«Mir gefällt die Dynamik»

  11.07.2018 Rheinfelden

Clara Rohr-Willers

Wer die Türe zur ehemaligen Zigarrenfabrik Wuhrmann öffnet, taucht ein in eine andere Welt. Auf der Seite informieren Tafeln über die verschiedenen Etappen des Familienunternehmens Wuhrmann. Vor dem Eingang zum Rudolf-Steiner-Kindergarten eine schlichte Holzgarderobe, verziert mit feinen Bildern und Seidenblumen. Auf dem Weg in den ersten Stock künden Namensschilder die Ateliers Freischaffender an. Die Treppen knarren unter den Füssen. Es riecht nach altem Holz und Geschichte. Ich setze mich in einen Korbstuhl und warte auf die Künstlerin und Zeichenlehrerin Doris Becker-Galantay, die mich kurz darauf leichten Schrittes begrüsst. «Ich schätze mich privilegiert, hier zu arbeiten», schildert Doris Becker-Galantay in ihrem Atelier. «Das Areal der ehemaligen Zigarrenfabrik Wuhrmann in Rheinfelden beherbergt neben dem Rudolf-Steiner-Kindergarten viele Ateliers für Freischaffende mit unterschiedlichen Berufen. Es ist eine Bereicherung für Rheinfelden und Umgebung.» Seit zwei Monaten teilt Doris Becker-Galantay mit Lisa Greber ein Atelier. Zuvor werkte sie im so genannten «Q 37», einem Areal an der Quellenstrasse 37.

Frühe Begegnungen mit Formen und Farben
«Schon als kleines Kind durfte ich mit meinen Eltern, Besitzer der «Papeterie Suter» in Frick, zu Caran d`Ache, um neue Farben auszuwählen. Ich habe immer gern gezeichnet und an sämtlichen Malwettbewerben mitgemacht. Ich freute mich über Preise», erinnert sich die 59-jährige Künstlerin. «Früher sind Menschen aus den kleinen umliegenden Dörfern nach Frick gekommen, um in der ‹Papeterie Suter› Spielwaren, Papier- und Lederwaren zu kaufen. In den Siebzigern gab es noch keine Ladenketten wie heute und erst recht kein Online-Shopping. Unser Familienbetrieb war die Anlaufstelle für das obere Fricktal.»

Später habe sie die Fotografie entdeckt und mit 17 Jahren den Foto-Preis des Kantons Aargau gewonnen. Museen oder Ausstellungen habe sie mit ihren Eltern keine besucht. «Es waren Lehrer wie Titus Stäubli an der Bezirkschule, Martin Ruf oder die Kunstgeschichtslehrerin am Lehrerseminar Aarau, die mir Kunst und Kunstgeschichte nähergebracht haben. Im Alter von 15 Jahren hat uns Titus Stäubli das Bild ‹Perspectives› von Salvador Dalí erläutert. Es ist faszinierend, was man in Bildern, Plastiken und Skulpturen alles entdecken kann.»

«Meine Figuren sind immer in Bewegung»
Seit vielen Jahren unterrichtet Doris Becker-Galantay an der Bezirkschule Möhlin und ist für das Bühnenbild des Möhliner Lehrertheaters mitverantwortlich. «Letztes Jahr führten wir in Möhlin ein Tanz-Theater auf, in dem ich selber mit meinem Mann auftrat», schildert sie mit leuchtenden Augen. «Ich tanze sehr gern und gehe mit meinem Mann jede Woche in einen Tanzkurs. Auch meine Figuren sind immer in Bewegung. In meiner Kunst geht es um menschliche Figuren mit ihren Haltungen, Posen, Ausdrücken und Bewegungen. Mir gefällt die Dynamik.»

Was möchte sie durch ihre Werke, aber auch als Lehrerin vermitteln? «In der Kunstbetrachtung geht es unter anderem auch darum, Bildsprachen lesen zu lernen. Künstlerinnen und Künstler müssen ihre Bildsprache finden, um die eigenen Ideen umzusetzen. Meinen Schülerinnen und Schülern möchte ich die Möglichkeit geben, die Wahrnehmung zu schärfen wie zum Beispiel beim Betrachten von Bildern und Kunstwerken. Auch unterstütze ich sie dabei, die Neugier und eigene Ideen beim Malen, Zeichnen und Gestalten zu entwickeln. Wir leben in einer Zeit der Bilderflut. Meine Schülerinnen und Schüler sollen nach der obligatorischen Schule nicht unbedarft in eine sehr visuelle Welt eintreten.»

Erfolgreiche Ausstellung im Fricker «artune»
Noch stehen die meisten Werke von Doris Becker-Galantay im «artune» in Frick, wo sie gerade eine erfolgreiche Ausstellung mit dem Maler Matthias Spiess beenden konnte. Der ETH-Architekt Peter Stocker ermöglicht in seinem Haus «artune» Ausstellungen von Künstlerinnen und Künstlern aus der Region, Lesungen und Konzerte.

Mit Blick auf die Gipsfigur, an der Doris Becker-Galantay aktuell arbeitet, kommen wir ins Gespräch über ihre Leidenschaft, die sie vor drei Jahren entdeckt hat: Plastiken aus Gips und Beton, Figuren aus Papier und Bronze. «Ich habe 18 Jahre lang an der Basler Hochschule für Gestaltung und Kunst und 15 Jahre im Kanton Aargau unterrichtet. Innerhalb einer vom Kanton ausgeschriebenen Intensiv-Weiterbildung durfte ich vor drei Jahren einen Projektkurs machen, der inzwischen aus Spargründen des Kantons abgeschafft worden ist. Im Projektkurs lernte ich neue Techniken für dreidimensionales Gestalten kennen, wie den Bronzeguss und das Modellieren mit Gips», erklärt die Künstlerin und zweifache Mutter mit Wohnsitz in Magden. Neben Bronzeplastiken, die sie im Tessin angefertigt hat, lernte sie die aufbauende Technik, mit Gips zu modellieren. «Gips kann man schleifen, sägen und raspeln. Das Material inspiriert mich zu kantigen Formen», erklärt sie. Das Hauptmerkmal ihrer Gipsplastiken sei eine geometrische Formensprache, bestehend aus gerundeten und kantigen Volumen, die am Schluss organisch ineinander über gingen und an den Kubismus erinnerten. Im Gegensatz zu Skulpturen handle es sich bei Plastiken um additive Verfahren. «Bei den Gips-Plastiken kommen Materialien dazu. Es reizt mich, recht grob anzufangen und während des Schaffens neue Formen zu kreieren. Bei meinen Figuren schaue ich zunächst auf die Proportionalität und spiele anschliessend damit.»


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