«Das Glockenspiel freut das ganze Dorf»

  10.05.2018 Magden

Im Juni ist die Einweihung des Magdener Glockenspiels

Roland Gschwind, Teil der siebenköpfigen «Kommission agden», hatte vor acht Jahren die Idee eines Glockenspiels an der Reformierten Kirche in Magden, dessen Vervollständigung durch vier grössere Glocken am 24. Juni festlich eingeweiht wird. Gesucht werden Sponsoren für diese letzten vier Glocken.

Clara Rohr-Willers

«Schon vor rund 50 Jahren bei der Planung des Kirchgemeindehauses «Gässli» waren sich alle einig: Es braucht Glocken für die Reformierte Kirche», erinnert sich Roland Gschwind. Ein Glockenturm als Konkurrenz zur christkatholischen und römisch-katholischen Kirche sei nie Thema gewesen. Roland Gschwind, seit 1999 Mitglied der Kommission Reformierte Kirchgemeinde Magden-Olsberg (vormals Gemeindeverein Magden-Olsberg), kam vor acht Jahren per Zufall auf die Idee. «2011 entstand der neue Magdener Dorfplatz. Der Anblick des Glockenspiels am Gebäude «Zum Schiefen Eck» in Rheinfelden oder des Berner Zytglogge-Spiels brachte mich auf die Idee eines Glockenspiels für unser Kirchgemeindehaus, für die Magdener Dorfbevölkerung und als Attraktion und Aufwertung unseres neuen Dorfplatzes. Es sollte ein Glockenspiel von der Bevölkerung für die Bevölkerung werden.»

«Glockenklänge sind für mich Heimat»
Der Gemeinderat unterstützte die «Kommission Magden» und das Glockenspiel, seit die Idee auf dem Tisch lag. Roland Gschwind holte Offerten ein und befasste sich immer mehr mit dem Thema Glocken. «Eine bekannte Aargauer Glockengiesserei zeigte erstaunlicherweise kein Interesse. Schliesslich engagierten wir die Firma Muff AG aus dem luzernischen Triengen, die mit der Traditionsfirma Grassmayr aus Innsbruck zusammenarbeitet.» Der österreichische Familienbetrieb Grassmayr giesst seit 1599 Glocken in Handarbeit. Eine Glocke besteht aus vielen Tönen, die berechnet werden müssen, damit am Schluss der gewünschte Grundton entsteht. «Sie haben auch schon probiert, das ganze Material für den Guss zu vereinfachen und billigere Rohstoffe zu verwenden. Ohne Erfolg. Sie mussten wieder auf das Grundrezept von 1599 zurückgreifen», schildert Roland Gschwind.

Seit über 3500 Jahren gebe es Glocken. Die ältesten seien unter der chinesischen Shang-Dynastie 1500 vor Christus entstanden. Es gebe mannigfaltige Glocken aus Materialien wie Ton, Holz oder Metall. «Praktisch in jeder Religion sind Glocken präsent», so Roland Gschwind. Die Marienglocke, die älteste noch läutende Glocke in der Schweiz, stamme von 1291 und befinde sich in der Probstei-Kirche in Wagenhausen.

«Glockenläuten ist für mich kein Lärm», erklärt Roland Gschwind, der den Glockenklang während seiner Auslandaufenthalte immer vermisst hat. «In Kirchen in Australien oder den USA gibt es keine Glocken wie bei uns.» Das Schlagen der Glocke gebe uns die Uhrzeit an und erinnere uns gleichzeitig an die Endlichkeit unseres Menschenlebens. «Glockenklänge sind für mich Heimat», so Roland Gschwind.

Von Basel hinaus in die weite Welt
Roland Gschwind ist in Basel, wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, aufgewachsen. «Während des Krieges erklangen in den besetzten Gebieten immer weniger Glocken. Sie wurden für den Waffenbau eingeschmolzen. Auf diese Art gingen unzählige wertvolle Kunstwerke für immer verloren», schildert er.

Roland Gschwind absolvierte eine kaufmännische Lehre bei einer an der Basler Börse, im heutigen BAZ-Gebäude, tätigen Ringbank. «Am Börsenring haben sich die verschiedenen Banken Aktien und Obligationen noch persönlich «à la criée» verkauft. Für mich eine unglaublich spannende und aufregende Zeit.» Nach der Lehre arbeitete er bei einer Genfer Bank im Devisenhandel, lebte in England und anschliessend mit seiner Freundin und späteren Ehefrau in Australien. «In Australien lernte ich, was es heisst, arbeitslos zu sein und Türklinken zu polieren», erinnert sich Roland Gschwind. «In den Siebziger Jahren war dort das Lohnniveau sehr tief und zusätzlich gab es den grossen Crash des Dollars, der damals noch 4 Franken und 30 Rappen Wert war. Erst nach zwei Monaten erhielt ich ein Engagement als Kaufmann bei der «Zeiss Optik» in Sydney.» Wieder zu Hause in Basel erwartete Roland Gschwind die gegenteilige Situation: Er konnte unter verschiedenen Stellenangeboten auswählen und arbeitete fortan für den Devisen-, Notenhandel und den Handel mit Edelmetall.

«Die Herzlichkeit in Singapur war eindrücklich»
Später wohnte die nun vierköpfige Familie Gschwind viele Jahre in Singapur. «Geschäftlich musste ich viel reisen und hatte Einblick in unterschiedlichste Kulturen», schildert der 70-Jährige. Jede Kultur habe eigene Codes, die man sich aneignen müsse.

«An der Schweizer Schule in Singapur genossen unsere Kinder ein äusserst herzliches und sehr familiäres Klima. Jeden Morgen bildeten zum Beispiel alle Schülerinnen und Schüler sämtlicher Klassen und Stufen einen Kreis und sangen gemeinsam ein Lied. Ein kleines Problem in der Schule waren die Äffchen, die es auf die Znünitaschen der Kinder abgesehen hatten», erinnert er sich schmunzelnd.

Nach einem letzten zweijährigen Aufenthalt in Singapur liess sich die Familie Gschwind endgültig in der Nordwestschweiz und zwar in Magden nieder. Ins Ausland reiste Roland Gschwind weiterhin. Von 1992 bis 2011 betreute er ausländische Kunden im Private Banking.

Glocken überdauern viele Generationen
«2,5 Tonnen wiegt der Muschelkalkstein aus Döttingen AG und 400 Kilogramm die 20 Glocken. Dazu kommt die 400 Kilogramm schwere Tragkonstruktion aus Stahl», erklärt der pensionierte Kaufmann begeistert. Seit dem 1. Mai hängen alle 20 Glocken am Muschelkalkstein und erfreuen die Magdener von Montag bis Freitag um 11.55 Uhr und am Mittwoch und Samstag jeweils um 17 Uhr. «Im Gegensatz zum statischen, immer gleich starken Glockenanschlag der üblichen Glockenspiele, ist dasjenige im Gässli das aktuell modernste dynamische Glockenspiel der Schweiz und das einzige an einem reformierten Kirchgebäude schweizweit. Man kann die Anschlagstärke variieren analog eines Pianos», schildert er. Eine Glocke könne bis zu acht Mal pro Sekunde angeschlagen werden und das Glockenspiel computergesteuert oder live auf einem Keyboard bespielt werden. Das bisherige Glockenspiel mit 16 Glocken wurde ausschliesslich durch Private, Vereine, Firmen, die politische Gemeinde und die Schwesterkirchen gesponsert.

Gesucht werden nun Sponsoren für die letzten vier Glocken. «Jegliche Spende kann man von den Steuern abziehen, da es sich um eine gemeinnützige Institution handelt», schildert Roland Gschwind. Es sei eine einmalige Gelegenheit als Sponsor seinen Kindern und Kindeskindern zu sagen: «Diese Glocke ist die Glocke unserer Familie.» Glocken überdauern viele Generationen.


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