«Mein Respekt vor den Politikern ist gewachsen»

  13.05.2018 Kultur, Persönlich

Mike Müller tritt in Frick und Hottwil auf

Nach dem Abschied von «Giacobbo/Müller» gönnte sich Mike Müller eine Auszeit in der Wüste und schrieb die Komödie «Heute Gemeindeversammlung», mit der er solo im Aargau auftritt. Im Mai und Juni ist er auch im Fricktal.

Reinhold Hönle

NFZ: Herr Müller, finden Sie Dorfpolitik momentan spannender als die nationale Auseinandersetzung? Mike Müller: Schwer zu sagen, nach neun Jahren satirischem Umgang mit eidgenössischer Innenpolitik und drei Recherche-Stücken hatte ich vor allem Lust, etwas Fiktionales zu machen und die politische Ebene zu wechseln. Und das ist im Theater möglich, weil man eine Behauptung aufstellen kann. Ich spiele nicht die Gemeindeversammlung eines realen Orts, sondern lasse meine Komödie in einem erfundenen Dorf handeln.

Was reizt Sie daran?
In der Schweiz wird die politische Diskussion durch die grossen Polparteien SVP und SP dominiert, die manchmal viel Wind um nichts machen, bluffen und Aggressionen oder Ängste schüren. In der Gemeindeversammlung geht es zwar oft auch emotional zu – es ist ja quasi eine «Arena», aber man kommt nicht nur zusammen, um zu plagieren und zu diskutieren, sondern mehr, um Sachentscheide zu fällen. Dann verwischen sich die Parteigrenzen. Die Geschichten, die darum herum passieren, sind für mein Stück ein super Teppich.

Wie viele Gemeindeversammlungen haben Sie in Ihrem Leben schon besucht?
Eine. Nur eine Einzige. Mit 20. Die hat sehr lange gedauert, es hat einen Riesenstreit gegeben und am Schluss hat der Gemeindepräsident sein Amt niedergelegt...

Haben Sie sich damals auch zu Wort gemeldet?
Nein, wir waren gerade neu zugezogen. Ich habe nur gestaunt, was da ablief. Meine Eltern dachten, eine Gemeindeversammlung wäre viel besser als jeder staatspolitische Unterricht. Sie sind dann selbst erschrocken, wie das dort zuging.

Und Sie haben sich nachher nicht mehr hingetraut?
Das war nicht der Grund. Ich bin kurz darauf für mein Studium weggezogen und habe mich auch andernorts – wie viele in diesem Alter – nicht brennend für Gemeindeversammlungen interessiert. Aus mir wird eh nie ein Politiker.

Und wenn Sie die Wahl zwischen Bundes- und Gemeinderat hätten?
Bundesrat wäre auf den ersten Blick attraktiv. Aber ich kann das nicht. Ich kann auch nicht soviel arbeiten wie ein Bundesrat. Durch meine vielen Begegnungen mit Politikern in unserer Sonntagabend-Sendung ist mein Respekt vor ihnen gewachsen. Viele machen das wirklich aus einem Engagement für die Sache, nicht wegen Geld und Ruhm, und sie gibt es quer durch alle Parteien.

Sie gehören keiner Partei an?
Ich denke, ein Komiker oder Satiriker, der nur motzen kann und keine Lösungen vorschlagen muss, Leute überzeugen, Grundlagen schaffen, sich durchsetzen und Kompromisse eingehen, sollte nicht politisch tätig sein.

Wie kommt es, dass Sie «Heute Gemeindeversammlung» in der Mohave-Wüste geschrieben haben?

Ehrlich gesagt: Ich hätte das Stück auch in Niederbipp oder Altstetten schreiben können, aber ich habe eine Schweizer Freundin, die in der unheimlich beeindruckenden Landschaft des Joshua-Tree-Nationalparks, unweit vom Studio, wo U2 ihr Album aufgenommen haben, ein Guesthouse hat. Nach dem Ende von «Giacobbo/ Müller» schaffte ich es endlich, dort eine dreimonatige Auszeit zu nehmen. Ich habe sie genutzt, um an dieser Komödie zu arbeiten. Und zwar ziemlich diszipliniert. Ohne Druck geht bei mir gar nichts!

Weshalb bevorzugen Sie Solo-Stücke?
Natürlich wären viele Szenen einfacher zu spielen, wenn wir mehrere Schauspieler wären. Das besondere am Theater ist jedoch, dass man einfach behaupten kann, dass man mehrere Personen ist – das geht im Film oder Fernsehen nicht. Ich ziehe mich in diesem Stück nicht einmal um, wenn ich eine Frau spiele.

Wie wichtig sind Ihnen Ihre verschiedenen Karriere-Standbeine?
Die wirklich freie Szene sind Komiker und Komikerinnen. Die bekommen von niemandem Geld, wollen es auch nicht und können dafür alles selbst bestimmen. Das geht bei Filmprojekten nicht, wo unter zwei Millionen fast nichts möglich ist. Selbst eine «Bestatter»-Folge mit nur 11 Drehtagen kostet 700 000 Franken, weil viele verschiedene Leute involviert sind. Da dies in der kleinen Schweiz sonst nicht zu finanzieren wäre, bin ich ein entschiedener Verfechter der SRG und war gegen die Abschaffung der Billag.

Wie hat die Rolle des Bestatters Mike Müller verändert?
Ich hoffe, dass ich eine bestimmte Distanz zu meinen Figuren wahren kann und Luc Conrad deshalb nicht auf mich abgefärbt hat. Aber es steckt schon viel von mir in dieser Figur. Wenn ich während den Dreharbeiten vom «Bestatter» träume, bin ich jedoch nicht in der Geschichte, sondern auf dem Set. Zum Beispiel habe ich immer Angst, dass der Leichenwagen kaputt geht. Das wäre eine Katastrophe.

Besitzt die Produktion kein Ersatzfahrzeug?
In Deutschland hätte man natürlich eines und in Frankreich zwei. Ausserdem würde man das Auto mit dem Tieflader transportieren und die Strassen für den Dreh absperren...

Apropos Gemeinde-Identität: Fühlen Sie sich eigentlich als Oltner oder als Wahl-Zürcher?
Da wir in die Region Olten gezogen sind, als ich ein Kind war, und mich lange dort aufgehalten sowie viele Freunde und mein Theaterstudio habe, bezeichne ich mich als Oltner, obwohl ich bei geborenen Oltnern nicht als solcher gelte. Inzwischen bin ich überzeugter Zürcher. Ich habe sogar eine noch grössere Zürischnurre.


Vielseitiger Komiker und Schauspieler

Der Schauspieler und Komiker Mike Müller, der am 25. Oktober 1963 in Grenchen geboren wurde, spielte in Zürich am Theaterhaus Gessnerallee und am Schauspielhaus und wurde einem breiten Publikum als Sketch-Darsteller in «Viktor’s Spätprogramm» (u.a. als Peter Bichsel) bekannt. Er wirkte in Kino-Hits wie «Ernstfall in Havanna», «Achtung, fertig, Charlie!» und «Mein Name ist Eugen» mit. 2008 bis 2016 war die Late-Night-Show «Giacobbo/Müller» das satirische Aushängeschild des SRF. Als Titelfigur Luc Conrad steht er seit 2013 im Mittelpunkt der Krimiserie «Der Bestatter».

Mit seinem Solo-Stück «Heute Gemeindeversammlung» tritt er im Aargau am 2. Mai in Schöftland (Aula), 21. & 23. Mai in Frick (Fricks Monti), 5. – 7. Juni in Aarau (Alte Reithalle), 8. & 9. Juni in Hottwil (Turnhalle) und 21. September in Wohlen (Kantiforum) auf. (rhö)

www.mike-mueller.ch


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