Ein selbstbestimmtes Leben trotz Demenzerkrankung

  07.02.2018 Kaiseraugst, Kommende Events, Gesundheit

Erfahrungsbericht der Spitex Kaiseraugst

Es ist der Wunsch vieler, bis zum letzten Tag möglichst selbstbestimmt zu leben. Wie das gelingen kann, zeigt ein Bericht der Spitex am Beispiel von Herrn P. aus Kaiseraugst.

Jeder Mensch ist einzigartig. Auch jede Demenzerkrankung verläuft einzigartig. Was für die eine Person richtig ist, mag für die andere gerade falsch sein – und umgekehrt. Herr P. ist im Sommer 2017 in seinem Haus in Kaiseraugst verstorben. Im Haus, in dem er nach dem Tod seiner Frau ganz alleine weiterwohnte. Es war der Ort seines Lebens, seiner Biographie. Von da wollte er nicht weg. Auch hochbetagt nicht. Aufrecht wollte er leben, bis zu seinem letzten Tag, selbstbestimmt und ohne übertriebene Sorgen. Es ist ihm gelungen – sogar mit seiner Demenzerkrankung, die ihn vor allem in seinem letzten Lebensjahr mehr und mehr einschränkte. Wie haben seine Angehörigen diese Zeit erlebt? Martin Kalt, Leiter der Spitex Kaiseraugst, welche während dieser Zeit die Pflege und Betreuung leistete, befragte dazu die Tochter von Herrn P.

Was war Ihre grösste Sorge, als Sie von der Demenzerkrankung Ihres Vaters erfuhren?
Uns sind zuerst Kleinigkeiten aufgefallen, wie Termine vergessen oder verwechseln, oder unauffindbar verlegte Gegenstände. So waren denn auch die Sorgen, die wir uns machten, zunächst kleinerer Natur, wurden aber natürlich mit dem Fortschreiten der Demenzerkrankung grösser. Wir sind sozusagen langsam in die Situation hinein gewachsen und wurden nicht von einer Diagnose «erschlagen», wie dies bei anderen Krankheiten der Fall sein kann. Zu einem späteren Zeitpunkt galt meine grösste Sorge der Tatsache, dass mein Vater vielleicht Hilfe braucht, und nicht mehr weiss, wie er jemanden kontaktieren muss, oder dass der Zustand des Vaters von Aussenstehenden ausgenutzt werden könnte, bewusst oder einfach in Unkenntnis seiner Situation. Dazu plagte uns die Frage, wie weit oder wie lange noch können wir es verantworten, unseren Vater, seinem Wunsch entsprechend, allein in seinem Zuhause zu lassen. Trotz der Spitex-Präsenz, die immer wieder der aktuellen Situation angepasst wurde, war er doch vor allem abends und über Nacht viele Stunden auf sich allein gestellt. Eine Nachtwache wurde aber erst kurz vor dem Tod meines Vaters dringend nötig, weil er auch körperlich sehr schwach geworden war.

In den Jahren der Demenzerkrankung: Was belastete Sie am meisten?
Nebst meinem Arbeitspensum, meiner Familie, und weiteren Verpflichtungen habe ich mich um viel Organisatorisches und Administratives betreffend meinen Vater gekümmert, zum Beispiel Rechnungen bezahlen, die ich aber erst an den verschiedensten und oft unmöglichsten Orten zusammensuchen musste. Weiter Termine oder die wenigen privaten Anlässe, die er noch besuchte, ihm aber wichtig waren, organisieren und abklären, wer ihn zu diesen hinund zurückbringen kann. Schauen, dass immer etwas Bargeld da war (nach Schliessung der Poststelle im Dorf, für meinen Vater schon bald eine Angelegenheit, die er nicht mehr alleine bewältigen konnte). Dinge, die irgendwie schiefgelaufen waren, wieder in Ordnung bringen usw. Ich musste immer wieder feststellen, dass ich für solche Sachen mehr Zeit brauchte, als ich Zeit mit meinem Vater verbringen konnte, um einfach mit ihm zusammen zu sein. Das hat mich sehr belastet.

Was hat Sie in dieser Zeit am meisten überrascht?
Überrascht hat mich, dass keine meiner Befürchtungen eingetreten ist, dass es nie zur Katastrophe kam. Die grösste Überraschung aber war die enorme Besserung des Zustands meines Vaters, schon wenige Tage nach den ersten Einsätzen des Angebots «Spitex Betreuung». Für einige Wochen blühte er nochmals richtig auf, war fröhlich, plötzlich wieder viel präsenter, seine Stimme wieder kräftiger; ein kurzes schönes Aufflackern der früheren Persönlichkeit. Damit hat glaube ich niemand von uns gerechnet. (mgt)


Die Kommission Gesundheit und Alter der Einwohnergemeinde Kaiseraugst lädt am Montag 26. Februar 2018 um 19 Uhr zum Info-Anlass «Demenz – meine Bedürfnisse – deine Bedürfnisse» in den Violahof ein. Der Anlass will dabei besonders auf die Bedürfnisse von Angehörigen eingehen.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote