Stillsitzen? Nicht sein Ding!

  16.05.2018 Oberhof

Gabi Reimann

Schnell wird klar, einfach so zusammen am Tisch sitzen, Informationen austauschen, das funktioniert mit Fredy Hafner aus Oberhof nicht. Seine Umtriebigkeit lässt ihn immer wieder «aufhüpfen». Sei es, um Relikte herbei zu bringen, die das Gesagte untermauern. Fotos herbei zu tragen, die seine Leidenschaft visualisieren. Spannend ist, was er zu berichten hat – seine Präsenz erlaubt es dem Zuhörer kaum, auch nur ein Wort verpassen zu wollen. Auf den eigentlichen Grund unseres Treffens kommen wir irgendwie immer wieder zurück. Mal da, mal dort innerhalb einer angeregten Unterhaltung, Es ist die Alp. Eine seiner ganz grossen Leidenschaften: «das z’Alp gehen». Die Bewirtschaftung dort oben, «z’Berg». Es sind die Herausforderungen an die Ökologie in Bergregionen. «Schon als Kind habe ich den Sommer auf der Alp verbracht. Eine Woche der Sommerferien mussten wir in der heimischen Sägerei in Frick, wo ich aufgewachsen bin, helfen. Die restlichen vier Wochen durfte ich zu meinen Verwandten auf die Alp in Sörenberg.» Ein Funke Wehmut schwingt mit. «Es war hart, wenn wir jeweils am Ende des Sommers wieder ins Tal mussten».

Aussteiger? Nein!
Während der Berufsausbildung zum Kaufmännischen Angestellten musste Hafner das «z’Alp gehen» zurückstellen. Doch immer war klar: «Nach Abschluss der Ausbildung will ich eine Anstellung auf einer Alp annehmen.» Eine solche war schnell gefunden. Und betont sei’s: «Ich war kein Aussteiger! Keiner von denen, die auf der Alp zu sich selbst finden mussten. Ich war der, der sich über fünf Monate lang dieser Siebentagewoche stellen wollte. Der Zäune aufbauen, unterhalten und sie anschliessend wieder abräumen wollte. Der zu den Tieren schauen wollte.» Natürlich habe er die Einsamkeit nicht gescheut. Im Gegenteil, er habe sich immer sehr bewusst mit ihr arrangieren können und sie durchaus geschätzt. So zog Saison um Saison ins Land, in all denen Hafner unterschiedliche Alp-Betriebe mehrheitlich in der Region Entlebuch bewirtschaftete. So blickt der heute 68-Jährige auf einen vielfältigen Lebenslauf zurück. Ob als kaufmännischer Angestellter im Bereich Werbung oder als selbständiger Unternehmer mit einem Reit- und Ferienzentrum im Napfgebiet und zuletzt über 25 Jahre lang im Aussendienst der Landi im Fricktal. Er war nur eines nie: untätig!

Und dann kam sie: Elisabeth. Kaum verwunderlich, lernten die beiden sich auf einer Alp kennen. «Ich war aber nur zu Besuch», ergänzt Elisabeth Hafner schmunzelnd. Es meldete sich das erste Kind an, man heiratete 1984, baute das Haus in Oberhof praktisch eigenhändig und plötzlich waren die Prioritäten ganz anders gelagert. «Z’Alp gehen?» Vorerst nicht! Fredy Hafner brauchte einen geregelten Job, um Haus und die Familie zu finanzieren. «Und immer sagtest Du», ergänzt Elisabeth Hafner, «wenn ich pensioniert bin, dann gehe ich wieder z’Alp.» Wer nun denkt, Fredy Hafner sei in jener Zeit – ohne die Alp – zum frustrierten, inzwischen vierfachen, Familienvater und Ehemonster mutiert, täuscht sich. Schliesslich sind da noch so viele Interessen, die gestillt werden wollen: Die Imkerei, die Geissenzucht, der Laufsport, der Skisport, früher gar noch Kunstturnen oder Distanzritte mit seinen selber gezüchteten Pferden. Eine reiche Palette an Pokalen und Berg-Kristallen im Eingangsbereich des Einfamilienhauses zeugen von regelmässigen Erfolgen. Sie stehen als Zeitzeugen für jene ausgewogene und disziplinierte Persönlichkeit Fredy Hafner. Der nun seit rund vier Jahren pensioniert ist und – wen wundert’s – die vergangenen Sommer wieder zusammen mit seiner Frau Elisabeth auf der Alp verbracht hat. Für sie sei das Neuland gewesen, sagt Fredy Hafner mit liebevollem Blick auf seine Frau gerichtet: «Aber es ist wunderbar, dass sie alles mit grosser Freude mitmacht und mit Herz und Verstand mit anpackt.» Zunächst verschlägt es die beiden wieder in die Region Entlebuch und für eine neue Saison nach Flühli-Sörenberg. Im ersten Sommer verbringen sie fünf Monate am Stück auf der Alp und nehmen gar ihre Bienen mit. Später, aus Flühli-Sörenberg, reist Elisabeth dann wöchentlich heim ins Fricktal, um die Grosskinder mit zu betreuen und einen Blick auf das Haus in Oberhof zu werfen, während Fredy auf dem 40-Hektar-Murimoos-Betrieb mit zwei grossen Stallungen, der Herde Rätischem Grauvieh und einem Bestand an Schottischen Hochlandrindern zum Rechten schaut.

Viel hat sich verändert
In rund 40 Jahren, in denen ihn nun die Erfahrung des «z’Alp gehens» begleitet, hat sich viel verändert. «Es ist gut, dass die Ökologie in den Bergregionen deutlich besser geschützt und beispielsweise Moorlandschaften bewusst gepflegt werden.» Allerdings sieht er auch Probleme darin, dass gewisse Alpenregionen, insbesondere Weideflächen und Wälder, so zu verwildern drohen. «Dass heute praktisch sämtliche Alpweideflächen vom Tal aus bewirtschaftet werden, bringt zudem viel mehr Verkehr in früher unberührte Gebiete.»

Ob Hafners den Sommer 2018 wieder auf der Alp verbringen, bezweifeln sie derzeit. «Die Bewirtschaftung einer Alp im Angestelltenverhältnis ist heutzutage kein Zuckerschlecken mehr», bedauert Fredy Hafner. Meist sei die Bereitschaft gering, einen fairen Lohn zu zahlen und dabei werde erwartet, dass über die Jahre verkommene Alpbetriebe «mal so nebenbei wieder» in Schuss gebracht würden. Dies sei mit einem überdimensionalen körperlichen Aufwand verbunden, den er nicht mehr gewillt sei, zu leisten. Vorstellen könnten er und seine Frau sich aber durchaus, eine Privat-Alp mit Geissen zu bewirtschaften. Diese Idee hat zusammen mit zwei guten Freunden von Fredy Hafner einen reellen Nährboden. Man darf gespannt sein – denn auch wenn Fredy Hafner sagt, es sei Zeit, etwas weniger zu arbeiten, fällt schwer, ihm das so ganz wörtlich abzunehmen.

Dieses Portrait, mit freundlicher Genehmigung der Kulturkommission Wölflinswil-Oberhof, erschien in der gemeinsamen Dorfchronik beider Gemeinden, der «Rückblende 2017».
Die Chronik ist im Volg Wölflinswil und auf der Gemeindeverwaltung für 25 Franken erhältlich.


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