetreuung und die Tagesstrukturen in der Tabeka GmbH zusamengefasst. Vor 2015 wurden die Kinderkrippe und die Tagesfamilienbetreuung jeweils durch einen Verein betrieben.

Mit der Hilfe des Kantons
Eine Gemeinde, die ihre Strukturen erst schaffen musste, ist Gansingen. «Nach mehreren Sitzungen, unter anderem mit unseren Nachbargemeinden, haben wir ein auf unsere Bedürfnisse und Möglichkeiten abgestimmtes Reglement erstellt», erklärt Urban Erdin, Gemeinderat mit Ressort Schule und Bildung. «Dabei haben wir aber nicht das Rad neu erfunden, sondern auf Empfehlungen des Kantons und Erfahrungen von anderen Gemeinden zurückgegriffen.» Gansingen nutzte das Angebot der Fachstelle Kinder und Familien K&F, die den Gemeinden im Auftrag des Kantons von der Bedarfsabklärung bis zur Qualitätsprüfung beratend zur Seite steht. «Wir werden ab dem neuen Schuljahr dienstags und donnerstags einen Mittagstisch mit Betreuung bis Schulbeginn anbieten, » so Erdin.

So unterschiedlich die Gemeinden die Umsetzung des KiBeG angegangen sind, eines dürfte allen gemeinsam sein: Sie sind gespannt, wie sich ihr Modell im Alltag bewährt. Gespannt, wie hoch der personelle Aufwand sein wird, gespannt mit welchen Forderungen sie effektiv konfrontiert werden.


Was will das KiBeG?
Im Juni 2016 hat das Aargauer Stimmvolk das Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung (KiBeG) angenommen. Dieses ist am 1. August 2016 in Kraft getreten. Das Gesetz regelt nur die wesentlichen Grundzüge, die Detailregelung liegt in der Verantwortung der Gemeinden. Die Umsetzung des Gesetzes umfasst im Kern folgende Punkte: die Durchführung einer Bedarfserhebung, die Erarbeitung eines Kinderbetreuungsreglements, die Erstellung eines Elternbeitragsreglements und die Definition der Qualitätsstandards. Der Kanton beabsichtigt mit dem Ki-BeG, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Ausbildung, die Chancengerechtigkeit und die gesellschaftliche sowie insbesondere sprachliche Integration von Kindern zu verbessern. Die Übergangsbestimmung sieht vor, dass das Gesetz bis spätestens zum Beginn des Schuljahrs 2018/19 umgesetzt werden muss. Das neue Schuljahr beginnt am Montag, 13. August. Den Gemeinden stand ein Leitfaden des Kantons zur Verfügung. Es stand den Gemeinden frei, ob sie sich daran orientieren wollten. Unterstützung bot auch die Fachstelle für familien- und schulergänzende Kinderbetreuung (K&F). (sir)


Fachstelle Kinder & Familien
Der Kanton Aargau, respektive das Departement Gesundheit und Soziales (Fachstelle Alter und Familie, Kantonaler Sozialdienst) arbeitet mit der K&F Fachstelle Kinder & Familien zusammen. K&F ist die einzige kantonal anerkannte Fachstelle für familien- und schulergänzende Kinderbetreuung im Kanton Aargau. Das Angebot richtet sich an Trägerschaften, Institutionen, Privatpersonen und Gemeinden. Gemäss Geschäftsführerin Amanda Wildi haben Münchwilen, Wallbach, Gansingen, Stein, Rheinfelden und die Gemeinde Mettauertal eine Erstberatung vor Ort in Anspruch genommen. Gezielte Anfragen erfolgten später zusätzlich von Frick, Magden, Möhlin, Oeschgen, Wölflinswil und Zeiningen. (sir)

Infos unter: www.kinderundfamilien.ch


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