«Buen Camino!»

  18.08.2018 Gansingen

Mit dem Velo von Gansingen zum Geburtstagsfest der Mutter in Spanien

In wenigen Tagen bricht der schweizerisch-spanische Doppelbürger José Carlos Muino, kurz Carlos genannt, zusammen mit seinem Kollegen Sepp Grenacher zur Velofahrt auf dem Jakobsweg nach der berühmten spanischen Pilgerstadt auf.

Dieter Deiss

Beide sind routinierte Tourenfahrer. Auch der Jakobsweg ist für sie kein Neuland. Sie fuhren 2012 mit ihren Zweirädern entlang dem Küstenweg von der französischen Grenzstadt Hendaye nach Santiago. Mit ihren Familien sind sie zudem unter anderen per Fahrrad auch dem Donauradweg und dem Moselradweg gefolgt. Carlos schleppt einen ganzen Stapel Fotobücher heran, welche die zahlreichen Velotouren dokumentarisch belegen.

Auf den Spuren der Mutter
Schon lange hegten die beiden Kollegen den Plan, nach ihrer Pensionierung mit dem Velo von Gansingen nach Santiago de Compostela zu fahren. Nachdem sie jetzt ins Rentnerleben eingetreten sind, wurde das Vorhaben konkret und sie gingen ans Planen. Über Genf, dann durch Frankreich und Spanien ist ihr Ziel die spanische Pilgerstadt. Ganz in deren Nähe, im kleinen Städtchen Tordoia, ist nämlich José Carlos Muino aufgewachsen. Seine Mutter, die viele Jahre im schweizerischen Biel als Gastarbeiterin tätig war, zog es nach ihrer Pensionierung wieder zurück in ihr Heimatland. Sie lebt heute in Carballo, rund fünfzig Kilometer ausserhalb von Santiago. Mutter Muino feiert am 2. Oktober Geburtstag und Sohn Carlos möchte ihr an diesem Tag persönlich gratulieren, bevor dann am 5. Oktober der Rückflug in die Schweiz erfolgt.

Carlos folgte im Alter von siebzehn Jahren den Spuren seiner Mutter und kam deshalb nach Biel. Hier lernte er die französische Sprache, arbeitete zunächst als Kellner, dann als Maler in einem Bieler Unternehmen. Hier machte er berufsbegleitend den Lehrabschluss als Maler. In Biel lernte er übrigens auch seine heutige Frau kennen, die Gansingerin Silvia Boutellier. Nach mehreren Stellenwechseln von Carlos zog es das junge Paar nach Spanien. Gemeinsam führten sie in Carlos’ Geburtsort Tordoia ein kleines Restaurant. Die Gelegenheit zum Bau eines Eigenheimes brachte dann die jungen Leute zurück nach Gansingen, dem Heimatort von Silvia.

Der Ratschlag des Gemeindeammanns
Längst ist José Carlos Muino zu einem Gansinger geworden. Er fühlt sich hier äusserst wohl. Unterdessen besitzt er auch den roten Schweizerpass. Dies sei freilich ursprünglich überhaupt nicht sein Ziel gewesen, meint er dazu. Bei einem geselligen Anlass habe ihn der Gemeindeammann auf seine Nationalität angesprochen: «Du bist doch hier bei uns bestens integriert, lebst hier und beteiligst dich aktiv am Dorfleben. Willst du dich nicht einbürgern lassen?» Bereits tags darauf hatte Carlos sämtliche Unterlagen, die für ein Einbürgerungsgesuch benötigt werden, in seinem Briefkasten. So sei er dann letztlich Schweizer geworden, was er ganz offensichtlich nie zu bereuen hatte.

Als aktives Mitglied des Veloclubs Gansingen steht für ihn das Radfahren oft im Mittelpunkt. Dies war freilich nicht immer so, gehörte doch seine Liebe ursprünglich dem Fussball. In Biel spielte er Zweitligafussball und war Schiedsrichter. Als er nach seinem Spanienabstecher nach Gansingen kam, betätigte er sich auch im Aargau als Pfeifenmann und spielte Seniorenfussball. Hier ereilte ihn dann das Schicksal: Bei einem Seniorenmatch erlitt er vor rund zehn Jahren einen schweren Unfall, der ihm danach das Fussballspielen verunmöglichte. Ein Mann wie Carlos kann aber nicht einfach herumsitzen. Er wandte sich dem Velofahren zu und fand im örtlichen Veloclub ein hervorragendes Umfeld. Der VMC Gansingen bot ihm Gelegenheit für eine optimale sportliche Betätigung und half gleichzeitig für eine problemlose Integration im Dorf.

Die Fahrt mit seinem Kollegen Sepp auf dem Jakobsweg zurück in seine alte Heimat soll nun in der «Radfahrerkarriere» von Carlos zu einem Höhepunkt werden. Am Anfang der Freundschaft von Sepp und Carlos stand übrigens auch der Jakobsweg: Susanne, die Frau von Sepp, wanderte mit Silvia, der Frau von Carlos, gemeinsam auf dem Jakobsweg. Dies führte dann die beiden Männer zusammen.

Frankreich entdecken
Die Vorbereitungen für die rund 2200 Kilometer lange Reise sind abgeschlossen, der Pilgerpass, der «Credencial del Peregrino», wo die einzelnen Etappen mit Stempel bestätigt werden, liegt auf dem Tisch. Der Starttermin ist fixiert auf Samstag, 1. September. Zum «Aufwärmen» geht es da von Gansingen gleich los über den Bürersteig. Entlang dem Aarelauf radeln sie nach Biel und von dort auf den von Veloland Schweiz ausgeschilderten Routen über Lausanne nach Genf. Am dritten Tag wollen sie die Grenze nach Frankreich überschreiten. Hier beginnt für die Zwei Neuland, haben sie doch Frankreich noch nie mit dem Fahrrad bereist. Sie haben sich deshalb entsprechendes Kartenmaterial und weitere Unterlagen beschafft. Der Jakobsweg von Genf über das französische Pilgerzentrum Le Puy-en-Velay nach Saint-Jean-Piedde-Port führt oftmals über Stock und Stein und kann deshalb mit dem Velo nicht befahren werden. Entsprechende Umfahrungsrouten sind vorgesehen. In Spanien pedalen die beiden Kollegen auf dem bekannten Camino Francés. «Hier benötigen wir keine Karten mehr. Carlos kennt sich hier bestens aus», meint Sepp lachend.

Als Training für die lange Reise haben die beiden Kollegen im Laufe dieses Jahres schon beachtliche Kilometerzahlen abgespult: Bei Sepp sind dies 2000 und bei Carlos gar 4000 gefahrene Kilometer. «Das Problem sind allerdings nicht die Beine, als vielmehr der Hintern. Das stundenlange Sitzen im Velosattel bereitet manchmal schon etwas Beschwerden», erzählen beide übereinstimmend.

«In Sachen Unterkünften sind wir nicht allzu wählerisch. Oft nächtigen wir auch in Pilgerunterkünften», meint Carlos. Hier relativiert Sepp insofern mit dem Hinweis, dass man auf so einer langen Reise gut schlafen muss, damit man anderntags ausgeruht die neuen Strapazen wieder angehen kann. «Wenn man einen ganzen Monat tagtäglich so nah beisammen ist, ist es wichtig, dass man bestens harmoniert und insbesondere, dass man einander gegenseitig vertraut,» ergänzen die beiden. Da kann man nur noch wünschen «Buen Camino!»


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