Biobauer mit Herz und Verstand

  20.04.2018 Kaisten

Anders sein als andere. Dies zieht sich fast wie ein roter Faden durch das Leben des Stefan Jegge aus Kaisten. So anders ist er doch gar nicht, oder? Klar ist, dass der Mann Ecken und Kanten hat und dass er gerne andere Methoden wählt, um zum persönlich gesetzten Ziel zu kommen. Für viele dürfte er in mancherlei Hinsicht gar leuchtendes Vorbild sein.

Bianca Ritter

Stefan Jegge aus Kaisten ist ein Mann der Tat. Ein Mann, der Veränderungen und somit auch Herausforderungen liebt. Und einer, der sich Ziele setzt, um etwas durchzuziehen. Dranbleiben ist das Motto, ohne Scheuklappen durchs Leben gehen. Sein Metier ist die Landwirtschaft im Allgemeinen und der eigene Bio-Bauernhof im Speziellen. 2002 hat er mit seiner Frau Anita den seit 1951 existierenden Hof von seinem Vater übernommen. Und nicht nur das, er hat den bereits da und dort eingeschlagenen Weg in Richtung Biobetrieb weiter verfolgt und noch im selben Jahr komplett auf Bio umgestellt.

Auf du und du mit der Natur
Unser heutiger Gast im «Persönlich» wollte schon immer Bauer werden. Es ist die Liebe zur und die Verbundenheit mit der Natur, die ihn stets begleitete. Der sorgsame Umgang, notabene. Auf du und du sein mit der Natur. Stefan Jegge hat mit der natürlichen Umstellung auf Bio folglich auch sehr viel verändert und in Bewegung gesetzt. Eine der auffallendsten Besonderheiten dürfte die Tatsache sein, dass er auf dem Berghof vor über zehn Jahren begonnen hat, auf das Prinzip «Vollweide mit saisonaler Abkalbung» zu setzen.

Vom Privileg der Melkferien
Die derzeit 46 Kühe haben sehr viel Auslauf und Bewegung auf der Weide und wurden gezielt so «erzogen», dass sie immer zur selben Zeit ihre Kälber zur Welt bringen. Eine wahre logistische Meisterleistung, die aber tatsächlich umgesetzt werden konnte und die dazu führte, dass 2003 erstmals sogenannte Melkferien gemacht werden konnten. Das heisst, dass von jeweils Anfang November bis Mitte Dezember die Kühe nicht gemolken werden müssen. Just jene in der Landwirtschaft normalen anderthalb Monate, bevor Kühe eben ihre Jungen zur Welt bringen. Ein einziger Muni ist im Berghof übrigens für seinen Harem alleine zuständig...

So verfolgt man als Mitglied der IG Weidemilch seither neue Zuchtziele, um eine möglichst homogene Herde zu bekommen und um beste Voraussetzungen zu schaffen für beste Milch. Die Milchwirtschaft ist nur ein Thema, das Stefan Jegge bewegt. Da durch den Sommer deutlich weniger Arbeit mit den Kühen anfällt, bleibt Zeit für anderes. Für die Produktion von Bio-Tafeltrauben beispielsweise. 2005 wurde eine 30 Aren grosse Anlage gebaut, um sich fortan auch diesem Nischenprodukt zu widmen. Die Abnehmer dieser Tafeltrauben sind für einmal nicht die Grossverteiler, sondern in erster Linie die Bio Partner Schweiz AG in Seon, welche wiederum Bioläden, Reformhäuser oder zum Teil auch die Gastronomie beliefert. Weitere Abnehmer sind Marktfahrer und der Dorfladen in Kaisten.

Der Erfolg gibt ihm Recht
Es sind solche, etwas andere Projekte, die Stefan Jegge und seinen Hof ausmachen, dem Betrieb den Stempel Jegge aufdrücken. Das braucht manchmal etwas mehr Biss und Durchhaltewillen. Aber genau da kommt Stefan Jegges Stärke, die Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit, gut zum Tragen. Latent böse Zungen würden nun schmunzelnd sagen, dass wenn er sich mal etwas in den Kopf gesetzt hat... Aber der Erfolg gibt dem Landwirt sicher Recht.

Grosses Engagement in der «Freizeit»
Sein starkes Engagement widerspiegelt sich auch in ziemlich vielen Vereinsaktivitäten und Ämtern. So ist er schon «ewig» im Turnverein, leistet Einsatz in der Feuerwehr, ist Mitglied der Naturkommission, leitet die kommunale Erhebungsstelle für Landwirtschaft und ist somit Bindeglied zwischen den örtlichen Landwirten und dem Amt für Landwirtschaft im Aargau. Dann ist er im Viehversicherungsverein, im Viehzuchtverein und bekleidet noch diverse andere Ämter, die sich betriebsbedingt ergaben.

Sehr wichtig ist Stefan Jegge seine Familie mit den drei Kindern. Und auch ein gut betreuter Lehrling wohnt auf dem Berghof, da sich Stefan Jegge seit 2007 auch für den Berufsnachwuchs einsetzt und gerne sein Wissen an die nachfolgende Generation weitergibt. Persönlich sieht er sich eher als einer, der gegen den Strom schwimmt. Nicht um sich partout abheben zu wollen, sondern weil es ihn halt stets reizt, etwas Neues zu entdecken und gewisse Dinge anders zu machen als andere. «Es ist nichts so beständig wie die Veränderung», sagt er dazu im Gespräch. Ein bekannter Satz, den man in seinem Fall schon fast als Motto gelten lassen könnte.

Stefan Jegge ist ein offener Typ, aber auch einer, der in gewissen Dingen eine eher konservative Haltung an den Tag legt. In dem Zusammenhang wurden unsere Werte zitiert, die ja gelegentlich schon etwas unter die Räder zu kommen drohen. Wer jetzt denkt, dass dieser Landwirt in dem Fall sicher ein SVP-Hardliner ist, liegt aber falsch. Denn auch politisch geht ein Mann wie Stefan Jegge gern eigene Wege, er fühlt sich daher auch keiner Partei wirklich zugehörig.

Zugehörig fühlt er sich seinem Hof. Sein Ein und Alles sind die Frau und die Kids, mit denen er dieses Jahr erstmals mit dem Flugzeug ans Meer fliegt. Ja, und Schokolade und Desserts allgemein seien so explizite Schwächen von ihm, meint er schmunzelnd. Er ist kulinarisch betrachtet halt ein süsser Kerl, der Stefan Jegge aus Kaisten. Und ein Biobauer mit Herz und Verstand.


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