«Wir fühlen uns erpresst»

  01.03.2018 Kaiseraugst

Diskussion um höhere Parkgebühren in der Kaiseraugster Liebrüti

Nach dem Bau des geplanten Domus-Turms in der Kaiseraugster Liebrüti sollen die Parkgebühren markant erhöht werden. Das ist das Ergebnis von Verhandlungen des Gemeinderats mit dem Verkehrs-Club Schweiz. Bei den Bürgern und den Gewerblern kommen die Pläne schlecht an. Im Interview nimmt Gemeindepräsidentin Sibylle Lüthi Stellung.

Valentin Zumsteg

NFZ: Frau Lüthi, haben Sie viele Reaktionen auf die geplante Erhöhung der Parkgebühren in der Liebrüti erhalten? Sibylle Lüthi: Bis jetzt noch nicht. Bisher hat mich persönlich niemand darauf angesprochen. Ich lese aber natürlich die Leserbriefe, die zu diesem Thema veröffentlicht wurden.

Die neuen Parkgebühren sind das Resultat aus Verhandlungen mit dem Verkehrs-Club Schweiz (VCS), Sektion Aargau. Wieso hat sich der Gemeinderat auf die höheren Gebühren und die Bewirtschaftung ab der ersten Minute eingelassen?
Wir haben uns beim Kanton erkundigt. Er stützt die höheren Parkgebühren und die Bewirtschaftung ab der ersten Minute. Kaiseraugst ist immissionsbelastet. Wir müssen alles unternehmen, damit die Immissionen nicht höher werden. Ich muss aber betonen: Wir als Gemeinderat finden die höheren Parkgebühren auch nicht toll. Wir mussten uns auf den Deal einlassen, weil wir wussten, dass der VCS die Sache weiterziehen würde und dann hätten wir keine Chance. Die höheren Parkgebühren werden aber nicht ab sofort eingeführt, sondern erst nach Fertigstellung des neuen Domus-Turms. Das dauert noch ein paar Jahre.

Hätte es nicht andere Möglichkeiten gegeben?
Nein, der VCS war stur. Wir haben probiert, ein paar Gratis-Parkplätze für Kurzparkierer zu schaffen, doch er blieb hart. Es waren lange Verhandlungen. Der VCS wollte ursprünglich zwei Franken für die erste Stunde. Wir sind froh, dass wir ihn auf 1,50 Franken drücken konnten. Die jetzige Lösung macht uns aber auch nicht glücklich. Wir fühlen uns erpresst. Flächendeckende Parkgebühren werden vom VCS schweizweit gefordert. Wir müssen zukünftig in der ganzen Schweiz mit solchen Gebühren rechnen.

Denken Sie, dass dank der höheren Parkgebühren der Verkehr tatsächlich zurückgeht?
Das ist das, was sich der VCS erhofft. Ich weiss es nicht.

Mit den neuen höheren Parkgebühren wird das Liebrüti-Zentrum für Besucher unattraktiver. Es besteht die Gefahr, dass die Ladenbesitzer dies zu spüren bekommen. Bereitet Ihnen das keine Sorgen?
Doch, dessen bin ich mir bewusst. Mit dem Neubau des Domus-Turms soll aber das Zentrum insgesamt attraktiver werden. Dann verweilt man länger. Es besteht natürlich die Gefahr, dass noch mehr Schweizer Konsumenten zum Einkaufen nach Deutschland fahren. Das wäre sehr kontraproduktiv. Das haben wir auch in den Verhandlungen mit dem VCS eingebracht, doch damit stiessen wir auf taube Ohren.

Ladenbesitzer und Bürger sind verärgert über die Pläne, wie die zahlreichen Leserbriefe zeigen. Haben Sie Verständnis dafür?
Ja, klar. Ich kann das gut verstehen. Ich bin auch verärgert. Wir hatten aber keine Wahl.

Im Gegensatz zur Liebrüti sind derzeit die Parkplätze beim Coop Bau+Hobby noch kostenlos. Dort machte der VCS auch eine Einsprache. Der Fall ist derzeit beim Verwaltungsgericht hängig. Mit was für einem Entscheid rechnen Sie?
Das kann ich nicht voraussagen. Wir befinden uns in einem laufenden Verfahren. Es ist aber so, dass der Entscheid für eine Parkgebühr ab der ersten Minute ein Präjudiz darstellt, welches Auswirkungen auf die ganze Gemeinde hat.

Wie geht es jetzt weiter? Besteht die Möglichkeit, dass der Gemeinderat nochmals auf seinen Entscheid betreffend Parkgebühren im Liebrüti-Zentrum zurückkommt?
Nein. Wenn wir uns gegen die höheren Parkgebühren aussprechen, dann zieht der VCS den Entscheid weiter – und er wird vom Kanton gestützt. So würde nur der Domus-Turm verzögert. Das wollen wir nicht. Wenn es Beschwerden gibt, ist der Kanton dafür zuständig.


Für Kurzparkierer wird es teurer

Heute zahlen die Automobilisten für das Parkieren in der Kaiseraugster Liebrüti relativ wenig. Die erste Stunde ist gratis, für die zweite bis fünfte Stunde zahlt man je einen Franken, ab fünf Stunden sind es zwei Franken pro Stunde. Das soll sich ändern. Im Zusammenhang mit dem Bau von rund 100 Wohnungen im geplanten Domus-Turm hat der Gemeinderat im Januar die Sondernutzungsplanung «Liebrüti Zentrum» genehmigt. Gegenüber der im Herbst 2017 öffentlich aufgelegten Version gibt es eine Anpassung: «Parkfelder für Kunden sind gebührenpflichtig ab der 1. Minute zu bewirtschaften.» Ab der ersten Stunde soll man neu mindestens 1.50 Franken bezahlen, die zweite Stunde kostet mindestens einen Franken und ab der dritten Stunde kommen mindestens 50 Rappen pro Stunde dazu. Derzeit liegt die Sondernutzungsplanung «Liebrüti Zentrum» auf der Gemeindekanzlei öffentlich auf. Bis am 17. März kann man beim Kanton eine Beschwerde gegen die Vorlage machen (die NFZ berichtete). (vzu)


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