Die entstellte Rheinbrückstrasse

  31.07.2018 Leserbriefe

Wer von der Altstadt Rheinfelden über die gut hundertjährige Rheinbrücke schlendert, wird am deutschen Ufer vom «Salmegg» empfangen. Franz Joseph Dietschy, der Gründer der ersten Rheinfelder Brauerei, dem «Salmen», liess 1824/25 diese Villa ausserhalb der Stadt für seine Gattin Anna Maria Dietschy errichten. Der Bau sollte ihr als ein der Sonne zugewandtes, nach Süden und dem Rhein orientiertes Sommerhaus dienen, denn die Häuser in der Stadt waren damals oft kühl, feucht und schlecht heizbar. Zwei grosszügige Loggien verleihen dem mächtigen Bau ein fast schon mediterranes Erscheinungsbild. Gegenüber steht vorderhand noch der kleine Zollpavillon, wo die Schweizer Einkaufstouristen bei geduldigen deutschen Zöllnern ihre «Ausfuhrund Abnehmerbescheinigung für Umsatzsteuerzwecke bei Ausfuhren im aussergemeinschaftlichen Reiserverkehr» abstempeln lassen. Vielleicht entsteht hier einmal ein kleines reizendes «Treffpunkt-Café», wie Oberbürgermeister Klaus Eberhardt schon 2016 frohlockte.

Die mächtige «Energiedienst-Villa», einst das stolze Verwaltungsgebäude der Kraftübertragungswerke Rheinfelden KWR, strahlt frisch renoviert und dezent stahlblau auf die Rheinbrückstrasse. Dieser Strassenzug hätte es verdient gehabt, von architektonisch gut gestalteten Neubauten gesäumt zu werden, welche dem Zugang zur Stadt von der alten Rheinbrücke her einen attraktiven «Boulevard-Charakter» verleihen sollten.

Schöne oberbürgermeisterliche Träume waren das, man hätte sie clever umsetzen und einen städtebaulichen Wettbewerb lancieren können, oder ein paar Studien zur Strassenraumgestaltung. Nichts dergleichen geschah, sondern ein rühriger Investor erhielt für seine gefälliggrotesken Renditebauten den Zuschlag. Jetzt stehen die Kisten am Adelberg und stellen die ehrwürdige altkatholische Kirche ins Abseits. Unten an der Rheinbrückstrasse erinnert der Neubau an ein monströses Scheit, ohne jeden Bezug zur Öffentlichkeit der Strasse. Von einem heiteren Boulevard kann keine Rede mehr sein, denn ein garstiges, ungeschlachtes, halb aus dem Boden ragendes Untergeschoss begleitet nun die Passanten: plump, rücksichtslos und abweisend. Statt zu flanieren, wird man hier die Schritte beschleunigen, um möglichst schnell wegzukommen von diesem nun auf Jahrzehnte hinaus verhunzten Strassenraum. Es ist ein Jammer!

HENRI LEUZINGER, GEOGRAF UND RAUMPLANER, RHEINFELDEN


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