Rhein ins Vergnügen – Jakob Vogt und seine Passion

  07.02.2018 Wittnau, Persönlich

Der Wittnauer Jakob Vogt schwimmt seit 40 Jahren im Rhein. Täglich.

Jakob Vogt ist auf jeden Fall ein spezieller Zeitgenosse. Manche würden ihn für abgebrüht oder sogar etwas «verrückt» halten. Denn der Mann aus Wittnau schwimmt seit rund 40 Jahren im Rhein. Jeden Tag. Dies beinhaltet notabene auch die Wintermonate. Ausnahmen gibt’s so gut wie keine.

Bianca Ritter

Man sagt im Allgemeinen, dass sich Schwimmer im Schnitt eine Minute pro Grad Wassertemperatur im kalten Nass aufhalten schwimmenderweise. Am Tag des Interviews mit Jakob Vogt war der Rhein kalt, sehr kalt. Und doch schwamm Jakob Vogt mindestens zehn Minuten im Fluss. So, wie er das halt jeden Tag tut. Für ihn persönlich war das aber schon eher am unteren Limit zeitlich. Der Wittnauer schwimmt seit rund 40 (!) Jahren – mit wenigen Ausnahmen – täglich im Rhein. Auch im Winter.

Wohlfühltemperatur 15 Grad
Vor allem in den letzten zehn Jahren, so meinte er im Gespräch, sei er wirklich konsequent und schwimme jeden Tag im Rhein. Selbst dann, wenn die Aussentemperatur im zweistelligen Bereich ins Minus abtaucht, wie vor einigen Jahren, als das Thermometer doch tatsächlich mal -24.9 Grad anzeigte. Also dann, wenn jede/r Normalsterbliche sich nicht mal gross aus dem Haus wagt, geschweige denn nur mit Badehose, Füsslingen und Handschuhen bewaffnet tapfer im Rhein ein Erholungsbad nimmt. Jakob Vogt meint dazu, dass das alles relativ sei. Auch für ihn brauche so etwas Überwindung. Seine Wohlfühl-Wassertemperatur liegt bei 15 Grad.

«Zuvielisation»
Auf die Frage des Warum kam sinngemäss folgende Antwort: «Es ist einfach ein herrliches Gefühl, eine befreiende Empfindung für Körper, Geist und Seele.» Es gebe für ihn als Ausgleich nichts Schöneres, als in einem Gewässer in der Natur zu schwimmen. Überhaupt hat es ihm die Natur angetan. Da ist Jakob Vogt im Element. Im Grunde bräuchte er nichts. Er könnte sich vorstellen, in einer 4 x 4 m grossen Fischerhütte oder ähnlichem in der Pampas zu hausen. Ohne nichts einem Eremitendasein frönen und die Natur pur reinziehen. Da er sich nicht als Selbstversorger sieht, wärs dann aber doch noch schön, in einer Gehdistanz ein Einkaufsgeschäft zu wissen. Immerhin ein Touch Zivilisation. Zivilisation, die bei ihm oft zur «Zuvielisation» gerät mit all dem materialistischen Schnickschnack und Grümpel, den wir im Grunde alle nicht bräuchten, wie er sagt.

Ferien nur in Nähe von Gewässern
Einmal, und da geriet Jakob Vogt regelrecht ins Schwärmen, sei er im Baikalsee schwimmen gegangen. Überhaupt brauche er, wenn er ferienhalber unterwegs sei, ein Gewässer in der Nähe. Das sei das Wichtigste. Denn natürlich wird auch dann jeden Tag geschwommen. Wäre ja geradezu inkonsequent, wenn nicht....

Plädoyer für mehr Vorsicht
Im Gespräch wies Profi-Schwimmer Jakob Vogt mahnend auf die Gefahren hin, die Gewässer in sich bergen. Speziell auf den «schwarzen Vorhang» beziehungsweise auf die Gefahr der plötzlichen Blutleere im Gehirn. Man dürfte eigentlich niemals einfach so in ein Gewässer springen. Also das, was Hunderte von Kindern oder Jugendlichen Jahr für Jahr tun, indem sie zum Beispiel, von Brücken in Flüsse springen, sei gefährlich und verantwortungslos und habe schon zu Todesfällen geführt. Was wiederum rein gar nichts damit zu tun habe, ob man gut schwimmen könne oder nicht. Auch die Temperatur des Wassers spielt da keine Rolle. Das Plädoyer für mehr Vorsicht wurde durch klare Aussagen untermauert. Der Mann weiss, wovon er spricht.

Keine Ehrfurcht gegen oben
Wir wollten noch wissen, was ihn, den gebürtigen Baselbieter Jakob Vogt, sonst noch so ausmacht. Er ist seit 1999 verheiratet und lebt mit seiner Frau Erika seit 2001 in Wittnau. Kinder haben sie keine. Er selber hält sich für geduldig, kann aber auch mal explodieren, wenn ihm etwas «too much» ist. Und gelegentlich sei er frech, meinte er schmunzelnd. Dies ist so zu verstehen, dass er keinen Bückling macht, wenn ein Fleisch gewordener Doktortitel vor ihm steht. Im Gegenteil, das Gehabe der vermeintlich Mehrbesseren gehe ihm zuweilen arg auf den Wecker. Da ist man bei ihm dann an der falschen Adresse. Dies, so muss man an der Stelle vermuten, hat mit Erinnerungen an Teile seines Lebens zu tun, wo es dieses nicht eben gut meinte mit ihm. Ereignisse, die teils sehr tiefe Narben hinterliessen.

Ein ganz anderes Kapitel
Als Beispiel kann da ein ehemaliger Vorgesetzter in der Armee seinen «Militärgrind» hinhalten; ein Mann, der Jakob Vogt das Leben zur Hölle machte. Oder jene Episode aus den Jugendjahren, als er im Rahmen einer fürsorgerischen Zwangsmassnahme für lange Zeit weggesperrt wurde. Ohne Gerichtsbeschluss, versteht sich. Das gab es damals nicht in solchen Fällen. Dieses Schicksal teilt er auch mit seiner Frau, die es noch härter getroffen hatte damals. Die Geschichte ist übrigens gerade jetzt topaktuell, weil am 1. März die Frist abläuft, um ein Gesuch auf Rehabilitation oder «Wiedergutmachung» einzureichen. Jakob Vogt echauffiert sich noch heute über die damaligen, ungerechten und schlimmen Zustände. So gebe es nach wie vor Menschen, die mit Spätfolgen zu kämpfen haben und noch heute nicht über sich und ihr Leben bestimmen könnten und offenbar zu Mündeln auf Lebzeiten verdonnert wurden damals.

Diese Thematik wäre alleine einen grossen Artikel wert. Kratzt man bei Jakob Vogt etwas an der Oberfläche, taucht all das wieder auf. Aber es sind auch Zweifel im Spiel. Zweifel, ob denn eine Rehabilitation in ihrem Fall überhaupt durchkäme und die Anerkennung fände, die er als gerecht anschaue; wenn es so etwas überhaupt geben kann. Vergleichsweise magere 25 000 Schweizer Franken, so meinte er, seien das absolute Maximum an finanzieller Wiedergutmachung pro Kopf. Ums Geld, auch das wurde glasklar, ginge es ihm nicht a priori. Aber vielleicht steht ja jener Gedanke im Vordergrund, dass es eben doch eine verpasste Chance wäre, wenn dieses Gesuch nicht fristgerecht noch gestellt würde…

Ecken und Kanten
Jakob Vogt hat Ecken und Kanten. Er ist ein spezieller, ein interessanter Zeitgenosse. Einer, mit dem gut Kirschen essen ist. Aber auch einer, der unangenehm werden kann, wenn er sich von oben herab und ungerecht behandelt fühlt. In diesem «Persönlich» ging es zu Beginn hauptsächlich ums vergleichsweise harmlose Rheinschwimmen, die Wendung in durchaus ernstere, gar tragische Gefilde und Schreckgespenste der Vergangenheit mit der nun abschliessenden Thematik, wo auch Stichworte wie die Besserungsanstalt Kalchrain ihre Wirkung hinterliessen, stimmt einen zum Schluss auch nachdenklich und macht betroffen. Geschichten, die das Leben schrieb. Aber nicht hätte schreiben müssen.


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