Gemeindeversammlung versenkt Kies-Projekt

  15.06.2018 Rheinfelden

Dienstbarkeitsvertrag mit Holcim AG knapp abgelehnt

Fünf Stimmen machten den Unterschied: Die Rheinfelder Einwohnergemeinde-Versammlung hat den Dienstbarkeitsvertrag mit der Holcim AG zum geplanten Kiesabbau im Gebiet Grossgrüt mit 165 Ja gegen 170 Nein verworfen. Damit ist das ganze Kiesprojekt voraussichtlich vom Tisch.

Valentin Zumsteg

Viele Wortmeldungen, viele Fragen und am Schluss ein knappes Ergebnis: Rheinfelden erlebte am Mittwochabend eine intensive Einwohnergemeinde-Versammlung. 365 von 7621 Stimmberechtigten versammelten sich im Bahnhofsaal, um vor allem über das geplante Kiesprojekt im Gebiet Grossgrüt zu diskutieren. Stadtammann Franco Mazzi versuchte in seinen Ausführungen, die Skeptiker vom Projekt der Holcim AG zu überzeugen. Die Firma, die bereits heute im Gebiet «Untere Rütenen» Kies abbaut, möchte in der alten Kiesgrube Chleigrüt ein Kieswerk realisieren und sich die Abbaurechte für das benachbarte Grossgrüt sichern.

Mazzi wies daraufhin, dass im Osten von Rheinfelden bereits seit vielen Jahren erfolgreich und problemlos Kies gewonnen wird. Die Stadt habe mit der Firma Holcim, die über zehn Millionen Franken investieren wolle, gute Erfahrungen gemacht. Auch für den Wildtierkorridor, der durch das betroffene Gebiet führt, biete das Projekt Chancen. Nicht vernachlässigen dürfe man den finanziellen Aspekt: Die Einwohnergemeinde könne mit Einnahmen von knapp zehn Millionen Franken innerhalb von zwanzig Jahren rechnen, rund 6,6 Millionen Franken sollen auf die Ortsbürger entfallen. Hinzu kämen Steuererträge. Zudem betonten Franco Mazzi und Stadtoberförster Kurt Steck, dass bei einem Ja zum Dienstbarkeitsvertrag noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. Die Gemeindeversammlung könne später noch zwei Mal über das Projekt entscheiden.

«Tempo ist eine Zumutung»
In der Diskussion zeigte sich jedoch, dass die Skepsis gross ist. «Die Stadt Rheinfelden hat mit der Erarbeitung eines Raumentwicklungskonzepts begonnen. Da steht dieses Kiesprojekt quer im Ablauf», sagte Patrick Burgherr von der CVP. Zuerst müsse die Stadt klären, wie sie sich entwickeln wolle, bevor ein solches Projekt gutgeheissen werden könne. Weil es noch viele offene Fragen gebe, stellte die CVP einen Rückweisungsantrag. Ähnlich argumentierte Beat Schärer: «Wenn wir jetzt den Dienstbarkeitsvertrag annehmen, dann schränken wir beim Raumentwicklungskonzept unsere Entscheidungsfreiheit ein.»

Die GLP empfahl ebenfalls die Ablehnung: «Für uns überwiegen die Nachteile», sagte Béa Bieber im Namen der Partei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass später aus dem Kieswerk im Chleigrüt ein Betonwerk werde. Anders sah es Dimitri Papadopoulos von der SVP: «Dieses Projekt ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll. Es wäre ein Gewinn für Rheinfelden.» Auch die FDP gehörte zu den Befürwortern, während es für die SP zahlreiche ungeklärte Fragen gibt.

Ein Referendum?
Jürg Hausmann nannte die vorgelegte Dienstbarkeitsvereinbarung einen «Knebelvertrag». Alt-Stadtrat Peter Scholer wunderte sich, warum es bei diesem Projekt so eilt: «Das Tempo ist eine Zumutung. Es gibt noch viele offene Fragen, deswegen ist eine Rückweisung des Geschäfts sinnvoll.» Nach langer engagierter Diskussion ging es ans Abstimmen. Die Versammlung lehnte zwar den Rückweisungsantrag der CVP grossmehrheitlich ab. Doch in der anschliessenden Hauptabstimmung versenkten die Stimmbürger den stadträtlichen Antrag – allerdings äusserst knapp: 165 Ja standen 170 Nein gegenüber. Damit ist das Projekt bereits an der ersten Hürde gescheitert – es sei denn, die Befürworter ergreifen das Referendum. Ob dies geschehen wird, sei noch offen, ist von der FDP und der SVP zu hören. Es werde aber geprüft.

«Das ist eine verpasste Chance», sagte Stadtammann Mazzi nach der Versammlung. Wäre es denkbar, dass die Stadt in ein paar Jahren nochmals eine ähnliche Vorlage bringt? «Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Es wäre aber schwierig nach dem heutigen Entscheid.»


«Holcim bedauert den Entscheid»

Die Diskussion der Rheinfelder Einwohnergemeinde über den geplanten Kiesabbau im Grossgrüt ist auch von Vertretern der Holcim AG genau mitverfolgt worden. Die Firma wollte mit der Stadt einen Dienstbarkeitsvertrag abschliessen und sich so das Abbaurecht sichern. Doch dieser Vertrag ist am Mittwoch mit 165 Ja zu 170 Nein abgelehnt worden. «Das Resultat war knapp. Holcim bedauert den Entscheid der Einwohnergemeinde. Die Ortsbürgergemeinde hat dem Dienstbarkeitsvertrag am Montag zugestimmt – wir danken für das Vertrauen», sagt eine Holcim-Sprecherin gegenüber der NFZ.

Mit dem Entscheid vom Mittwoch komme der Vertrag zwischen Holcim und der Einwohnergemeinde als Landeigentümerin nicht zustande. «Über einen allfälligen weiteren Projektverlauf informieren wir zu gegebener Zeit», sagte die Sprecherin weiter. Sie wollte sich auf Nachfrage nicht dazu äussern, ob die Firma prüft, ein abgespecktes Projekt umzusetzen. Theoretisch wäre es denkbar, dass Holcim mit den übrigen Landeigentümern (Ortsbürgergemeinde, Landwirt Daniel Soder und Neumatt AG) weiterplant. (vzu)

 


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